Computer machen die Arbeit – was machen wir?

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Qualifikationen für einen besser dotierten Job können manche vielleicht erwerben. Aber wie viele? Wenn man sich zudem vor Augen hält, in welchen Berufen die meisten Menschen heute arbeiten und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie in naher Zukunft durch Maschinen ersetzt werden, dann gelangt man zu recht alarmierenden Befunden. So prognostizieren Wissenschaftler der Universität Oxford, dass ein Großteil aller Arbeitsplätze in den Bereichen Verkauf, Büro und Verwaltung sowie Dienstleistungen mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp fünfzig Prozent in naher Zukunft "computerisiert" werden.

Die Geschichte geht noch weiter. Das Internet hat schließlich nicht nur die Kommunikation globalisiert, sondern auch alle Arbeiten, die digital erledigt werden können. Wo es langgehen könnte, zeigt beispielsweise Amazons "Mechanical Turk" – eine Jobvermittlung für einfachste, am Bildschirm zu erledigende Jobs wie das Abtippen von Inhaltsangaben auf abfotografierten Lebensmittel-Etiketten. Die Entlohnung bemisst sich am Preis, für den Menschen bereit sind, derlei Aufgaben zu übernehmen. Die Konkurrenz ist global, und entsprechend niedrig fällt der Tarif aus. Das Geschäftsmodell des "Mechanical Turk" ist längst universal. Wer schon einmal bei der seit Kurzem auch in Deutschland operierenden Vermittlungsagentur oDesk kreative Aufgaben angeboten oder gesucht hat, weiß: Die Konkurrenz aus den Philippinen, Kenia und Indien ist bereits mit 2,50 Euro Stundenlohn dabei.

Nicht viel besser sieht es in vielen Kleinstunternehmen aus, die sich auf die Programmierung von Apps spezialisiert haben. Allein die Hoffnung auf das große Geld hält die meisten dieser Mini-Unternehmer aus der Generation Praktikum, die von den Erträgen ihrer Arbeit kaum leben können, bei der Stange. Aufwind erhält die digitale Niedriglohn-Ökonomie zudem durch die Freie-Software-Bewegung und ihre Philosophie des "open". Sie führt zu Gratisangeboten wie die Wikipedia oder die durch finanzstarke Stiftungen geförderten E-Lear- ning-Kurse ("Massive Open Online Courses"). Sicherlich: Die Bewegung hat gewaltige kreative Potenziale freigesetzt, die oftmals auch wirtschaftliche Erfolge mit sich bringen. Zudem ermöglicht sie Teilhabe und Chancengleichheit. Dennoch treten auch ihre negativen Seiten immer stärker zutage: Wo es alles umsonst gibt, ist es schwierig, noch seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften.

Diese Entwicklung zeichnet der Computerwissenschaftler und Trend-Denker Jaron Lanier in seinem neuen Buch "Who Owns the Future" nach. Immer weitere Bereiche der Wirtschaft, so Lanier, würden vom Open-Trend erfasst. Immer mehr Jobs würden als Schattenarbeit verrichtet. Sie werden in keiner Bilanz mehr erfasst, eine finanzielle Entlohnung gibt es für sie nicht.

Auf Dauer untergräbt das System sich somit selbst. Lanier: "Der ganze Ansatz, Online-Werbung dafür zu benutzen, um Gratis-Internetdienste zu refinanzieren, ist in sich selbstzerstörend. Werbung kann man nämlich auf Google oder Facebook nur für solche Dienstleistungen schalten, die Google noch nicht dahin gezwungen hat, sich gratis anzubieten!"

Ein Beispiel für diese Art Selbstzerstörung wäre der Museumsführer, der in seinen Feierabendstunden Wikipedia-Beiträge zu historischen Themen erstellt und redigiert. Am Ende könnte er dazu beitragen, dass sein richtiger Arbeitsplatz abgebaut wird und damit auch die finanzielle Basis für den Feierabendjob entfällt. Wie dies funktionieren könnte, hat der amerikanische Historiker Dan Cohen bereits vor etlichen Jahren mit der Anwendung "H-Bot" demonstriert: Er programmierte quasi im Hobbykeller eine Software, die ausschließlich mithilfe von Wikipedia-Daten Fragen aus dem Bereich Geschichte automatisch beantwortet – und für die semantische Suche weitaus bessere Ergebnisse liefert als millionenschwere Start-ups dies vermochten. "H-Bot hat mich etwas gelehrt, was man bei Google schon seit vielen Jahren weiß", meint Cohen dazu. "Man kann mit relativ groben Analysewerkzeugen auch ohne ausgetüftelte Verfahren der Sprachverarbeitung viel auf die Beine stellen, wenn man nur eine ausreichend große Menge an Webseiten als Grundlage hat."

Wie lässt sich dem befürchteten Trend entgegenwirken? Auch wenn die Dinge noch nicht als ausgemacht gelten können: Die bisherigen Anzeichen sind deutlich genug, um sich frühzeitig Gedanken über Lösungsszenarien zu machen. Jaron Lanier empfiehlt, das Internet auf eine Bezahl-Ökonomie umzustellen und langfristig eine Datenwirtschaft zu errichten, die ihren Namen auch verdient. Bereits heute gibt es Unternehmen, welche bestimmte Aspekte von Laniers Plan umsetzen. Die Plattform Reputation.com beispielsweise will die Internetnutzer bald an dem Geschäft mit ihren eigenen Kundeninformationen beteiligen. Mithilfe eines von jedem selbst verwaltbaren "Datentresors" sollen die Nutzer mit ihren Daten handeln und dafür Preisnachlässe oder andere Vergünstigungen erhalten. Zugegeben: Den Gehaltsscheck können die Erträge und Bonuspunkte, die man in Zukunft vielleicht via Reputation.com oder ähnliche Angebote erlangen wird, nicht ersetzen. Aber ein erster Schritt wäre getan, nicht nur den Großen wie Google, Facebook oder Apple die Profite zu lassen.