Wie geht es weiter mit der Pandemie? Diese Faktoren sind wichtig

Seite 2: Wenig aussagekräftige Kennwerte

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Die Inzidenz ist allerdings nicht mehr das Maß aller Dinge – die Hospitalisierungsraten sind die Zahl der Saison. Derzeit werden knapp 1.300 Menschen intensivmedizinisch in deutschen Krankenhäusern behandelt. Die Rückmeldungen aus den Kliniken sind, dass es vor allem die Ungeimpften trifft oder Geimpfte, die ein anderes schweres gesundheitliches Problem haben – etwa eine Transplantation hinter sich haben oder aus anderen Gründen ein schwaches Immunsystem haben, bei dem der Schutz durch die Impfung nicht stark genug aufgebaut wurde. Aber auch die Hospitalisierungsrate hat ihre Tücken. Eine Analyse des NDR hat ergeben, dass die Übermittlung der Hospitalisierungsdaten einen Verzug von drei Wochen hat und damit im Prinzip keine Aussage über die aktuelle Gefährdungslage treffen kann.

Ein weiterer Fallstrick bei diesem Leitwert sind die Krankenhäuser selbst. Schwerkranke COVID-Patienten brauchen Behandlungen, die in der Regel nur große Kliniken – meist Universitätskliniken – leisten können. Also ist eine generelle Krankenhausbelastungsquote kein Indikator für die Auslastung der Kliniken in der COVID-Behandlung, denn in der Gesamtlandschaft der deutschen Kliniken machen die 35 Universitätskliniken gerade einmal zwei Prozent der Krankenhäuser aus.

Diese Bias-Fallen könnte das geplante DEMIS-Projekt (für Deutsches Elektronisches Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz) auflösen, aber das befindet sich gerade in den ersten Ausbaustufen und ist noch nicht flächendeckend ausgerollt.

Mit diesen Widrigkeiten – zu geringe Durchimpfung, schlechtes Monitoring und wenig aussagekräftige Kennwerte – gehen wir nun in die nächste Virussaison. Blickt man ein Jahr zurück, hat die Situation etwas von einen Dejà vu: Herbstferien und Reiselust sorgen für eine kräftige Durchmischung von Virenträgern. Nasskaltes Wetter treibt uns in die geschlossenen Räume. Der Unterschied zum letzten Jahr ist der Impfstoff, der nicht ausreichend genutzt wird und dass Tests inzwischen kostenpflichtig sind. Vermutlich werden nach den Ferien auch die Kinder ohne Masken in den Schulen sitzen und die Viren, die sie aus Spanien oder anderen Reiseländern mitgebracht haben, untereinander verteilen. Die Erwachsenen streuen sie beim Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt, der dieses Jahr wieder stattfindet.

Was Lockerungen innerhalb kurzer Zeit für Auswirkungen haben können, zeigt sich gerade eindrucksvoll in den Niederlanden. Mit einer Impfquote von 68 Prozent haben die Niederländer vor ziemlich genau einem Monat einen Großteil der Corona-Einschränkungen über Bord geworfen. Jetzt haben sich die Infektionszahlen innerhalb einer Woche verdoppelt und die Lage in den Kliniken gilt bereits als besorgniserregend.

(jsc)