Bessere Klimaanlagen: Neuartige Materialien nehmen Feuchte auf

Trocknungsmittel, die der Luft Wasser entziehen, könnten helfen, Gebäude effizienter zu kühlen.

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Montage einer Klimaanlage

Montage einer Klimaanlage.

(Bild: Andrey_Popov / Shutterstock)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Casey Crownhart
Inhaltsverzeichnis

Wird es wärmer, müssen immer mehr Orte gekühlt werden – und Klimaanlagen brauchen, obwohl sie dank Wärmepumpentechnik vergleichsweise effizient arbeiten, reichlich Strom. Neuartige Materialien können nun dabei helfen, die Systeme energiesparender zu machen, damit sie das Stromnetz auch an heißen Tagen nicht überfordern. Da die extreme Hitze weiterhin weltweit Rekorde bricht, wird erwartet, dass sich der Energiebedarf für Klimaanlagen in den nächsten Jahrzehnten verdreifachen könnte – ein Anstieg von etwa 4000 Terawattstunden zwischen 2016 und 2050, so die Internationale Energieagentur IEA. Das würde ungefähr dem Strombedarf des gesamten US-Stromnetzes im Jahr 2022 entsprechen.

Aus diesem Grund wird die Suche nach effizienterer Klimaanlagentechnik immer dringlicher. Während sich einige Unternehmen auf die Verbesserung bestehender Verfahren konzentrieren, suchen andere nach völlig neuen Systemen, die sogenannte Trocknungsmittel verwenden. Diese Geräte könnten selbst bei extremer Hitze und Luftfeuchtigkeit effizienter kühlen und so die Belastung des Stromnetzes verringern.

Eine herkömmliche Klimaanlage kühlt Innenräume, indem sie ein Kältemittel in einem Kreislauf durch Wärmetauscher pumpt und dabei die Wärme aus der Innenluft aufnimmt und dann nach außen abgibt. (Mit dieser Art von Wärmepumpentechnik lässt sich auch heizen, was viele Klimaanlagen auch können.) Der dabei verwendete Ansatz, die so genannte Dampfkompression, ist über 100 Jahre alt – und das Grundprinzip hat sich seit seiner Erfindung kaum verändert, sagt Ankit Kalanki, Manager beim Programm für klimaneutrale Gebäude am Rocky Mountain Institute, einer gemeinnützigen Denkfabrik für das Thema Energie. Das Hin- und Herpumpen von Kältemitteln und dessen Kompression, um die Wärme nach außen zu transportieren, erfordert allerdings relativ viel Energie – insbesondere bei sehr hohen Temperaturen.

Dampfkompressionssysteme haben außerdem stets mit Luftfeuchtigkeit und Wärme gleichzeitig zu kämpfen, was ein weiterer Nachteil ist. Die Aufrechterhaltung des Komforts in einem Gebäude hat viel mit der Aufrechterhaltung einer niedrigen Luftfeuchtigkeit zu tun, sagt Kalanki, aber Klimaanlagen müssen die Luft abkühlen, um ihr Feuchtigkeit zu entziehen. Ohne ein spezielles System zur Bekämpfung der Luftfeuchtigkeit, so Kalanki, werden Gebäude dabei oft "übergekühlt", was zu einer enormen Energielast führen kann. Systeme, die Entfeuchtung und Kühlung getrennt voneinander regeln, könnten die Gebäudetemperaturen mit weniger Energieaufwand angenehm halten und mehr Flexibilität in verschiedenen Umgebungen ermöglichen. Eine wachsende Zahl von Start-ups setzt dabei auf Trocknungsmittel, um genau das zu erreichen.

Trocknungsmittel sind Materialien, die Feuchtigkeit aufsaugen können. Die Siliziumdioxidkügelchen in den kleinen Päckchen, die Elektronik, Geldbörsen aus Leder oder Schuhen oft beiliegen, sind eine Art dieses Materials, das dafür sorgt, dass die Produkte beim Transport um die Welt trocken bleiben. Andere Arten von Trocknungsmitteln könnten zu bestehenden Klimaanlagen hinzugefügt werden, um Wasser aus der Luft zu absorbieren und den Energiebedarf für die Kühlung (oder Beheizung) von Räumen zu senken. Transaera, eine 2018 gestartete Ausgründung des MIT, entwickelt dazu ein Hybridsystem, das sogenannte Metal Organic Frameworks verwendet. Durch den Einsatz dieser Materialien in auf Dampfkompression basierenden Klimaanlagen könnten die Systeme 35 Prozent weniger Energie verbrauchen als durchschnittliche Modelle, so Sorin Grama, CEO von Transaera.

Andere Unternehmen versuchen, Trocknungsmittel direkt in Kühlsystemen einzusetzen, die herkömmliche Klimaanlagen vollständig ersetzen würden. Das in Florida ansässige Start-up-Unternehmen Blue Frontier beispielsweise verwendet flüssige Trocknungsmittel zur Herstellung von Kühlsystemen. Der Hauptbestandteil unterscheidet sich von den Siliziumdioxidkügelchen in Produktverpackungen, aber der Vergleich ist nicht von der Hand zu weisen: "Wir werden oft darauf angesprochen", sagt Matt Tilghman, Mitbegründer und Chief Technology Officer der Firma.

Die Kühlungstechnologie von Blue Frontier basiert allerdings nicht auf kleinen Kieselsäurekügelchen, sondern auf einer Salzlösung, die so konzentriert ist, dass sie Feuchtigkeit aus der Luft ziehen kann. Das Kühlungssystem von Blue Frontier funktioniert dann folgendermaßen: Zunächst wird ein Luftstrom durch einen Kanal und über eine dünne Schicht Trocknungsmittel geleitet, das der Luft Feuchtigkeit entzieht. Anschließend durchläuft die nun trockene Luft eine Verdunstungskühlung, die die Temperatur der Luft senkt (im Grunde so, wie Schweiß die Haut kühlt).

Bei der Verdunstungskühlung wird die Luft in zwei Ströme unterteilt. Einer fließt an einer dünnen Wasserschicht vorbei, die Energie absorbiert und die Temperatur der Luft senkt. Diese kühlere, feuchte Luft wird zur Kühlung einer Metalloberfläche verwendet, die wiederum Wärme aus dem anderen, noch trockenen Luftstrom absaugt. Die feuchte Luft wird nach draußen geleitet, und die kühle, trockene Luft wird in das Gebäude geblasen.

Die Verdunstung ist eine effiziente Kühlmethode, die in kostengünstigen Geräten, den so genannten Luftkühlern (auch als Sumpfkühler oder Verdunstungskühler bezeichnet), eingesetzt wird, die 80 Prozent weniger Strom verbrauchen als herkömmliche Klimaanlagen. Diese Geräte fügen der Luft in der Regel aber Feuchtigkeit zu, um sie zu kühlen, was nur bei trockener Luft funktioniert, so dass ihr Einsatz normalerweise auf trockene Umgebungen wie den Südwesten der USA (mit geringer Luftfeuchtigkeit) beschränkt ist.

Durch die Kombination von Verdunstungskühlung und Trocknungsmittel kann das System von Blue Frontier aber in praktisch jedem Klima eingesetzt werden, sagt Tilghman. Der Betrieb kann an Wetterveränderungen oder verschiedene Thermostat-Sollwerte angepasst werden, um das Gleichgewicht zwischen Kühlung und Entfeuchtung zu verändern, was zu weiteren Effizienzsteigerungen führen könnte. Der Ansatz des Unternehmens soll den jährlichen Stromverbrauch im Vergleich zu einer herkömmlichen Klimaanlage um insgesamt 50 bis 80 Prozent senken, je nach Umgebung, so Tilghman.

Flüssige Trockenmittel werden heute manchmal zur Entfeuchtung von Lagerhallen oder Fabriken eingesetzt, in denen die Luftfeuchtigkeit streng kontrolliert werden muss, wie z. B. in der Pharma- oder Elektronikindustrie. In der Kühlung haben sie sich jedoch nicht durchgesetzt, auch weil sie teuer sind. Ein Industriestandardmaterial, Lithiumchlorid, ist aufgrund der Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien mit Preissteigerungen und Lieferbeschränkungen konfrontiert. Außerdem können die Materialien korrosiv sein. (Blue Frontier verwendet ein neues Trocknungsmittel, das diese Bedenken ausräumen soll, so Tilghman.)

Eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einer weit verbreiteten Kühlung mit Trocknungsmitteln ist aber die Notwendigkeit einer Methode zum effizienten Recycling der Materialien. Trocknungsmittel sind wie Schwämme – sie können nur eine begrenzte Menge an Wasser aufnehmen, bevor sie "ausgewrungen" oder regeneriert werden müssen. Zusätzlich zu den Teilen, die die Luft trocknen und kühlen, benötigt ein Trockenmittel-Kühlsystem also einen Bereich, der das Trocknungsmittel regenerieren kann, indem er das Wasser in einen anderen Luftstrom abgibt, der wiederum nach außen geleitet wird.

Die meisten Trocknungsmittel können durch Erhitzen regeneriert werden, wodurch Wasser aus dem Material freigesetzt wird. Dieser Schritt kann jedoch sehr energieintensiv sein und erfordert häufig mit fossilen Brennstoffen betriebene Kesselanlagen. Blue Frontier verwendet stattdessen eine Wärmepumpe zur Regeneration des Trockenmittels. Diese erhöht zwar den Energiebedarf, aber während das Kühlsystem an einem heißen Sommertag ununterbrochen laufen kann, kann das Regenerationssystem abends oder nachts laufen, wenn das Stromnetz weniger belastet wird und die Strompreise niedriger sind, so Tilghman. Durch die Kompensation der Regeneration könnte das System von Blue Frontier dazu beitragen, den Spitzenstrombedarf um 80 bis 90 Prozent zu senken.

Andere Start-ups versuchen, den Bedarf an Wärme für die Anlagen ganz loszuwerden. Das in Boston ansässige Unternehmen Zephyr hofft, mit Hilfe von Membranen Wasser aus flüssigen Trocknungsmitteln herausfiltern zu können, um diese zu recyceln, ähnlich dem Verfahren, mit dem in Entsalzungsanlagen Salz aus dem Wasser gewonnen wird. Zephyr hat im Juli Teile seines Systems vorgeführt und plant, noch in diesem Jahr einen vollständigen Prototyp eines Kühlsystems im Labormaßstab zu bauen. Laut Jacob Miller, Mitbegründer und Chief Technology Officer von Zephyr, könnte sein Trocknungsmittel-Kühlsystem etwa 45 Prozent weniger Strom verbrauchen als die besten Dampfkompressions-Klimageräte, die derzeit auf dem Markt sind. Blue Frontier hat schon zwei Demonstrations-Kühlsysteme in Betrieb, eines in Florida und eines in Kanada, und das Unternehmen plant, Ende 2023 und 2024 mehrere Dutzend weitere zu installieren, so Tilghman.

Beide Start-ups konzentrieren sich zunächst auf Systeme für größere gewerbliche Gebäude, aber in der Folge könnten die Systeme auch für Häuser und sogar einzelne Wohnungen angepasst werden, so Tilghman. Die ersten Systeme von Blue Frontier werden anfangs teurer sein als bestehende Klimaanlagen, fügt er hinzu, doch sollten sie dies innerhalb von drei bis fünf Jahren durch Energieeinsparungen wieder wettmachen können.

Der Zugang zu effizienter Kühltechnologie könnte entscheidend dazu beitragen, dass mehr Menschen in einer sicheren Umgebung leben und arbeiten können, ohne dass die Stromnetze überlastet werden. "Wenn man sich die Erwärmung der Welt ansieht, die Art und Weise, wie die Temperaturen steigen, müssen die Menschen Zugang zu einer solchen Kühlung haben", sagt Kalanki vom Rocky Mountain Institute. "Es ist nicht nur eine Frage des Temperaturkomforts oder der Produktivität, sondern auch eine Frage der Gerechtigkeit."

(jle)