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Der Weltraum-Tourismus ist (fast) da – für Superreiche

Neel V. Patel

(Bild: SpaceX)

Die langersehnte Dienstleitung zu den Sternen ist da: Die erste SpaceX-Mission in den Orbit für Normalsterbliche steht an. Nicht jeder wird teilnehmen können.

SpaceX hat den Ausbruch der Corona-Pandemie im letzten Jahr gut überstanden und dabei sogar einen Meilenstein erzielt: Als erstes Privatunternehmen brachte es in einem kommerziellen Raumschiff Astronauten ins Weltall. Der Erfolgskurs soll auch 2021 fortgesetzt werden. Anfang Februar gab das Unternehmen Pläne bekannt, die erste "rein zivile" Mission in den Orbit bis zum Jahresende durchzuführen.

"Inspiration4" genannt, soll die Mission den Milliardär Jared Isaacman, ein gelernter Pilot und CEO des digitalen Bezahldienstes Shift4Payments, sowie drei weitere Personen im Crew-Dragon-Raumschiff in einen niedrigen Erdorbit befördern. Zwei bis vier Tage soll die Reise dauern, möglicherweise auch länger.

Inspiration4 hat ein karitatives Element: Isaacman (der einzige Bezahler dieser Mission und dessen "Kommandant") hat 83,4 Millionen Euro an das St. Jude Children's Research Hospital in Memphis gespendet. Mindestens dieselbe Summe versucht er durch öffentliche Spenden aufzutreiben. Ein weiterer der Plätze ist für einen "St.-Jude-Botschafter" vorgesehen und wurde bereits besetzt.

Doch die anderen beiden Raumfahrer-Spots sind noch zu kriegen: Einer wird ausgelost unter allen Teilnehmenden, die mindestens 10 Dollar an St. Jude spenden müssen. Der andere Platz wird an eine Unternehmerin oder einen Unternehmer gehen, der oder die sich bei einem von "Shift4Payments" ausgerichteten Wettbewerb durchsetzen wird.

"Das ist ein wichtiger Meilenstein, um allen den Zugang zum Weltraum zu ermöglichen", sagte SpaceX-CEO Elon Musk gegenüber Pressevertretern bei Bekanntgabe der Mission. "Es wird nur über derartige Missionen gelingen, die Kosten mit der Zeit zu senken und das All für jeden zugänglich zu machen." Mit Inspiration4 hat SpaceX vier Privatmissionen in den nächsten Jahren geplant.

Die anderen drei: eine Zusammenarbeit mit Axiom Space, bei der Crew Dragon vier Personen für einen achttägigen Aufenthalt zur Internationalen Raumstation ISS bringen soll (frühestens für Januar 2022 geplant); eine weitere Crew-Dragon-Mission soll später in diesem Jahr vier Privatbürger durch die Tourismusfirma Space Adventures in die niedrige Erdumlaufbahn bringen; und zuletzt steht die "#dearMoon"-Mission des japanischen Milliardärs Yusaku Maezawas auf dem Plan. Der will 2023 mit sieben bis zehn weiteren Personen an Bord des Starship abheben.

SpaceX hat sich selbst nie so penetrant als weltraumtouristisches Unternehmen präsentiert wie die Konkurrenten Blue Origin und Virgin Galactic. Während die Crew Dragon den ganzen Weg bis in die niedrige Umlaufbahn zurücklegt, reisen die SpaceShipTwo-Rakete von Virgin Galactics und die New Shepard von Blue Origin nur bis in den suborbitalen Raum. Hier bekommen Passagiere einen Eindruck von Mikrogravitation und können die Erde für einige Minuten von sehr weit oben betrachten – und das für deutlich weniger Geld.

Trotzdem: Geht es darum ein Business aufzubauen, das sich weiter hervorwagt und mit höheren Kosten und mächtigeren Raketen aufwartet, dann ist SpaceX jedem anderen Unternehmen mit diesen vier Missionen voraus. Als die Crew Dragon erstmalig Astronauten der NASA im vergangenen Jahr in den Weltraum beförderte, war eine der größten Fragen, ob es überhaupt Kunden außerhalb der NASA geben würde, die an einer solchen Unternehmung interessiert wären.

"Viele Menschen glauben, dass es einen Markt für Weltraumtourismus gibt", sagt Howard McCurdy, Experte für Raumfahrtpolitik an der American University in Washington, DC. "Aktuell betrifft das jedoch nur eine Oberschicht. Sobald Transportmöglichkeiten sich verbessern, hofft man, dass die Kosten sinken. Da bleibt abzuwarten, ob sich ein neues Unternehmen allein mit Weltraumtourismus halten könnte. Ich halte das für fraglich."

Warum aber laufen die Vorstöße von SpaceX im Bereich der Privatmissionen bislang so gut? Teilweise dürfte es daran liegen, dass es sich bei der "Marke" zurzeit um einen attraktiven Partner handelt. Doch selbst wenn der Markt es nicht hergeben würde, dass Privatmissionen zu einem profitablen Unternehmen werden, braucht SpaceX sich nicht zu sorgen: Es hat genug andere Wege, um Einkommen zu generieren.

"Ich bin mir nicht sicher, ob es Elon Musk viel kümmert, mit diesem Geschäft Geld zu machen", sagt McCurdy. "Aber er ist sehr gut darin, seine Unternehmen zu nutzen und zu finanzieren." SpaceX schickt Satelliten für Regierungen und Geschäftskunden auf der ganzen Welt ins All; es hat Verträge mit der NASA, um sowohl Astronauten als auch Fracht zur Raumstation zu befördern; und der Ausbau der Starlink-Konstellation läuft dermaßen flott, dass Kunden noch in diesem Jahr Internetdienste darüber angeboten werden sollten.

"Wenn Sie ein Geschäft haben, das allein auf den Start von Raketen und Weltraum-Technik basiert, dann reduziert sich das wirtschaftliche Risiko wirklich, wenn sie mehrere Geschäftsmodelle und Einkommensquellen haben", erklärt McCurdy. "Der Markt für Weltraumtourismus ist noch nicht groß genug, um ein kommerzielles Weltraumunternehmen aufrechtzuerhalten. In Kombination mit Regierungsaufträgen, privaten Investitionen und Verkäufen ins Ausland wird es tragfähig."

Weltraumtourismus, insbesondere in die niedrige Erdumlaufbahn, wird auch in naher Zukunft wahnsinnig teuer bleiben. Das wirft Fragen der Gerichtigkeit auf. "Wenn wir ins All gehen, wer ist dann dieses 'wir'?", fragt McCurdy. "Sind es nur die Top-1-Prozent der Top-1-Prozent?" Das Lotterie-Konzept adressiert diese Problematik zu einem gewissen Grad und bietet Normalverdienern eine Chance, doch das allein wird nicht reichen. Weltraumtourismus, gleich dem Rest der Raumfahrt-Industrie, braucht ein zukunftsfähiges Modell, das mehr Menschen dazu einlädt, an ihm teilzunehmen.

Aktuell scheint SpaceX bei der Verfügbarmachung dieser neuen Form des Reisens voranzuschreiten. Dem Geschäftsmodell müssten Konkurrenten nicht genau nacheifern, um mitzuhalten.

Robert Goehlich, ein in Deutschland ansässiger Experte für Welttraumtourismus an der Embry-Roddle Aeronautical University Florida, merkt an, dass private Raumfahrt an sich schon sehr facettenreich ist: Zu ihnen gehören suborbitale Flüge, Flüge in die niedrige Erdumlaufbahn, Ausflüge zur Raumstation, zu neu zu bauenden "Space Hotels" und zum Mond. Eines dieser Marktsegmente, beispielsweise günstigere Flüge in den suborbitalen Raum, hat nicht gleich mit denselben Einschränkungen zu kämpfen wie andere.

Und doch ist klar, dass private Missionen in diesem Jahr zur Realität werden könnten. "Wir haben eine sehr lange Zeit auf den Weltraumtourismus gewartet", sagt Experte McCurdy. "Dieses Jahr werden wir die Chance bekommen zu sehen, ob er wie erwartet funktioniert."

(bsc [1])


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