Der Traum vom Akku-Dauerläufer

Eine texanische Firma will demnächst eine neue Batterie vorstellen, die auf die so genannte Ultrakondensator-Technik setzt. Sie soll deutlich mehr Leistung liefern – bei nahezu idealen Eigenschaften.

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Von
  • Tyler Hamilton
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Ein geheimnisumwittertes Batterietechnologie-Start-up aus dem US-Bundesstaat Texas hat in dieser Woche erstmals sein Schweigen gebrochen. Die Firma namens EEStor kündigte eine "vollkommen neuartige" Energiespeichertechnik an, die "den Markt verändern" werde. Man habe inzwischen zwei wichtige Meilensteine erreicht und sei auf dem besten Weg, erste Systeme für die Verwendung in Elektrofahrzeugen noch in diesem Jahr auszuliefern, so das Unternehmen.

EEStors ambitioniertes Ziel, das sich bereits aus den Patenten des Unternehmens erschließen lässt: Die Firma will die elektrochemische Batterie, wie man sie heute kennt, auf nahezu jedem Anwendungsgebiet durch seine Ultrakondensator-Technik ersetzen – vom Auto bis zum Laptop.

Die Technik soll ein Hybrid aus elektrochemischer Batterie und Ultrakondensatoren sein. Dabei kommt ein Barium-Titanat-Pulver zum Einsatz. EEStor will damit deutlich bessere Leistungswerte als bei aktuellen Lithium-Ionen-Batterien erreichen – und zwar sowohl bei der Energiedichte, als auch beim Preis, der Ladezeit und der Sicherheit. Pro US-Pfund soll der neue Akku bis zu zehnmal mehr Leistung als Blei-Batterien besitzen, gleichzeitig aber nur die Hälfte kosten. Auf chemische Giftstoffe könne man hingegen ganz verzichten.

Sollte das alles stimmen, könnten die Auswirkungen enorm wie weitläufig sein. Dementsprechend ungläubig begegnen Experten der Ankündigung derzeit. Ein solcher Durchbruch habe das Potenzial, den Fahrzeugbereich radikal zu verändern – noch deutlicher, als durch die immer beliebtere Hybrid-Technik. Außerdem ließe sich Strom aus Wind und Sonne besser zwischenspeichern und die Stromnetze effizienter und stabiler gestalten. Und, noch besser, die Forderung nach einem Ende der Abhängigkeit von Öl aus dem Nahen Osten könnte sich so umsetzen lassen.

Anbieter fortschrittlicher Lithium-Ionen-Batterien, die derzeit an der nächsten Generation dieser Technik arbeiten, sehen sich bedroht – etwa das Unternehmen A123Systems, wo man an einem Energiespeichersystem für Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge arbeitet oder Altair Nanotechnologies, einem Zulieferer für den Elektrofahrzeughersteller Phoenix Motorcars.

"Ich werde schon ein bisschen skeptisch, wenn da jemand kommt, der sagt, er habe eine Lösung für all unsere Probleme. So realitätsblind darf man nicht sein", meint Andrew Burke, Experte für Verkehrsenergiesysteme an der University of California in Davis. Er hoffe dennoch, mit seiner Einschätzung danebenzuliegen: "Wenn diese Technologie wirklich besser ist, als ich denke, würde mich das nicht traurig machen – ganz im Gegenteil."

EEStor-Chef Richard Weir, der die Firma auch mitgegründet hat, gibt sich derweil medienscheu. Die Ergebnisse der Innovationskraft seines Unternehmens sollten vor allem "für sich selbst sprechen", sagt er. Man sei "sehr weit gekommen" bei dem, was man versprochen habe, sagte er gegenüber Technology Review in einem seiner seltenen Interviews. Weir arbeitete zuvor als Elektroingenieur beim Computerriesen IBM und dem Automobil-Zulieferer TRW.

Ähnlich wie normale Kondensatoren speichern auch Ultrakondensatoren Energie in einem elektrischen Feld zwischen zwei eng gepackten Schichten. Legt man Spannung an, baut sich die Ladung in den Schichten auf. Ultrakondensatoren haben dabei viele Vorteile gegenüber herkömmlichen elektrochemischen Batterien. Im Gegensatz zu diesen können sie eine Ladung vollständig absorbieren und auch schnell wieder abgeben. Ihr Lade- und Verbrauchszyklus kann nahezu unendlich oft ablaufen – zu Abnutzungen kommt es zumindest theoretisch nicht.

Einen Schwachpunkt gibt es allerdings: Ihre Energieaufnahmefähigkeit. Im Gegensatz zu Lithium-Ionen-Akkus speichern selbst aktuelle High-End-Ultrakondensatoren 25-mal weniger Energie bezogen auf ihr Gewicht. Aus diesem Grund gelten Ultrakondensatoren derzeit vor allem als ideale Zwischenspeicher-Zusatzkomponente für Batterien oder Brennstoffzellen beispielsweise in Elektrofahrzeugen, wo sie Energie schnell freigeben und ebenso schnell wieder aufnehmen können. Die schnelle Energieabgabe lässt sich etwa bei der Beschleunigung nutzen. Auch bei der Bremsenergierückführung ist die Technik sehr effizient. Ultrakondensator-Spezialist Maxwell Technologies hat insbesondere in letzterem Bereich große Erfolge vorzuweisen.

Die nun von EEStor angekündigte Technik soll die klassischen Einschränkungen der Ultrakondensatoren mittlerweile nicht mehr besitzen. Die von dem Unternehmen so getauften "Electrical Energy Storage Units", kurz EESUs, setzen auf einen eigens entwickelten Keramik-Ultrakondensator mit Barium-Titanat. Er soll auf seine Masse gerechnet eine besonders große Energiemenge liefern können.

Rein rechnerisch ergeben sich so 280 Watt-Stunden pro Kilogramm. Lithium-Ionen-Akkus erreichen hier nur 120 – Bleigelakkus gar nur 32. Dies führt, sollte sich die Technik als funktionstüchtig erweisen, zu ganz neuen Möglichkeiten in der Fahrzeugherstellung, aber auch bei diversen anderen Anwendungsformen.

Seine EESUs passten sich an alle Bereiche an, erklärt Weir stolz: "Vom Herzschrittmacher über die Lokomotive bis zur Hochenergie-Waffe ist alles möglich."

Der Trick soll dabei in einer Veränderung des Barium-Titanat-Pulvers liegen, mit dem die Spannung um das Tausendfache erhöht wird – bis hin zu 1200 bis 3500 Volt und möglicherweise noch deutlich höher.

EEStor will bald in einer eigenen Produktionsstraße ein 15-Kilowatt-Stunden-Energiespeichersystem für kleine Elektrofahrzeuge bauen, das weniger als 100 US-Pfund wiegt, aber dennoch 200 Meilen Reichweite bietet. Eine Ladung dauere dabei nur noch zehn Minuten, so Weir.

Erster Pilotkunde soll die kanadische Firma ZENN Motor sein, die Elektrofahrzeuge für den Stadtverkehr herstellt. Das Unternehmen hat sich die exklusiven Rechte an der EESU für kleine und mittelgroße Autos gesichert. Bei ZENN Motor schätzt man, dass ein so angetriebenes Auto mit einer neun Dollar teuren Stromladung 500 Meilen fahren könnte, während man für dieselbe Leistung bei Verbrennungsmotoren 60 Dollar für Benzin zahlen müsste.

"Der Schritt vom fertigen Barium-Titanat-Pulver zum Produkt ist, so wie ich das verstanden habe, nicht groß", glaubt ZENN-Chef Ian Clifford, der auch zu den frühen EEStor-Investoren gehört. "Wir sind die ersten, die das nutzen, und das ist für uns natürlich spannend. Wir nahmen das anfängliche Risiko gerne in Kauf, weil wir an das glaubten, was EEStor dort tun." Auch Clifford glaubt, dass das neue Energiespeichersystem den Markt umkrempeln könnte.

Als Hauptproblem gilt nun, das Barium-Titanat-Pulver fabrikmäßig in passender Reinheit und Stabilität zu produzieren. "Nur so ergibt sich die höhere Dielektrizitätskonstante und damit die hohen Spannungen, die wir haben wollen", erklärt Weir. Entsprechende chemische Werte habe man erreicht. (Die Dielektrizitätskonstante macht eine Aussage über die Ladung möglich, die gespeichert werden kann, ohne dass es zu "Lecks" zwischen den zwei Kondensatorscheiben kommt.)

Laut EEStor hat die erste automatisierte Produktionsstraße inzwischen eine Qualität erreicht, bei der die entsprechenden Erwartungen eingehalten oder gar übertroffen würden. Die Reinheit beim Barium-Nitrat-Pulver, einem wichtigen Bestandteil, soll bei 99,9994 Prozent liegen. Die Resultate wurden unabhängig von Southwest Research Institute bestätigt.

Traditionelle Ultrakondensatoren bieten eine dielektrische Leitfähigkeit von 20 bis 30. Die EEStor-Technik soll hingegen 18.500 oder mehr erreichen – eine phänomenale Zahl, sollte sie denn stimmen. "Das ist ein sehr großer Schritt für uns", glaubt Weir. Die Firma sei bereits auf dem Weg zur Massenproduktion.

Jim Miller, Vizepräsident für Transporttechnologien beim Konkurrenten Maxwell Technologies, ist da nicht ganz überzeugt. Der Experte für Ultrakondenstatoren, der unter anderem 18 Jahre bei Ford forschte, gibt sich skeptisch. "Einerseits sehen wir das Problem von Stromverlusten – Ultrakondensatoren mit hoher Ladung entladen sich schnell. Das bedeutet, dass man ein Fahrzeug nicht über Nacht stehen lassen kann, ohne dass man es am Morgen wieder aufladen muss."

Miller glaubt außerdem nicht, dass die keramische Struktur mit dem thermischem Stress zurechtkommt, dem Ultrakondensatoren mit diesen Werten ausgesetzt wären. Die ständigen Temperaturveränderungen führten zu kleinen Rissen und schließlich zum Ausfall. Zu guter Letzt wundert sich der Experte über die Temperaturspezifikationen. Diese habe EEStor kürzlich von minus 40 Grad Celsius auf minus 20 Grad herabgestuft. "Das reicht für den Automobilbereich aber nicht aus – sie benötigen hier mindestens minus 40 Grad." Die Lithium-Ionen-Konkurrenten A123Systems und Altair erreichten hier immerhin minus 30 Grad.

Universitätsexperte Burke gibt derweil zu bedenken, dass es einen großen Unterschied zwischen der Pulverherstellung in einer kontrollierten Umgebung und der Massenproduktion defektfreier Geräte gibt. Diese müssten im Fahrzeug schließlich "überleben". "Ich zweifele nicht daran, dass man solch ein Keramik-Material herstellen kann. Auch der Mechanismus zur Energiespeicherung ist mir klar. Die erste Frage, die sich mir dennoch stellt, ist, ob sich die Technik tatsächlich für das Auto eignet." Er sehe bessere Anwendungsfelder etwa bei der Zwischenspeicherung in der Stromerzeugung. Auch sei die Sicherheit ein Problem: "Was passiert, wenn ein solches Energiesystem mit 3500 Volt in einen Unfall verwickelt wird?"

Laut Weir soll das Problem mit einem bidirektionalen Wandler gelöst werden, der den Strom herunterspannt. Das ganze System stecke außerdem in einer geerdeten Metallkassette. Eine Sicherheitszertifizierung sei so kein Problem: "Selbst wenn sie ein Rohr durch die Energieeinheit stechen, wird es nicht zu einem Lichtbogen kommen. Wir haben entsprechende Sicherungen eingebaut. Es wird die sicherste Batterie sein, die die Welt je gesehen hat." Auf Fragen zum Thema Temperaturspezifikation, Stromverlusten und möglichen Rissen im Keramik-Material ließ sich Weir dann aber leider nicht mehr ein.

EEStor hat starke Partner. Im Verwaltungsrat sitzt beispielsweise Morton Topfer, Mentor des bekannten Dell-Gründers Michael Dell. Risikokapital gab es unter anderem vom Edel-VC Kleiner Perkins Caufield & Byers, der bereits Google, Amazon und Sun mit erstem Geld eindeckte. Ob sich solche Erfolge nun im Energiesektor wiederholen lassen?

Maxwell-Mann Miller ist sogar überrascht, dass Kleiner bei EEStor investiert hat. Das Geschäftsmodell sei unklar. Weir bleibt hingegen bei seiner Darstellung: Sein Unternehmen werde die gemachten Versprechungen sogar übertreffen. "Uns geht es hier nicht um Hype. Wir reden hier das erste Mal überhaupt darüber, was unsere Technik leistet", sagte er bei der Ankündigung in dieser Woche. Man werde alles Dagewesene übertreffen.

Übersetzung: Ben Schwan. (wst)