Der Traum vom leichtverdienten Geld

Der amerikanische Unternehmer Timothy Ferriss hat ein Buch geschrieben, in dem er eine Arbeitswelt entwirft, in der dank Internet und Outsourcing jeder jederzeit seinen wirklichen Neigungen nachgehen kann. Doch wer arbeitet dann noch?

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Die Erkenntnis, dass das Internet und die mobilen Technologien die Arbeitswelt radikal verändert haben, dürfte inzwischen auch in den letzten Winkel der industrialisierten Welt vorgedrungen sein. Bürojobs bedeuten oftmals eine Arbeit vor dem Rechner - ständig verbunden mit der Außenwelt, inklusive sinnvollen wie unnötigen Informationsströmen, die die Leistung des Einzelnen steigern, ihn aber auch in ein informationelles Chaos stürzen können.

Vom kleinen Angestellten bis zum großen Tier im Management sind wir alle ständig online - auch unterwegs dank Blackberry & Co., mit denen man vom unbedeutenden Abteilungsmemo bis zum bedeutenden Übernahmevertrag potenziell alles überall empfangen kann. Man muss seinen Geschäftspartnern in immer mehr Branchen sofort mitteilen, wenn man einmal einige Tage nicht im Netz ist - weil sie sich sonst wundern, man sei schwer erkrankt.

Leicht ist das alles für Otto-Normal-Arbeitnehmer ebenso wenig wie für einen Geschäftsführer. Der Mensch mag im ersten Anschein äußerst Multitasking-fähig wirken, auf lange Sicht führt diese Reizüberflutung aber zu Leistungseinbrüchen und gesundheitlichen Problemen. Ergo: Wer noch um 1 Uhr nachts seine E-Mail checken muss, macht etwas verkehrt, das Burnout-Syndrom trifft immer jüngere.

Timothy Ferriss, ein Princeton-Absolvent und früher Start-up-Angestellter, mag diesen Stand der Dinge, dieses "Dilbert"- und "Office Space"-Leben, offensichtlich überhaupt nicht. Aus diesem Grund gründete er nach dem Studienabschluss und einigen Angestelltenjobs auch seine erste eigene Firma - nur um dann festzustellen, dass er sich auch als "Boss" enorm einspannen und ebenfalls zum Sklaven seines Umfelds machen ließ (sei es nun auf eigene Rechnung).

Nachdem er sich diese Niederlage eingestanden hatte, ging Ferriss erst einmal auf eine 15 Monate lange Auslandsreise, nach der er mit einer neuen Philosophie zurückkam, die er gerne in ein Buch packen wollte. Mit Tricks, Kniffen und einem amerikanischen "Self Help"-Guru als Mentor brachte er das Werk bei einer Tochter des Großverlages Random House unter. Das Buch mit dem überaus hochtrabenden Titel "The 4-Hour-Workweek" ("Die 4-Stunden-Woche") wurde auch dank Weblog-Publizität tatsächlich schnell ein Bestseller, stand in den Top-10-Listen von "New York Times" und "Wall Street Journal".

Die Grundidee ist die einer neuen Generation an Weltbürgern, die Ferriss vollmundig die "Neuen Reichen" (New Rich) tituliert. Diese Personen müssen nicht unbedingt viel Geld auf dem Konto haben, aber dafür die Möglichkeit, sich ihre Zeit frei einzuteilen. Und das ist radikaler, als es zunächst klingt: Der Autor argumentiert sehr dafür, den Arbeitsaufwand soweit wie möglich auszulagern (z.B. nach Indien), Produkte über das Internet möglichst automatisiert zu verkaufen und sich freiwillig einer Informationsdiät zu unterziehen, also beispielsweise nur noch einmal die Woche (!) seine (natürlich von virtuellen Assistenten vorbereiteten) Mails abzurufen.

Man kann Ferriss einiges vorhalten - beispielsweise, dass er zu seinen persönlichen Leistungen den Mund ganz schön voll nimmt und mit einigen seiner Firmen eher in einer merkwürdigen geschäftlichen Ecke (z.B. Vertrieb von Nahrungszusätzen) werkelt.

Die Tipps und Philosophien, die sich der Autor auch durchaus gerne von Henry David Thoreau abgeschaut haben kann, sind aber mindestens bedenkenswert. Das hier propagierte unabhängige Arbeiten ist sicher nicht für jedermann geeignet - und ohne Selbstdisziplin geht hier wenig. Und auch die Frage, wer denn da dann bitte letztlich die Arbeit macht und wie ethisch das sein kann - ist Indien zu teuer, kommt dann Bangladesch? - bleibt im Raum stehen.

Doch niemand sollte es sich nehmen lassen, einmal über seine verbleibende Lebenszeit auf dieser Erde zu philosophieren, die man sich dank Technologienutzung potenziell angenehmer gestalten kann. Es muss ja nicht gleich nur eine Vier-Stunden-Woche werden. (bsc)