Allein unter Maschinen

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Morgentoilette

Ich lenke mein Roboterbett Richtung WC. Natürlich ist auch das keine normale Toilette. Für sein Roboterklo Ara Uno hat Panasonic die Schüssel nicht aus Keramik, sondern aus hochglattem organischen Glas hergestellt. Sie reinigt sich nun automatisch selbst, indem Düsen Reinigungsschaum auf die Schüssel spülen und die Wasserspülung den Dreck entfernt. Darüber hinaus beherrscht das Klo die üblichen Tricks einer japanischen Toilette: Der Klodeckel öffnet automatisch, die Klobrille heizt auf, und während des Geschäfts dudelt das Klo Musik von der Speicherkarte. Die üblen Düfte werden abgesaugt und geruchsgefiltert in die Raumluft abgegeben. Ein wohltemperierter Wasserstrahl reinigt mein Gesäß, ein Föhn trocknet es.

Theoretisch könnte mein Klo auch Körpergewicht und Fettgehalt bestimmen. Einen entsprechenden Prototyp hatte Panasonic vor einiger Zeit bereits vorgestellt, er schaffte es jedoch nie auf den Markt. Kein Problem wäre es auch, den Zuckergehalt im Urin oder die Stärke des Urinstrahls zu messen, um eine mögliche Diabetes-Erkrankung oder ein Blasenleiden zu entdecken. Geht es nach Kunio Harimoto, dem Chef des Toilettenherstellers Toto, würde das Klo die Befunde übers Internet dem Arzt berichten. Ich frage mich, ob ich dann genauso ungern auf Toilette gehen würde wie heute zum Arzt. Ich nehme mir vor, schon einmal prophylaktisch etwas für meine Gesundheit zu tun: Ich gehe in den Garten, um frische Luft zu tanken und frische Erde auf die Beete zu verteilen. Anstrengend ist die Arbeit nicht, denn auch dafür gibt es: Roboterhilfe.

Gartenarbeit

Im Garten lege ich das anschnallbare Skelett HAL aus Stahl, Plastik und viel Technik an, das meine Muskelkraft vervielfacht. Ein Modul für die Beine, ein anderes für Oberkörper und Arme – und plötzlich wuchte ich dank dem "Hybrid Assistive Limb" 70 Kilogramm schwere Erdsäcke durch die Gegend. Ja, so macht die Verwandlung zum Cyborg Spaß. Oder sollte ich besser Terminator sagen? Der Entwickler des Exoskeletts, Yoshiyuki Sankai, hat seine Firma Cyberdyne genannt, ausgerechnet nach jenem Konzern aus den "Terminator"-Filmen, dessen Roboter die Menschheit auslöschen wollen. Dabei ist Sankai Pazifist, Aufträge des Militärs lehnt er ab.

Er ist jedoch überzeugt: "Die menschliche Rasse entwickelt sich weiter, aber sie tut es technisch, nicht biologisch." Seine Philosophie beruht jedoch im Unterschied zu anderen Cyborg-Visionären darauf, dass die Robotertechnik nicht operativ mit dem Menschen verbunden wird, sondern sich an- und vor allem wieder abschnallen lassen soll. "Ich kam zu dem Schluss, dass die Haut eine bedeutende Grenze ist", sagt Sankai. Pads auf Armen und Beinen messen daher die schwachen bioelektrischen Signale, die das Hirn über die Nervenbahn an die Muskeln sendet. Der Roboter analysiert die Impulse, schließt daraus auf die Intention des Menschen und führt die Bewegungen aus. Entwickelt wurde die Technik, um Alten und Schwachen länger ein eigenständiges Leben zu erlauben. Doch inzwischen wird HAL auch ausgiebig in der Rehabilitation genutzt, um Patienten mit Muskel oder Nervenleiden wieder das Gehen oder das Bewegen der Arme anzutrainieren.

Ich lege meine Cyborg-Rüstung ab, verstaue sie im Schuppen, gehe zurück in meine Wohnung und ziehe mich um. Duschen brauche ich nicht, denn ich habe nicht geschwitzt. Anschließend gebe ich noch meinem selbstfahrenden Auto den Befehl, mich vor der Haustür abzuholen. Ich möchte einkaufen gehen.

Spritztour mit Chauffeur

Vor dem Verlassen des Hauses frage ich meinen Staubsauger Cocorobo, wie das Wetter wird. "Sonnig" ist die Antwort. Ich kann das Regenzeug also zu Hause lassen. "Cocorobo, itekimasu" (Cocorobo, ich gehe jetzt), sage ich. "Itterashai – Komm bald wieder", antwortet er. Die Klimaanlage hat mit ihren Sensoren erkannt, dass ich im Flur stehe und im Begriff bin, die Wohnung zu verlassen. Sie schaltet sich ab. Auch der Kühlschrank versetzt sich in den Sparmodus, da er aus der Beobachtung meines Tagesablaufs weiß, dass das Frühstück vorbei ist und bis zum Abendessen die Tür nicht mehr geöffnet wird. Mein Auto fährt vor, ich steige ein.

Ich sitze hinterm Lenkrad und schaue gemütlich links und rechts zu den Seitenfenstern hinaus. Seit zehn Minuten habe ich das Lenkrad nicht mehr berührt, ebenso wenig Gaspedal oder Bremse. Langsam nähern sich der BMW und ich dem Lkw vor uns. Der Blinker geht an, und mein Wagen steuert nach rechts Richtung Überholspur – in Japan herrscht Linksverkehr. Just in diesem Moment schert ein Pkw einige Autos hinter mir aus. Ich unterdrücke den ersten Impuls, das Lenkrad zu ergreifen. Es ist nicht nötig, denn mein Robo-Chauffeur reagiert sofort: Der Blinker geht aus, und der Wagen schert zurück in die Spurmitte. Der andere Wagen zieht an uns vorbei. Dann beginnt mein Auto erneut das Überholmanöver. Ein Bildschirm am Armaturenbrett zeigt mir, wie mein maschineller Chauffeur die Welt sieht: Er selbst stellt sich als kleiner animierter Auto-Avatar in der Mitte der dreispurigen Autobahn dar, umgeben von vielen dahinfließenden blauen Blöcken – das sind die anderen Autos oder schlicht Hindernisse. Noch gibt es autonome Fahrzeuge nur als Prototypen. Aber einen guten Eindruck von der Zukunft des Fahrens geben sie schon jetzt.

Ich solle den Autopiloten erst bei höheren Geschwindigkeiten und starkem Verkehr einschalten, hatten sie mir im Autohaus gesagt. Ehrlich gesagt war mir nicht besonders wohl, als ich schließlich den Schalter umlegte. Erst wagte ich es nicht, die Hände vom Lenkrad zu nehmen. Als ich aber merkte, wie der Wagen zahlreiche Überholmanöver erfolgreich vollführt, entspannte ich mich langsam. Mittlerweile muss ich mich sogar immer wieder bewusst daran erinnern, mich auf die Straße zu konzentrieren, um im Notfall eingreifen zu können. So schnell gewöhnt man sich daran, Beifahrer auf dem Fahrersitz zu sein.

Von außen sieht der BMW völlig unauffällig aus. Keine rotierenden Laserscanner, wie man sie von Bildern der Google-Autos her kennt. Die zahlreichen Sensoren sind klein und versteckt. Zwei Laserscanner und drei Radarsensoren in den Stoßstangen vorn und hinten tasten unentwegt die Straße in einem Radius von 200 Metern ab. Am oberen Rand der Windschutzscheibe und dem Heckfenster sind Kameras angebracht, die Schilder analysieren und auswerten. An jedem Rückspiegel sind Weitwinkel-Laserscanner. Vier Ultraschallsensoren über den Rädern überwachen den Nahbereich. Der GPS-Empfänger kombiniert Signale von Bodenstationen mit denen von Satelliten und weiß zentimetergenau, wo der Wagen sich gerade befindet.

Mehrere Rechner im Kofferraum werten die ganzen Messdaten in Sekundenbruchteilen aus. Die Software gleicht mithilfe von Wahrscheinlichkeitsberechnungen Ungenauigkeiten der Sensoren aus und entscheidet letztlich, ob der Wagen die Spur wechseln, ein Überholmanöver vollführen oder einem Fahrzeug, das von hinten kommt, Platz machen soll. Ein weiteres Computersystem ist nur dazu da, das gesamte autonome Steuerungssystem auf Fehlfunktionen zu überwachen. Der Wagen stoppt vor dem Eingang des Kaufhauses. Ich steige aus, und das Fahrzeug sucht sich einen Parkplatz.