Affenpocken-Ausbreitung in China: Regierung wiederholt Corona-Fehler

Die mittlerweile unter dem Namen "mpox" laufende Viruserkrankung trifft China. Doch mit Infektionszahlen hält sich die Regierung bedeckt.

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Personen mit weißen Hazmat-Schutzanzügen auf einer leeren Straße in China

Zu Corona-Zeiten während des Lockdowns in China.

(Bild: Robert Way/Shutterstockcom)

Lesezeit: 15 Min.
Von
  • Zeyi Yang
Inhaltsverzeichnis

Schutzanzug, PCR-Test, Quarantäne und Kontaktverfolgung – in China erlebt man gerade ein Déjà-vu. Auf einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche stellte das chinesische Zentrum für Seuchenschutz (Center for Disease Control and Prevention, CDC) Leitlinien zur Eindämmung eines neuen Krankheitsausbruchs vor. Und dabei handelte es sich nicht um eine weitere COVID-Welle. Vielmehr befasste sich das CDC mit einem potenziell bedeutenden neuen Problem der öffentlichen Gesundheit im Land: Affenpocken, die immer häufiger auftreten. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO verzeichnet China derzeit den weltweit stärksten Anstieg an Fällen der mittlerweile auch als "Mpox" bekannten Erkrankung. Das Land müsse schnell handeln, um die Verbreitung einzudämmen.

Während der Mitte 2022 erfolgte Mpox-Ausbruch in Amerika und Europa weitgehend eingedämmt werden konnte, hat sich Asien zum neuen Hotspot der Krankheit entwickelt. Japan, Südkorea und Thailand, die alle im vergangenen Jahr nur sporadisch importierte Fälle verzeichneten, meldeten 2023 wöchentlich neue Erkrankungen im zweistelligen Bereich – was bedeutet, dass sich das Virus in der einheimischen Bevölkerung ausgebreitet hat. Nach den jüngsten Daten, die der WHO gemeldet wurden, hat China mit 315 bestätigten Fällen in den letzten drei Monaten jedoch alle anderen Länder der Welt übertroffen. Es dürften noch mehr sein: Die derzeit noch unregelmäßigen Meldungen aus Peking bedeuten, dass das wahre Ausmaß der Krankheit derzeit unbekannt ist.

Mpox ist weniger ansteckend als COVID, doch seit 2022 haben sich mehr als 88.000 Menschen mit der Krankheit angesteckt, die für einige schmerzhaft und lebenseinschränkend sein kann. Mehr als 150 Menschen sind bislang gestorben. Einige Länder waren bei der Eindämmung von Mpox-Ausbrüchen erfolgreicher als andere – und ein Großteil ihres Erfolgs ist wohl auf proaktive Maßnahmen wie Impfkampagnen zurückzuführen. Doch die chinesische Regierung hat gerade erst begonnen, Maßnahmen zu ergreifen. Und das verwundert.

"Verglichen mit der Reaktion auf COVID-19 [...] ist die Reaktion sicherlich dramatisch anders", sagt Yanzhong Huang, Senior Fellow für globale Gesundheit beim Council on Foreign Relations. "Auch wenn es weniger wahrscheinlich ist, dass sich [Mpox] zu einem großen Ausbruch im Land entwickelt, könnte eine naive Haltung die Ausbreitung der Krankheit in der Risikobevölkerung fördern – es sei denn, es wird eine aktivere Kampagne geführt."

Im Mai erklärte die WHO noch, Mpox sei kein internationaler Gesundheitsnotfall (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC) mehr, weil die Zahl der Fälle in den Ländern, in denen es im vergangenen Jahr zu großen Ausbrüchen gekommen war – vor allem in Amerika und Europa – deutlich zurückgegangen sei. Mpox ist in West- und Zentralafrika seit Jahrzehnten endemisch und wird es wohl auch bleiben. "Insgesamt ist die Lage im Vergleich zum letzten Jahr definitiv anders", sagt Krutika Kuppalli, Ärztin für Infektionskrankheiten und Vorsitzende des "Global Health Committee" der Infectious Disease Society of America. "Wir haben viel weniger Fälle, aber wir sehen sporadische Ausbrüche in verschiedenen Teilen der Welt."

Zu dem Zeitpunkt, als die WHO die PHEIC-Erklärung aufhob, war in vielen asiatischen Ländern bereits ein Anstieg zu verzeichnen. Japan war das erste asiatische Land, das im März ein deutliches Plus der Mpox-Fälle meldete. Im Mai warnten Forscher im Land in einem Bericht, dass sich die Krankheit aufgrund der engen Beziehungen zwischen Japan und anderen asiatischen Ländern und der niedrigen Mpox-Impfrate in der Region in ganz Asien ausbreiten könnte. Sollte sich der Ausbruch auf das Niveau des Westens ausweiten, so die Forscher, könnten allein in Japan über 10.000 Fälle erwartet werden, bevor Mpox erfolgreich eingedämmt ist.

Es ist weniger klar, was genau in China passiert. Nach den von der WHO erhobenen Daten meldete das Land von Mai bis Juli 315 neue Mpox-Fälle. Eine so hohe Zahl deutet darauf hin, dass nicht alle Fälle auf Reisen zurückzuführen sind. Aber – und das erinnert an die Reaktion auf COVID – China ist mit seinen Krankheitsdaten nicht so freigiebig wie andere Länder. Es veröffentlicht keine wöchentlichen Berichte über neue Fälle. Stattdessen hat das Land einen bislang einmaligen Bericht über die Zahl der im Juni aufgetretenen Mpox-Fälle veröffentlicht: 106. Die chinesische Regierung hat die Daten vom Mai bislang nicht veröffentlicht und auch noch keine Angaben zu den Fällen im Juli gemacht.

Die WHO fasst jedoch die Fallzahlen aus Taiwan, das eine eigene demokratische Regierung und einen eigenen Seuchenschutz hat, und Hongkong unter dem Begriff "China" zusammen. Und für die Öffentlichkeit gibt es keine Möglichkeit, die Daten wieder zu trennen. Die Zahl 315 umfasst also die 106 Fälle, die Peking nach eigenen Angaben im Juli identifiziert hat, sowie die Zahl der Infektionen in Taiwan und Hongkong im Mai, Juni und Juli. Dadurch wird die tatsächliche Anzahl der Mpox-Infektionen in China weiter verschleiert, obwohl es bei einem Ausbruch einer Infektionskrankheit von entscheidender Bedeutung ist, so schnell wie möglich den Überblick zu behalten. Die WHO geht hier jedoch weiterhin politisch vor und hält sich an die "One China"-Maxime. "Wir müssen auch mehr über die Infizierten wissen", sagt Kuppalli. "Zum Beispiel die demografischen Daten, das klinische Erscheinungsbild, ihren Immunstatus und wie konkret sie sich in Behandlung begeben haben. Ich denke, dass diese Art von Informationen wichtig ist."

Die Unklarheit darüber, wie sich die Krankheit ausgebreitet hat, hat sogar einige Chinesen in Panik versetzt. Die Nachricht, dass im Land überhaupt Mpox-Fälle aufgetreten sind, kursiert schon seit Wochen. Doch erst am 26. Juli veröffentlichten die chinesische Gesundheitsbehörde CDC und das chinesische Gesundheitsministerium gemeinsam eine Leitlinie zur Verhinderung der Ausbreitung der Krankheit. Es wird etwa gefordert, dass alle bestätigten Mpox-Patienten in eine medizinische Einrichtung verlegt und dort unter Quarantäne gestellt werden – es sei denn, sie haben nur leichte Symptome. Weiterhin besagen die Regeln, dass für jeden Patienten eine dreiwöchige Rückverfolgung der Kontakte durchgeführt wird und enge Kontaktpersonen aufgefordert werden, sich selbst drei Wochen lang in Quarantäne zu begeben. Außerdem wurde den örtlichen Behörden empfohlen, die Mpox-Viruskonzentration im Abwasser bestimmter Gebiete zu überwachen.

Was die Überwachung des Ausbruchs in China erschwert, ist die Tatsache, dass die derzeitige Mpox-Ausbreitung – wie auch im Westen – hauptsächlich in Gemeinschaften von Männern, die Sex mit Männern haben, zu beobachten ist. Ähnlich wie in den USA und in Europa wird diese Assoziation in China immer wieder fehlinterpretiert, um zu suggerieren, dass Mpox nur eine Geschlechtskrankheit ist, die von homosexuellen Männern durch sexuelle Aktivitäten verbreitet wird. Das ist auch deshalb so gefährlich, weil die LGBTQ-Gemeinschaft in dem Land zunehmend ins Visier gerät.

Viele chinesische Nutzer sozialer Medien, die Männer mit Hautläsionen in der Öffentlichkeit gesehen haben, haben Fotos gepostet, um zu fragen, ob es sich um ein Mpox-Symptom handelt. Und auch der chinesische Name für Mpox – Houdou – wurde als Schimpfwort gegen schwule Männer in Umlauf gebracht. Um die Ausbreitung von Mpox wirksam zu stoppen, müssen Beamte des öffentlichen Gesundheitswesens eine heikle Balance finden zwischen der Entstigmatisierung der Krankheit – indem sie die Vorstellung bekämpfen, dass sie nur homosexuelle Männer betrifft – und der Priorisierung der Gemeinschaften, die am meisten gefährdet sind. "Die Zusammenarbeit mit den Betroffenen und eine nicht stigmatisierende Sprache und Kommunikation haben sich als äußerst wirksam erwiesen, um den Ausbruch der Krankheit im Westen einzudämmen", sagt Kuppalli.