Big Techs heimliches Interesse an der Kryptobranche

Große Technologie-Firmen haben im Stillen ihre Präsenz in der Kryptobranche ausgebaut. Ein Überblick über Partnerschaften und Kooperationen.

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(Bild: mk1one/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Nils Jacobsen
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Seit Jahren muss die Kryptoszene mit dem Stigma einer Schattenwelt leben: Kryptowährungen werden vor allem von der etablierten Finanzindustrie als nerdiges Experiment ohne Wert hingestellt. Niemand Geringeres als die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Largarde, kritisiert Kryptowährungen seit Jahren – unlängst erst vergangene Woche: "Wie Sie sehen können, habe ich eine sehr geringe Meinung von Kryptos", erklärte die EZB-Präsidentin und führte das Beispiel ihres 30-jährigen Sohnes an, der mit Kryptowährungen "fast alles Geld verloren, das er investiert hat." 60 Prozent sollen die Kursverluste betragen haben.

Allein, es ist wie so oft an der Börse – der Kaufzeitpunkt und die Geduld sind entscheidend. 2023 nämlich zählen Bitcoin & Co. mit Wertzuwächsen von über 100 Prozent zu der erfolgreichsten Anlageklasse. Keine Frage: Kryptowährungen sind extrem volatil und spekulativ, doch die möglichen Kurszuwächse umso höher.

Dass die zugrunde liegende Blockchain-Technologie von den wichtigsten Akteuren der Big-Tech-Unternehmen als zukunftsträchtig erachtet wird, beweisen unterdessen Einschätzungen von Apple-CEO Tim Cook, der vor zwei Jahren erklärte: "Ich interessiere mich schon seit einiger Zeit für Kryptos." Das tun auch die Big-Tech-Konzerne selbst und haben schon vor Jahren weitgehend abseits der Öffentlichkeit Kooperationen und Partnerschaften mit Blockchain-Projekten und Krypto-Startups angestoßen:

Amazon ist durch sein E-Commerce- und Cloud-Geschäft AWS einer der wichtigsten Akteure der Big-Tech-Unternehmen – kein anderer Tech-Konzern verzeichnet höhere Umsätze. Gleichzeitig leistet sich der von 1994 von Jeff Bezos gegründete Internetpionier abseits des Kerngeschäfts immer wieder innovative Wetten auf mögliche Zukunftstechnologien.

Das gilt besonders in der Kryptobranche: Bereits 2018 etwa kündigte Amazon über den Cloud-Computing-Zweig AWS eine Partnerschaft dem Start-up Kaleido an, um Kunden die Bereitstellung ihrer Dienste auf der Blockchain zu erleichtern. Inzwischen stellt Amazon einen erheblichen Teil der Ethereum-Nodes über seinen Cloud-Dienst AWS bereit. Die Liste der Blockchain-Partnerschaften ist in den vergangenen Jahren stetig weiter gewachsen: So ging Amazon Kooperationen mit dem Webshop Origin, Chainlink oder in diesem Jahr mit der hoch gehypten Smart-Contract-Plattform Avalanche ein.

Dass auch der wertvollste Internetkonzern der Welt an Krypto glaubt, wurde im vergangenen Jahr deutlich, als Google eine strategische Kooperation mit Coinbase verkündete, der größten amerikanischen Handelsplattform für Kryptowährungen. So soll Google Cloud über Coinbase die Zahlung in Kryptowährungen für ausgewählte Kunden akzeptieren. Coinbase kassiert dafür Transaktionsgebühren.

"Wir sind begeistert, dass Google Cloud Coinbase ausgewählt hat, um Web3 einer neuen Gruppe von Nutzern zugänglich zu machen und Entwicklern leistungsstarke Lösungen anzubieten", sagte Coinbase-CEO Brian Armstrong vor einem Jahr. Zudem betreibt Google auch Validator-Dienste für Blockchains wie Solana, Tezos oder Aptos.

Auch der zweitwertvollste Tech-Konzern der Welt hat längst erkannt, dass Blockchain-Technologien mehr als nur eine Grundlage für Kryptowährungen sind: Durch frühzeitige Kooperationen wie mit der Enterprise Ethereum Alliance 2017 strebt Microsoft danach, seine Cloud-Services, insbesondere Azure, mit der Blockchain-Welt zu verknüpfen. 2023 verkündete Microsoft eine Partnerschaft mit der DeFi-Plattform Ankr, um einen gemeinsamen Node-Hosting-Service auf dem Azure-Marktplatz zu entwickeln, der Kunden den Zugang zur Blockchain erleichtern soll.

"Die Partnerschaft ist ein unglaublicher Meilenstein für Ankr und auch ein wichtiger Indikator dafür, wie weit das dezentralisierte Web bei der Integration von großen Akteuren in allen Schichten von Web-Systemen gekommen ist. Das Endergebnis wird eine Ära äußerst produktiver Entwicklung von Blockchain-basierten Anwendungen aus neuen Web3-Projekten und großen Unternehmen sein, die in diesen Bereich einsteigen", sagte Ankr-Gründer Chandler Song im Februar dieses Jahres über die Partnerschaft. Microsoft hatte zudem 2021 eine Kooperation mit dem Blockchain-Gaming-Startup Enjin verkündet.

Andere Big-Tech-Firmen üben sich beim Schritt in die Kryptoindustrie unterdessen noch in Zurückhaltung. Apple-CEO Tim Cook erklärte zwar vor zwei Jahren, er habe persönlich in Bitcoin und Ethereum investiert, Apple selbst werde aber nicht nachziehen. Er erteilte seinerzeit einem Investment in Bitcoin & Co eine Absage: "Ich glaube nicht, dass Leute Apple-Aktien kaufen, um darüber indirekt in Krypto zu investieren. Wenn die Leute das wollen, können sie über andere Wege direkt in Krypto investieren." Seit Jahren halten sich Gerüchte darüber, dass der Tech-Gigant das Bezahlen und Verwahren von Kryptowährungen in Apple Pay anbieten könnte – passiert ist jedoch bislang nichts.

Meta indes hätte zu einem Vorreiter in der Krypto-Bewegung werden können, wenn die Facebook-Mutter nicht an regulatorische Hürden gestoßen wäre. 2019 kündigte CEO Mark Zuckerberg mit Libra die Einführung einer eigenen Kryptowährung an; Libra wurde später in Diem umbenannt. Meta schien große Ambitionen zu haben, eine führende Rolle bei der Integration von Kryptowährungen in soziale Netzwerke und im digitalen Zahlungsverkehr spielen zu wollen. Als Partner konnten zunächst Visa, PayPal und Stripe gewonnen werden, ehe die Bedenken gegen eine Kryptowährung, die von einem Big-Tech-Konzern gestützt werden würde, zu groß wurden. Das Projekt Diem wurde Anfang 2022 beerdigt. Seitdem hält sich Meta im Kryptosegment zurück.

(tiw)