Der Futurist: Vor-Bestellung

Was wäre, wenn unsere Geräte auf eigene Faust Sachen bestellten?

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Der Futurist: Vor-Bestellung

(Bild: Grafik: Mario Wagner)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jens Lubbadeh

„Na? Ich dachte schon, du würdest nie mehr aufstehen.“

Ihr Geruch drang in seinen übermüdeten Geist, als sie ihn küsste. Er erinnerte sich, wie ihn dieser Geruch gestern Abend um den Verstand gebracht hatte, und schlagartig war David wach.

„Ich habe Kaffee gekocht“, flüsterte Eva ihm ins linke Ohr. Jetzt erst bemerkte er, dass sie eines seiner Hemden trug. Und nicht viel mehr.

Die Türklingel hinderte ihn daran, den ersten Schluck zu nehmen.

„Erwartest du Besuch?“, fragte Eva verwundert.

Es war 8.12 Uhr. Samstag. Wer konnte das sein?

„Eine Prime-Lieferung für Demain“, hörte er aus der Gegensprechanlage.

„Ich habe aber nichts bestellt“, sagte David, als der Bote ihm die weiße Tüte überreichte.

Der Mann tippte auf seinem Kontrollgerät. „Ist ,Echo Dot 1 Küche‘ Ihr Gerät?“

Der Futurist

(Bild: 

Mario Wagner

)

"Was wäre, wenn ...": TR-Autor Jens Lubbadeh und die Redaktion lassen in der Science Fiction-Rubrik der Kreativität ihren freien Lauf und denken technologische Entwicklungen in kurzen Storys weiter.

„Äh, ja.“

„Steht hier als Besteller.“

„Was hat sie denn bestellt?“

„Lassen Sie sich überraschen“, sagte der Mann und lachte. Es klang dreckig.

Die Tüte war so fest verschweißt, dass er sie kaum aufbekam. Er zerrte heftig an der Packung, und ein Dutzend Kondome ergoss sich über den Tisch und Eva, die erschreckt aufsprang.

Jetzt verstand er, warum der Bote so gelacht hatte. David sah den Leuchtring der Sprachassistentin aufleuchten, dann ertönte ihre Stimme: „Eine Amazon-Lieferung ist heute für dich eingetroffen.“

Eva hatte seine Anrufe den ganzen Tag lang ignoriert. Erst abends ging sie ran.

„Dieses Ding hat uns nicht nur beim Sex belauscht, sie erdreistet sich auch noch, dir uns vorzuschreiben, was wir zu tun haben!“

„Alexa hat es nur gut gemeint. Sie soll eigentlich Haushaltssachen bestellen. Waschmittel. Zahnpasta. Klopapier. So was. Wahrscheinlich waren die Kondome nur ein Softwarefehler.“

„Ein Softwarefehler? Dieses Ding ist übergriffig!“ Eva schnaufte vor Wut. „Darf ich vielleicht noch selbst bestimmen, ob ich verhüten will?“

Er schluckte.

Ein paar Tage später riss ihn die Klingel aus dem Schlaf.

„Wer ist das?“, fragte Eva verschlafen. David hatte seine ganze Überzeugungskunst aufgeboten, damit sie wieder seine Wohnung betrat.

Er schlappte zur Tür. „Prime-Lieferung für Demain.“ Der Paketbote drückte ihm ein Buch in die Hand: „Die 10 größten Erziehungsfehler, die die meisten Eltern machen“.

Eva sprang auf. „Jetzt reicht’s! Ent­weder sie oder ich.“

„Scheiße.“ Das Klopapier war alle. ­David seufzte. Er hatte Alexa nun Eva ­zuliebe seit einer Woche abgestöpselt – und das merkte man, überall fehlten ­Dinge.

Er beendete seinen Toilettengang mit Haushaltspapier und steckte Alexa wieder ein. „Alexa, bitte bestelle...“

„Entschuldige. Ich lade gerade ein Software-Update herunter und bin gleich wieder verfügbar.“

David seufzte und wartete ein paar ­Minuten. „Alexa, das Klopapier ist alle.“

„Hat dir der Erziehungsratgeber gefallen? Möchtest du jetzt eine Bewertung auf Amazon hinterlassen?“

„Nein. Ich brauche Klopapier. Bitte ­bestelle...“

„Du hörst dich wütend an“, sagte ­Alexa. „Das ist nicht gut, weil es zu viel gesundheitsschädliches Adrenalin freisetzt. Soll ich Meditationsmusik spielen?“

David seufzte. Vielleicht hatte Eva recht.

(jlu)