Bluthochdruck und Diabetes: Kann Gentechnik CRISPR bei Volkskrankheiten helfen?

Seite 2: Base Editing und CRISPR 3.0

Inhaltsverzeichnis

Die cholesterinsenkende Therapie von Verve nutzt das Base Editing, ist aber nicht die einzige derartige experimentelle Behandlung. Ein Unternehmen namens Beam Therapeutics nutzt den Ansatz bereits, um Behandlungen für die Sichelzellenanämie und andere Erkrankungen zu entwickeln. Weiterhin gibt es auch noch das sogenannte Prime Editing, quasi "CRISPR 3.0". Mit dieser Technik können Wissenschaftler ganze Teile der DNA ersetzen oder neue Abschnitte mit genetischem Code einfügen. Das Verfahren gibt es erst kurz und es wird noch an Labortieren erforscht. Doch das Potenzial gilt als enorm.

Denn das Prime Editing würde die Möglichkeiten beträchtlich erweitern. Die erste CRISPR-Technik und das Base Editing sind in gewisser Weise begrenzt – sie können nur in Situationen eingesetzt werden, in denen das Zerschneiden der DNA oder das Ändern eines einzelnen Basenbuchstabens sinnvoll ist. Prime Editing könnte es Wissenschaftlern nun ermöglichen, völlig neue Gene in das Genom eines Menschen einzufügen. Das würde viele weitere genetische Störungen als potenzielle Therapieziele erschließen. Wenn man eine bestimmte Mutation korrigieren will, die sich dem Base Editing entzieht, "ist Prime Editing die einzige Möglichkeit", betont Musunuru.

Wenn die Technik einmal funktioniert, könnte sie revolutionär sein. Eine Gruppe Menschen mit einer Erkrankung könnten alle möglichen genetischen Einflüsse haben, die sie anfällig gemacht haben. Durch das Einfügen einer Genkorrektur könnten sie jedoch möglicherweise alle geheilt werden, sagt Musunuru. "Wenn man eine neue korrekte Kopie des Gens einfügt, spielt es vielleicht keine Rolle mehr, welche Mutation man hat", sagt er. "Man fügt eine funktionierende Kopie ein und das reicht dann."

Zusammengenommen könnten diese neuen Formen von CRISPR den Anwendungsbereich der Gen-Editierung drastisch erweitern, so dass sie potenziell für viel mehr Menschen und für ein viel breiteres Spektrum von Krankheiten zur Verfügung stehen. Und die Krankheiten müssen nicht einmal durch genetische Mutationen verursacht werden. Denn schon die älteren Verfahren eignen sich auch zur Bekämpfung von Krankheiten, die nicht unbedingt etwas mit falschem Erbgut zu tun haben. Die Behandlung von Verve zur dauerhaften Senkung des Cholesterinspiegels ist laut Musnuru ein erstes Beispiel für eine CRISPR-Behandlung, von der die Mehrheit der Erwachsenen auf dem Planeten profitieren könnte.

Bei der Therapie wird ein Gen dauerhaft ausgeschaltet, das für ein Protein namens PCSK9 kodiert, das offenbar eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des Cholesterinspiegels im Blut spielt. In der Folge wird weniger von dem Protein gebildet. "Selbst wenn man von einem normalen Cholesterinspiegel ausgeht und PCSK9 ausschaltet und den Cholesterinspiegel noch weiter absenkt, verringert sich das Risiko eines Herzinfarkts", meint Musunuru.

In Experimenten mit Mäusen und Affen sank der Cholesterinspiegel im Blut innerhalb weniger Tage um etwa 60 bis 70 Prozent, so Musunuru. "Und wenn er einmal gesunken ist, bleibt er auch unten", fügt er hinzu. Das Unternehmen geht davon aus, dass seine erste klinische Studie am Menschen einige Jahre brauchen wird.

Wenn die Studie erfolgreich verläuft, wird das Unternehmen mit größeren Versuchen fortfahren. Die Behandlung muss von der US Food and Drug Administration (FDA) genehmigt werden, bevor sie von Ärzten in den USA verschrieben werden kann. "Es wird noch eine Weile dauern, bis [CRISPR-Behandlungen] tatsächlich zur Anwendung zugelassen sind", räumt Musunuru ein. Doch in Zukunft, sagt er, könnte man den gleichen Ansatz nutzen, um Menschen auch vor Bluthochdruck und Diabetes zu schützen.