Die X-Akten der Astronomie: KIC 8462852 - von großen und kleinen Abtauchern

Seite 2: KIC 8462852 – WTF?

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Boyajian veröffentlichte als Hauptautorin zusammen mit anderen Astronominnen und Astronomen und elf Planet-Hunters-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern, darunter Daryll LaCourse als Zweitautor, am 11. September 2015 ihre Arbeit "Planet Hunters X. KIC 8462852 - Where’s the Flux?" auf arXiv, die einigen Wirbel in den Medien verursachte – weil der Astronom Jason Wright kurz darauf in einem Interview mit dem Journal Atlantic geäußert hatte, dass eine solche seltsame Lichtkurve zum Beispiel durch eine im Bau befindliche "außerirdische Megastruktur" verursacht werden könnte, die den Stern partiell verdeckt. Auch wenn er darauf hinwies, dass dies natürlich die Erklärung sei, die man als letztes in Erwägung ziehe, gab es scharfen Widerspruch aus der Fachwelt. Über Dyson-Sphären habe ich in anderen Artikeln der Reihe schon genug geschrieben – ich will das hier nicht nochmals vertiefen. Das SETI-Institut horchte den Stern vorsichtshalber – und weil es nicht viel kostete – im Oktober 2015 zwei Wochen lang ab, empfing aber nichts.

Welche Erklärungen zogen Boyajian et al. nun selbst für die Lichtkurve von KIC 8462852 in Betracht? Dessen schwer zu behaltender Name bald von den Spitznamen wie Boyajians Stern, Tabbys Stern oder WTF-Stern (was selbstverständlich für "Where’s the Flux?" steht!) verdrängt wurde.

Zunächst prüften die Wissenschaftler, ob irgendwelche Instrumentenfehler oder Störungen durch kosmische Strahlung vorliegen könnten, aber weder waren benachbarte Sterne betroffen, noch gab es Datenlücken, Pixelanomalien, Reflexionen oder Übersprechen zwischen Leitungen.

Der Stern war gemäß Spektroskopie ein gewöhnlicher, im Kern Wasserstoff fusionierender Hauptreihenstern, 43 Prozent schwerer als die Sonne und mit knapp 60 Prozent mehr Radius etwa 1470 Lichtjahre von der Erde entfernt. Solche Sterne sind gemeinhin nicht als unregelmäßig veränderlich bekannt, wie etwa die R-Coronae-Borealis-Sterne, deren Atmosphären sich unregelmäßig durch selbst produzierten Staub verdunkeln. Diese Verfinsterungen dauern außerdem wesentlich länger und beginnen abrupter. Bei RCB-Sternen handelt es sich zudem um tiefrote Riesensterne. Das Spektrum von Boyajians Stern ergab eine höhere Temperatur und eine höhere Oberflächenschwerkraft als bei einem Roten Riesen.

Am anderen Ende des Spektrums liegen die Be-Sterne, die sich so schnell drehen, dass sie Materie am Äquator verlieren, welches eine "Exkretionsscheibe" um sie bildet. Wenn der Stern frisches Material verliert, wird er meist heller, manchmal auch dunkler. Aber solche Scheiben zeigen einen Überhang an Infrarotstrahlung und normalerweise leuchtet der Wasserstoff in ihnen hell in Form von Emissionslinien. Und schließlich sind Be-Sterne heißer (weit über 10.000 K) als dieser F3V-Stern (6750 K).

Knapp 2 Bogensekunden von Boyajians Stern fanden die Astronomen bei Beobachtungen mit dem 10m-Keck-Teleskop auf dem Mauna Kea/Hawaii einen Roten Zwergstern (zunächst für einen möglichen Binärpartner in etwa 800 bis 900 AE Entfernung gehalten, später durch Messungen des Astrometrie-Satelliten Gaia als ungebunden identifiziert), der mit seinem Licht die Kepler-Messungen vielleicht beeinflusst haben könnte. Aber selbst wenn irgendein Prozess den Roten Zwerg komplett ausgeknipst hätte – er ist so lichtschwach, dass die Helligkeit des Gesamtsystems dadurch nur um 3 Prozent gefallen wäre. Außerdem neigen Rote Zwerge eher dazu, aufgrund von Flares heller zu werden.

Aufnahme von KIC 8462852 mit dem 3,8m United Kingdom Infrared Telescope (UKIRT), einem auf Infrarotaufnahmen spezialisierten Teleskop auf dem Mauna Kea, Hawaii. Man sieht, dass der Stern links (östlich) eine kleine Ausbuchtung hat.

(Bild: Boyajian et al., arXiv)

Eine Aufnahme mit 10m-Keck-Teleskop, gleich nebenan. Hier ist östlich von KIC 8462852 ein Begleitstern in etwa 2 Bogensekunden Abstand mit einem Helligkeitsunterschied von 3,8 Größenklassen zu sehen.

(Bild: Boyajian et al., arXiv)

Vielleicht umkreiste den Stern eine Staubscheibe, die einige dichtere Klumpen enthielt? Veränderliche Sterne wie UX Orionis oder AA Tauri zeigen unregelmäßige Einbrüche von 2 bis 3 Größenklassen (Helligkeitsrückgang auf – nicht um! – 10 Prozent bis 20 Prozent) über Tage bis Wochen. Sie werden auch als "Great Dippers" bezeichnet (frei übersetzt etwa "Große Abtaucher"). Um sie kreisender Staub, in dem sich gerade Klumpen zu Planeten verdichten, wird für die Verdunklungen verantwortlich gemacht. Diese Sterne sind mit wenigen Millionen Jahren noch jung und sammeln Materie aus der sie umgebenden Scheibe auf, was anhand von Emissionslinien durch den sie umgebenden, zum Leuchten angeregten Wasserstoff kenntlich ist. Der Staub wird von den Sternen erwärmt und strahlt das Licht als Infrarotstrahlung wieder ab, so dass die Strahlungskurve der Sterne einen Überhang von Infrarotlicht zeigt. Boyajians Stern zeigt keinen Infrarotüberhang, keine Emission und wird von den Astronomen auf mindesten 150 Millionen Jahre geschätzt.

Wenn es Materieklumpen aus Staub wären, müssten dessen Partikel größer sein als der feinkörnige Staub, der junge Stern umgibt. Je größer die Staubpartikel, desto weniger von ihnen gäbe es, ihre Gesamtoberfläche wäre viel kleiner und sie würden weniger Infrarotlicht beitragen können. Damit Staubklumpen in einer Scheibe Verdunklungen von minimal 3 Tagen Dauer verursachen können, müssten sie den Stern in weniger als 8 Astronomischen Einheiten Entfernung umkreisen, sonst bräuchten sie länger, um die Sternscheibe zu kreuzen, aber auch nicht in weniger als 3 AE, sonst hätte man mindestens zwei Umläufe des dichteren Feldes beobachtet, das zum Ende von Keplers Mission erstmals beobachtet wurde.

Um Verdunklungen von 20 Prozent zu verursachen, müssten solche Klumpen dann schon 45 Prozent des Sterndurchmessers von 1,6 Sonnendurchmessern erreichen, was etwa 0,7 Sonnendurchmessern entspräche. Das klingt nach einer riesigen Menge an Staub. Handelte es sich jedoch um hinreichend kleine Partikel von einem Mikrometer (1/1000 mm), rechneten die Astronomen aus, dann würde bereits die Masse eines 16 km durchmessenden Asteroiden (rund 7 Billionen Tonnen) ausreichen, um den Stern hinreichend stark zu bedecken. Was allerdings ein extrem idealisierter Fall mit gleich großen Partikeln der idealen Größe wäre. Ein Faktor 100 mehr an Masse (entsprechend einem 75 Kilometer durchmessenden Asteroiden oder kleinen Mond) für eine exponentiell verteilte Partikelgröße wäre realistischer.

Wie könnte ein solcher Partikelhaufen entstehen? Eine große Kollision in einem Asteroidengürtel wäre eine theoretische Möglichkeit. Aber dann sollte es neben dem großen Klumpen, der den Stern um 20 Prozent verfinsterte, viele kleinere geben, die sich um den Stern herum verteilen, und solche Kollisionen würden genug feinen Staub produzieren, der dann doch wieder einen Infrarotüberhang verursachen sollte.

Eine große Kollision zweier Planeten, wie sie für die Entstehung des Mondes als Rest einer Kollision der Urerde mit dem marsgroßen hypothetischen Planeten Theia angenommen wird, wurde von Boyajian et al. in Betracht gezogen. Beim ersten tiefen Einbruch nach etwa 750 Tagen sei der Planet vielleicht gerade erst zerbrochen und nach 1500 Tagen habe er sich weit verteilt und mehr vom Stern verdeckt. Dann hätte man beim folgenden Umlauf gegen 2015 eine erhöhte Menge an Staub erwartet, aber Beobachtungen mit dem Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer zeigten nichts dergleichen. Außerdem sei ein solcher Kataklysmus ausgerechnet in der kurzen Missionsdauer von Kepler extrem unwahrscheinlich. Hochgerechnet auf alle von Kepler beobachteten 190.000 Sterne müsste jeder von ihnen in seinem Leben rund 10.000 solcher Kollisionen in seinem Planetensystem erleben, damit man erwarten könne, in drei Jahren Missionszeit eine davon zu erwischen.

Den Autoren erschien am plausibelsten, dass ein zerbrochener Asteroid oder Komet auf einer stark elliptischen Bahn vor dem Stern vorbeigezogen sei, und zwar auf seiner Passage durch den sternnächsten Punkt (Periastron). Damit ließe sich eine schnelle Transitzeit bei trotzdem langer Umlaufzeit (länger als die Missionsdauer von Kepler) erklären, denn im Periastron bewegt sich ein Objekt auf seinem Orbit am schnellsten. Kometen sind häufig, haben fast alle stark elliptische Umlaufbahnen und zerbrechen auch gerne in Sternnähe, insbesondere öfter als kollidierende Planeten. Ein Objekt von 100 Kilometer Durchmesser würde als Mutterkörper für einen Kometenschwarm reichen, und Objekte dieser Größe gibt es in unserem Sonnensystem massenweise im jenseits der Neptunbahn befindlichen Kuiper-Gürtel.

Lichtkurve von Boyajians Stern vom 2. Mai 2017 bis 31. Dezember 2017, aufgezeichnet vom Ex-Profi- und jetzigen Amateurastronom Bruce L. Gary mit seinem privaten Hereford Arizona Observatorium.

(Bild: Bruce L. Gary, gemeinfrei)

Andere Arbeiten setzten die Ursachensuche kreativ fort. Eine Arbeit von Lisse et al. schlug vor, dass in einem angenommenen Planetensystem gerade das Äquivalent eines Großen Bombardements vor sich ginge (das im Sonnensystem durch die Wanderung der großen Planeten ausgelöst worden sein soll, aber in der üblicherweise beschriebenen Form wahrscheinlich nie stattgefunden hat) und die vorhandenen Planeten in Trümmerwolken hülle. Eine andere Arbeit von Bodman & Quillen konnte durch Simulationen auf der Basis dieser Hypothese sogar ein ähnliches Muster reproduzieren, wie beim 21-Prozent-Dip in den Keplerdaten. Was angesichts vieler frei wählbarer Parameter auch wieder nicht verwunderlich war.

Mehrere andere Autoren fanden in den Kepler-Daten einen säkularen Trend (Astro-Jargon für langfristig; saeculum = lat. Jahrhundert) stetiger Helligkeitsabnahme. Auf alten fotografischen Platten aus den Jahren 1890 bis 1989 fanden sie eine Verdunklung um 16 Prozent bis zum Beginn der Kepler-Beobachtungen. Metzger et al. schlugen vor, dass ein in den Stern gestürzter, zuvor zerrissener Planet für die Verdunklung verantwortlich sein könnte. Die säkulare Helligkeitsabnahme könne auf die Rückkehr der Sternoberfläche zur normalen Leuchtkraft nach einem temporären Aufleuchten des Sterns durch die aufgenommene Einschlagsenergie des Planeten zurückzuführen sein und die tiefen Dips auf planetare Trümmerteile im Transit vor dem Stern. Auch interstellarer Staub im Vordergrund oder eine Trojaner-Asteroidenwolke, die sich in einem Lagrange-Punkt eines großen Planeten angesammelt hat, wurde vorgeschlagen, sowie ein großer Ring um einen Planeten ähnlich Saturn, der vor dem Stern durchgezogen sei.

Künstlerische Darstellung eines Sterns, der von einem Staubring umgeben ist. Ist dies die Ursache für die Helligkeitsschwankungen von Sternen wie KIC 8462852?

(Bild: NASA/JPL-Caltech, gemeinfrei)

Ab September 2015 beobachteten Meng et al. den Stern für mehr als ein Jahr im visuellen Bereich mit dem 27-Zoll-Teleskop der Volkssternwarte in Zillebeke, Belgien, aber auch mit den Weltraumteleskopen Swift/UVOT ("Ultraviolet/Optical Telescope") im UV-Bereich und Spitzer im Infraroten. Irgendeinen Helligkeitseinbruch beobachteten sie nicht, bestätigten jedoch die säkulare Helligkeitsabnahme über die Dauer ihrer Messungen. Die Abschwächung war stärker im Ultravioletten als im Infraroten und somit offenbar auf Staub zurück zu führen (sehr feiner Staub streut blaues Licht stärker als rotes, wie dies auch die Atmosphäre tut, was zum Blauen Himmel und zu roten Sonnenuntergängen führt). Da der Rot-Blau-Unterschied weniger ausgeprägt war als bei gewöhnlichem interstellaren Staub, wie er von Sternen produziert wird, mussten die Partikel etwas größer sein. Somit schied eine interstellare Staubwolke aus. Sie schlossen auf Staub, der den Stern umgibt, zumindest als Ursache für die langfristige Abschwächung des Sterns.

2016 startete Boyajian eine Crowdfunding-Kampagne und konnte genug Geld für eine einjährige Beobachtungskampagne mit dem Las-Cumbres-Observatoriums-Netzerk auftreiben. Der Verbund besteht aus 18 kleinen Teleskopen von 0,4 bis 2 m Durchmesser, die auf verschiedene Sternwarten weltweit verteilt sind. Ab dem 20. Mai 2017 bis zum Frühjahr 2018 wiederholten sich die Verfinsterungen in ähnlicher Form wie 2013, wenn auch mit nur 1 Prozent bis 5 Prozent weniger tief.

Links: Nach einem Modell von Wyatt und Boyajian hatte sich Kometenstaub auf einer elliptischen Bahn um den Stern verteilt. Die Sichtlinie zur Erde verläuft unter einem kleinen Winkel zum Periastron q der Bahn. Rechts: das Staubband kreuzt aus Sicht der Erde die Sternscheibe. Verdichtungen (wie hier als dunklerer Streifen hervorgehoben) bewegen sich wegen der Nähe zum Periastron mit hoher Geschwindigkeit vor dem Stern.

(Bild: Wyatt et al., arXiv)

2018 fanden Wyatt, Boyajian et al., dass sowohl die säkulare Helligkeitsabnahme wie auch die tiefen Verfinsterungen im Visuellen und Infraroten durch Staub erklärt werden können, der sich fast gleichmäßig (mit einigen dichteren Klumpen) entlang einer elliptischen Bahn mit einem Periastron-Abstand von 0,03 bis 0,6 AE und einem maximalen Abstand (Apastron) von 2 bis 3,4 AE verteilt hat, zu erklären sei, was zu Boyajians ursprünglichen Hypothese eines großen, zerbrochenen Kometen passen würde.

Miguel Martinez et al. schlugen 2019 anstatt eines Kometen jedoch eine andere interessante Quelle für den Staub vor: verwaiste Exomonde. Planetensysteme mit mehreren Planeten sind nicht immer stabil, wie man aus Simulationen weiß. Auch in unserem Sonnensystem mussten sie sich erst sortieren. Vermutlich entstand Neptun viel näher an der Sonne und wanderte an Uranus nach außen vorbei, während Jupiter wahrscheinlich näher an die Sonne rückte, den äußeren Asteroidengürtel abräumte und später von Saturn wieder zurückgeholt wurde (Nizza –Modell und Grand-Tack-Modell).

Dem zugrunde liegen Bahnresonanzen der Planeten: sie beeinflussen ihre Bahnen gegenseitig, wenn sie sich stets an derselben Stelle ihrer Bahnen begegnen und mit ihrer wechselseitigen Schwerkraft immer wieder aufeinander einwirken. Bei zwei Planeten, die einen Stern mit zueinander verkippten Bahnen umkreisen, kann etwa der Kozai-Mechanismus dafür sorgen, dass die Verkippung abnimmt auf Kosten einer Zunahme der Bahnexzentrizität des inneren Planeten – seine Bahn wird elliptischer und kann sich dabei dem Stern so weit nähern, dass er schließlich in seiner Nähe von den Gezeitenkräften zerrissen wird oder mit ihm kollidiert. Laut Martinez reicht bei einem äußeren Planeten mit elliptischer Bahn schon eine kleine Verkippung der Bahnen, um den Mechanismus auszulösen.

Martinez’ Idee war aber nicht, dass ein zerbrochener Planet selbst den Staub und die Sternverfinsterungen verursachte, denn die Lebensdauer der Trümmer wäre mit 10 bis 1000 Jahren im Vergleich zu einem Sternenleben zu kurz, als dass man erwarten könnte, im Kepler-Sternenfeld so ein Ereignis zufällig erwischt zu haben. Vielmehr schlug er vor, dass der Planet von Monden begleitet wurde, die sich bei der Annäherung des Planeten an den Stern aus ihren Umlaufbahnen lösten, sozusagen verwaiste Exomonde. Denn die Gezeitenkraft, die irgendwann den Planeten zerreißt, löst schon lange vorher seine Monde von ihm ab, die auch nach seiner Zerstörung weiter in der Nähe der elliptischen Bahn desselben kreisen und dort viel länger überdauern würden. Sie würden bei der Ablösung vom Planeten Energie gewinnen (der Mechanismus gleicht dem Hills-Effekt, den ich im Artikel über den Kugelsternhaufen HVGC-1 für die Erzeugung von Hyperschnellläufern erwähnte). Simulationen von Martinez et al. ergaben, dass in 10 Prozent der Fälle der Mond nach der Befreiung vom Planeten auf einer stabilen Bahn um den Stern endete.

Das von Martinez analysierte Szenario eines verwaisten Exomonds, der auf einer elliptischen Umlaufbahn um dem Stern verbleibt, nachdem er von seinem Mutterplaneten getrennt wurde. Der Mond bewegt sich danach zwischen zwei Radien, der Schneelinie Rice, bei der flüchtige Stoffe noch gefroren bleiben, und dem Radius RRock, bei dem auch Gestein zu verdampfen beginnt. Die gelbe Linie zeigt die Sichtlinie zur Erde. Wenn der verdampfende Mond mit seinem Schweif aus Staub und Gas die Sichtlinie kreuzt, kommt es zu den tiefen, unregelmäßigen Verfinsterungen.

(Bild: Martinez et al., arXiv)

Handelt es sich dabei um einen Mond, der reich an flüchtigen Stoffen ist, wie etwa die vier Galileischen Monde des Jupiter, die große Mengen von Wasser und gefrorenen Gasen enthalten, dann ergeht es ihm nicht anders als den "schmutzigen Schneebällen", die uns als Kometen geläufig sind. Die beginnen sich in der Nähe des Sterns durch Verdunstung und Sublimation aufzulösen, wobei auch große Mengen Staub freigesetzt werden. Dieser verteilt sich zunächst entlang der elliptischen Bahn, wobei die feinsten Partikel vom Sternwind weggeblasen werden und eher grobkörniger Staub zurückbleibt, was zu den Infrarotbeobachtungen von Boyajians Stern passt. Langfristig werden diese Partikel durch den Poynting-Robertson-Effekt abgebremst und nach innen wandern, wo sie eine Staubscheibe bilden. Schwankungen in der Dichte der Scheibe, auf deren Kante wir von der Erde aus blicken, sorgen für die kleineren Verfinsterungen.

Der Mond selbst würde von ausgedehnten, dichten Staubwolken begleitet, welche die tiefen Verfinsterungen des Sterns verursachen würden. Die Überlebensdauer eines solchen Mondes, der die innen auf den Stern stürzende Staubscheibe stetig auffüllen würde, läge laut Martinez um den Faktor 100 bis 1000 höher als die eines abstürzenden Planeten, was es wesentlich wahrscheinlicher machen würde, dass Kepler Zeuge eines solchen Ereignisses wurde.

Es gibt also Ideen genug, allerdings kann keine davon bisher als abgesichert gelten. Weitere Beobachtungen sind nötig, um zusätzliche Indizien zu sammeln.