Akkus in XXL

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Als heiliger Gral der Batterieforschung gelten indes Metall-Luft-Batterien, insbesondere Lithium-Luft-Systeme. Sie haben dieselbe Energiedichte wie Benzin und sind damit besonders kompakt und leistungsstark. In den Geräten reagiert Lithium beim Entladen mit dem Sauerstoff der Luft. Beim Aufladen verwandelt sich das entstandene Lithiumoxid wieder in das Metall. Zumindest in der Theorie. Die Praxis ist jedoch vertrackt. Lithiumoxid ist ein weißes Pulver. "Das fällt von der Elektrode herunter wie bröseliger Rost", sagt Gutsch. Das Pulver hat ein fünfmal größeres Volumen als metallisches Lithium. Das macht es schwer, den Vorgang beim Aufladen wieder umzukehren.

Chemiker Simon Ressel von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg glaubt deshalb, mit einem anderen Batterietypus schneller ans Ziel zu gelangen: mit der Redox-Flow-Batterie. Deren Besonderheit: Die Stoffe, die darin miteinander reagieren und Strom liefern, befinden sich außerhalb der Zelle in Flüssigkeitstanks. Es sind Vanadiumsalze, die bei Bedarf in die Batterie gepumpt werden und an den Grafitelektroden reagieren. Seit den neunziger Jahren werden solche Redox-Flow-Batterien zu Testzwecken gebaut. Doch erst in letzter Zeit verlassen die Entwicklungen das experimentelle Stadium.

Das japanische Unternehmen Sumitomo Elec-tric hat im vergangenen Jahr einen haushohen Speicher an einen Solarpark auf dem firmeneigenen Gelände in Yokohama angeschlossen. Eigenen Angaben zufolge handelt es sich um die weltgrößte Redox-Flow-Batterie. In fünf Stunden nimmt sie ein Megawatt Strom auf. Die österreichische Firma Cellstrom vermarktet als einziges europäisches Unternehmen ebenfalls entsprechende Batterien. Sie gleichen Wohncontainern mit vier mal zwei Metern Länge. Jeder dieser Blöcke bunkert bis zu 100 Kilowattstunden Sonnen- oder Windstrom. Das Unternehmen hat rund 25 Systeme weltweit verkauft, etliche davon nach Deutschland. Betreiber von Photovoltaikanlagen und Energieparks bewahren sich damit Strom für die Nacht auf. "In Redox-Flow-Batterien kann man sehr große Energiemengen in sehr kurzer Zeit speichern", nennt Ressel einen Vorteil. Und will man mehr Strom bunkern, braucht man lediglich größere Tanks mit mehr Vanadiumsalzen. Die Zellen haben zudem eine Lebensdauer von über 10000 Ladezyklen und sind damit viel langlebiger als Lithium- und Bleisysteme.

Die Nachteile: "Die Energiedichte ist mit 37,5 Wattstunden pro Kilogramm sehr gering", so Ressel. Man bräuchte riesige Speicherparks, um den Strom eines Solarkraftwerks für einige Stunden zu speichern. Außerdem werden die Zellen aufwendig von Hand zusammengebaut und sind damit "viel zu teuer für den Massenmarkt", gesteht Ressel. Seit September 2012 arbeitet er allerdings mit Forschern anderer Universitäten im Projekt TubulAir daran, einige der bisherigen Mängel zu beheben.

Das Vanadiumsalz des Pluspols ersetzt Ressels Team durch ein Gemisch aus Luft und Wasser, das aus der Umgebung angesaugt wird. Beim Entladen entsteht aus Sauerstoff Wasser, beim Laden wird aus dem Wasser wieder Sauerstoff gewonnen. Durch den Wechsel des Reaktionsmediums verdoppelt sich die Energiedichte. Chemiker um Julien Bachmann von der Universität Nürnberg-Erlangen stellen zudem röhrenförmige Grafitelektroden mit Poren von wenigen 100 Nanometern Durchmesser her. Bisher sind die Elektroden in der Redox-Flow-Batterie stets plattenförmig. Durch die röhrenförmige Bauweise mit Nanoporen vergrößert sich die Oberfläche, an der die stromliefernde Reaktion abläuft. Die Leistungsdichte sollte so um den Faktor zehn steigen, haben die Wissenschaftler ermittelt.

Ressel rechnet fest damit, dass bald jedes Haus mit Photovoltaikanlage über eine Redox-Flow-Batterie im Keller verfügt. Gutsch relativiert jedoch: "Die großen Einstiegsmärkte liegen in Russland und Indien." Dort fällt ständig der Strom aus, und Elektrizität aus Dieselgeneratoren ist teuer. Deshalb lohnen sich Batteriespeicher in diesen Ländern schon heute, um die Ausfälle zu überbrücken. Gutsch ist sich sicher: "Die Technik wird in Deutschland mit entwickelt, aber zunächst für das Ausland." (bsc)