Auf der Suche nach dem Patent-Rezept

Inhaltsverzeichnis

IP, gesprochen Ei Pi, steht in der Investorenszene nicht für Internet Protocol, sondern ist das gängige Kürzel für Intellectual Property – geistiges Eigentum. Diese zu handelbaren Gütern mutierten Ideen schmücken schon so manche Bilanz, ihre monetäre Bewertung ist jedoch mindestens so spekulativ wie die von Immobilien. Brandkamp rät deshalb, sich bei der Bewertung eines Patents mit dem symbolischen Euro zu begnügen. Auch Arnolds sieht bei seiner Klientel aus dem akademischen Umfeld die Gefahr von verfrühter Euphorie und selbstbetrügerischen Anwandlungen.

Hochschulinstitute meldeten ihre Errungenschaften nämlich "in aller Regel" bereits in einer sehr frühen Reifephase an. Ein Doktorand, der dann schon von einer 100-Millionen-Euro-Firma träume, müsse bedenken, dass es auf das "Proof of Principle" ankomme, also den Nachweis, dass seine im Labor erprobte Schöpfung für den harten industriellen Alltag taugt. "Solange nicht klar ist, ob das Produkt funktioniert", so Arnolds, "hat das Patent wenig bis keinen Wert." Entsprechend vorsichtig agierten auch die Investoren, die mit dem Einstieg in ein Start-up immerhin ihr Geld darauf verwetten, dass die Technik nicht noch floppt.

Wie weit der Weg vom Institutslabor zum Konsumenten sein kann, zeigt das Beispiel des Brennstoffzellen-Unternehmers Sascha Kühn. Vor zehn Jahren begann der Werkstoffwissenschaftler als DFG-Stipendiat an der Uni Saarbrücken mit den Forschungsarbeiten für seine Dissertation. 2003 meldete er mit seinem Doktorvater das erste Patent an, dann engagierte ihn der einzige Lizenznehmer seines Patents – ein Grazer Mittelständler – als Leiter eines F&E-Projekts. Als sein Arbeitgeber in die Insolvenz schlitterte, sicherte sich Kühn die Exklusivrechte an seiner eigenen alten Erfindung. 2008 gründete der Neu-Dresdner, der mitsamt seinem IP beinahe schon in die USA ausgewandert wäre, die eZelleron GmbH. Gefördert vom Technologiegründerfonds Sachsen in Leipzig, holte er auch noch Fraunhofer Venture aus München und den Münsteraner Finanzinvestor eCapital an Bord.

Auf der Industriemesse in Hannover zeigte er in diesem Jahr endlich die ersten Prototypen seiner tragbaren Brennstoffzellen für Normalverbraucher. Bis die mit Feuerzeuggas betriebenen Stromlieferanten im Baumarkt auftauchen, dauert es allerdings: "Wir sind noch zwei Jahre weg vom Markt." Im vergangenen Jahrzehnt hat Kühn jede Menge Erfahrungen im Umgang mit Patenten gemacht. Es war alles Learning by doing: "Das lernt man leider nicht im Ingenieursstudium." Da Kühn als Stipendiat keinen Anstellungsvertrag mit der Hochschule hatte, war er rechtlich ein "freier Erfinder", hätte also das Patent in Eigenregie anmelden dürfen. Allerdings war er damals ganz froh, den juristischen Kram und die Kosten den Profis von der Patentverwertungsagentur der Uni überlassen zu können, die in solchen Fällen das Kostenrisiko trägt und den Forschern 15 Prozent der Erträge ausschüttet.

Mittlerweile hat Kühn die Vereinbarung dahingehend abgeändert, dass er seine Idee jetzt selbst vermarktet, der Agentur aber eine Umsatzbeteiligung zukommen lässt, über die er die Kosten der Patentanmeldung abstottert. Sein Fehler war jedoch, sich nicht das Produkt, sondern das Verfahren schützen zu lassen. "Ein Verfahrenspatent ist relativ einfach zu umgehen", weiß Kühn heute, "wer nachweisen will, dass es verletzt wurde, muss sich erst einmal Zugang zur Produktion verschaffen." Deshalb seien alle 13 weiteren Patente, die der 37-Jährige seit der Gründung angemeldet hat, viel produktorientierter als das erste.

Eine weitere wichtige Lehre für Sascha Kühn: Das österreichische Unternehmen, das seinerzeit mit der Lizenz an Kühns Patent so große Pläne hatte, konnte mit dem auf Papier dokumentierten Wissen allein noch nicht viel anfangen, sondern benötigte zusätzlich das in seinem Kopf gespeicherte Know-how. "Ein Patent ist ohne die Leute, die es umsetzen, letztlich wertlos", bestätigt HTGF-Chef Brandkamp. Außerdem kennt der IP-Autodidakt Kühn inzwischen viele Tricks, mit denen Patentprofis hantieren – zum Beispiel, wie man sich einfach und billig vor Sperrpatenten der Konkurrenz schützen kann.