40 Jahre c't: Die Kolumne "Prozessorgeflüster"

Im Prozessorgeflüster berichtete Andreas Stiller von 1993 bis 2017 Neues und Intimes von Intel & Co, kommentierte Trends und analysierte CPU-Rechenfehler.

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Von
  • Rudolf Opitz

Das erste Mal flüsterte Andreas Stiller seinen Lesern in der c’t 12/1993 die neuesten Gerüchte und Ankündigungen aus den großen Chipschmieden zu und kommentierte sie auch. Intel verkaufte zu der Zeit die ersten Pentiums und 486er mit verdoppeltem internem Takt (486DX2-66 MHz). Den erwarteten 486-Prozessor mit dreifachem Interntakt nannte Andreas noch DX3, der kam später als 486DX4-100 auf den Markt – Intel hatte außerdem den L1-Cache verdoppelt.

Im Prozessorgeflüster fanden auch die damals noch zahlreicheren Intel-Mitbewerber wie IBM und Motorola mit dem Power-PC und Cyrix Beachtung. Cyrix arbeitet an einem Pentium-Konkurrenten namens M1:

"Cyrix’ Superscalar/Superpipeline-Chip soll x86-Software fahren, zusätzliche Register haben (insgesamt 32) und 'vorausschauende' Fähigkeiten aufweisen. Er dekodiert dann bei bedingten Verzweigungen nicht nur die beiden möglichen Wege, sondern führt auch spekulative Exekutionen durch und ändert bei Bedarf auch deren Reihenfolge (out-of-order Execution)."

Im Prozessorgeflüster hagelte es nur so von neuen Akronymen und Bezeichnungen, bei der Eindeutschung "spekulative Exekution" konnte Andreas wohl nicht widerstehen. Spätere Artikel klärten aber detailliert über das Fachchinesisch der Prozessorentwicklungen auf.

Auf der anderen Seite schlug Andreas Stiller gerne einen launigen Ton an, weshalb die Lektüre des Prozessorgeflüsters trotz der Fachtermini sehr unterhaltsam ist. So machte er sich über Intels Werbekampagnen wie die tanzenden "Bunny People" in Reinraumschutzanzügen lustig und erlaubte sich im Abschnitt "Auch das noch" auch mal einen Ausflug nach Kalau wie in c’t 16/1998:

"Intel läßt nichts anbrennen, weder auf dem Low-Cost-Markt noch in den Mikrowellen-Herden der Hauptniederlassung. Die Unsitte, hier Popcorn herzustellen, wurde nach einem Bericht im San Francisco Chronicle wegen Brandgefahr und Geruchsbelästigung untersagt. Sicherlich ist bei einem Prozessorhaus auch das Knabbern an Chips aus prinzipiellen Gründen verboten."

In der Regel nahm das Prozessorgeflüster nur eine Heftseite in Anspruch. Bei besonderen Anlässen bekam Andreas Stiller aber mehr Raum, etwa für seine Analyse des berühmten FDIV-Bugs der ersten Pentium-CPUs. Intel behielt zu der Zeit Fehler ihrer Prozessoren gerne für sich und versuchte, bekannt gewordene Probleme herunterzuspielen. Beim FDIV-Rechenfehler behauptete der Hersteller, er träte bei "normalen Endusern" im Schnitt nur alle 27.000 Jahre auf. Andreas Stiller erklärte:

"Der Fehler ist beileibe nicht, wie Intel glauben macht, auf 'prim number generation or other complex mathematics' beschränkt, sondern kann überall auftauchen, wo mit Double Precision gearbeitet wird. [...] Schon eine kleine Überschlagsrechnung deutet die wahre Dimension an. Bei 90 MHz und 39 Takten pro FDIV-Befehl würde der Prozessor 1010 Divisionen in knapp 72 Minuten absolviert haben."

Im Prozessorgeflüster aus der c’t 1/1995 lieferte er sogar anhand einer Pascal-Routine einen Beispielweg, den FDIV-Bug zu umgehen. Anwendern bestehender Software half das allerdings nicht.

c’t-Redakteur Andreas Stiller nimmt seinen Wettgewinn vom heutigen Intel-Chef Pat Gelsinger entgegen: eine Flasche Wein.

Legendär waren auch die Wetten von Andreas mit dem heutigen Intel-Chef Pat Gelsinger, wie die von 2001, als Gelsinger Intels Technology Officer war:

"Mit Letzterem hab ich übrigens eine Wette laufen: glaubte er mir doch nicht, dass AMD im letzten Jahr mehr US-Patente zugeteilt bekommen hat als Intel. Ha! - das gibt eine gute Flasche Napa-Wein."

In c’t 25/2017 erschien das letzte Prozessorgeflüster, in dem Andreas Stiller über die SC-Konferenz (High Performance Computing, Networking, Storage and Analysis) schrieb und seinen Ruhestand bekannt gab. Den Heftplatz übernimmt heute das Bit-Rauschen, wo Christof Windeck über Trends bei Prozessoren und Halbleitertechnik berichtet.

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(rop)