Die ersten 25 Jahre in der Geschichte der Mikroprozessoren

Seite 2: Die frühen Jahre

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Egal, so richtig praktisch nutzbar waren weder der 4004 noch der 8008. Und so beeilte sich Faggin, zusammen mit Shima einen wirklich "vollwertigen" Mikroprozessor zu designen, der den Namen Prozessor auch verdient. Und das schafften die beiden mit dem 8080 mit nunmehr 6000 Transistoren in 6-Mikrometer-Technologie (6000 Nanometer). Doch bevor dieser seinen Siegeszug etwa im Altair 8800 antreten konnte, gabs Streit im Hause Intel. Faggin fühlte sich nicht genug gewürdigt, insbesondere von Andy Grove, damals operativer Direktor (COO), der Mikroprozessoren ohnehin nur für ein teures Steckenpferd von Intel-Chef Noyce hielt. So verließ Faggin im Oktober 1974 wutentbrannt Intel und nahm einen gewissen Ralph Ungermann gleich mit. Die beiden gründeten ein "Dorf" weiter in Cupertino die Firma Zilog und warben als erstes Masotoshi Shima von Intel ab. Und Zilog machte mit Finanzhilfe von Exxon dem 8080 in kürzester Zeit mit dem erweiterten, aber kompatiblen Z80 den Garaus. Er war bereits im März 1976 fertig und bot zusätzlich sehr effiziente String-Funktionen sowie einen zweiten Registersatz.

Grove war stinksauer auf Faggin und sorgte dafür, dass sein und Shimas Name überall aus offiziellen Intel-Dokumenten getilgt und somit allein Ted Hoff als Erfinder gepriesen wurde. Es sollte 35 Jahre dauern, bis sich die Streithälse im Jahre 2009 versöhnten und Intel darauf hin die "alternativen Fakten" wieder durch reale Fakten ersetzte. Diese befanden sich ja alle noch im Intel-Archiv, das durfte erstmals der Journalist Michael S. Malone im Jahre 2013/14 einsehen und mit den Kenntnissen ein Buch über "The Intel Trinity" schreiben.

Doch in der Zwischenzeit gab es diverse weitere Konkurrenz. Motorola hatte 1974 den 8-Bit-Prozessor 6800 herausgebracht, der sich am PDP11 der Digital Equipment Corporation (DEC) orientierte. Die Linie wurde 1976 mit dem 6809 und 6801 fortgesetzt, derweil war aber ein anderer "Abkömmling" vom abgewanderten Entwickler Chuck Peddle entstanden, der ähnlich konzipierte 6502 von MOS Technology. Vor allem der sollte richtig Furore machen, zunächst im Atari 800, Apple I, II, Commodore PET und VC-20, dann später im Jahre 1982 in Gestalt des 6510 im berühmtesten Brotkasten aller Zeiten, dem C64.

Die Väter des Intel 4004 Federico Faggin, Stan Mazor und Ted Hoff – der vielleicht wichtigste Mann, Masatoshi Shima, fehlt auf dem Bild natürlich.

(Bild: Intel)

Texas Instruments brauchte ein bisschen, um sich von dem Desaster mit CTC zu erholen und stampfte den ohnehin nicht gut funktionierenden 8-Bitter TMX1795 ein, hatte aber parallel dazu einen "calculator-on-a-chip" entwickelt, beziehungsweise unter dem Namen TMS0100 gleich eine kleine Serie. Die war sehr speziell für Taschenrechner ausgelegt, mit 9-bittigen Adressen und 11-bittigen Opcodes und vermutlich nur einer kleinen 1-Bit-ALU. So richtig erfolgreich wurde das Projekt aber mit dem 4/8-Bit Nachfolger TMS1000, mit dem TI ab 1974 zahlreiche Taschenrechner und Embedded-Systeme bestückte. Der TMS1000 gilt als der erste komplette Mikrocontroller, unter anderem enthielt er sogar schon etwas Speicher, was das Design drumherum sehr vereinfachte. Er kam so auf 8000 Transistoren. Noch erfolgreicher schlug sich dann die 16-Bit-Serie TMS9900 ab dem Jahre 1976. Das war zwar nicht der erste 16-Bitter – diese Ehre gebührt National Semiconductor mit dem IMP16-Chipsatz bereits im Jahre 1973 -, aber er war weit erfolgreicher als jener.

Motorola hatte derweil die 680x-Reihe mächtig aufgerüstet auf 35.000 (6801) beziehungsweise 40.000 Transistoren (6809). Der 6809 war wohl der erste (nichtmilitärische) Prozessor, der einen Hardware-Multiplizierer bot. Die Befehlssatzarchitektur (ISA) war durchgängig 16-bittig. Das richtige Biest, die "texanische Kakerlake", kam dann aber 1979 auf den Markt: der 68000. Seine Rechenhardware (ALU) war zwar nur 16-bittig, die ISA sowie alle acht Register hatten aber schon richtungsweisende 32 Bits. Damit lag der lineare Adressraum bei damals gigantischen 4 GByte, von denen bei der ersten Version allerdings nur 24 Adressbits herausgeführt wurden, mithin immer noch riesige 16 MByte. Chefarchitekt Skip Stritter hatte zuvor an dem (nicht besonders erfolgreichen) Mikroprozessor Micro/370 für IBM-370-Großrechner gearbeitet, sodass wohl etliche Ideen der 370-Architektur in den 68000-Prozessor mit eingeflossen sind.

Andere Firmen hielten sich mit eigenen Designs zurück, brachten stattdessen lieber Nachbauten heraus, teils mit, teils ohne Lizenz. Zu diesen Firmen gehörte die 1969 gegründete Firma AMD, die mit offiziellem Segen von Intel bereits den 8080 als AM9080A auf den Markt brachte.

Außerhalb der USA rührte sich damals in Sachen Mikroprozessoren nur wenig, lediglich in Japan startete NEC 1973 mit dem µCOM4und Toshiba ein Jahr darauf mit dem 12-Bitter TLCS-12. Der Rest der Welt, insbesondere Europa, schlief da weitgehend noch den Schlaf der Gerechten, jedenfalls was eigene Designs angeht. Eine Ausnahme war Norwegen, wo schon im Jahre 1972 im Auftrag des Verteidigungsministeriums ein interessantes 16-Bit-Design namens MIPROC entwickelt worden ist, das die britische Firma Plessey dann fertigte und für eine Million Pfund aufkaufte.

In Deutschland war Siemens immerhin schon sehr früh als offizielle Zweitquelle für Intel dabei, so findet man bereits einen SAB8008 und später die ganze Palette von SAB8080 bis SAB80286. Auf der anderen Seite der Demarkationslinie reagierte man ebenfalls zügig, mit einem nachgebauten 8008 unter dem Namen U808. Den hatte das Kombinat Mikroelektronik Erfurt, wen wunderts, natürlich ohne Lizenz abgekupfert, so wie später etliche weitere Chips von Intel und anderen. Lustige Anekdote dazu: DECs Chefentwickler Bob Sputnik hatte mal in den 80er-Jahren auf einem unteren Metall-Layer des CVAX-Prozessors eine Nachricht auf Russisch hinterlassen: "Wann hört ihr endlich auf zu klauen?" Davon berichtete Staatssekretär Karl Nendel, zuständiger "Oberklauer" der DDR, später in seiner Autobiografie.

Die niederländische Firma Philips hielt sich erst einmal recht bedeckt, kaufte aber 1975 die kalifornische Firma Signetics auf, die in 60er-Jahren mal größter Halbleiterhersteller in den USA war. In Italien baute SGS Microelettronica die Zilog-Prozessoren nach (Z80, Z8000) und fusionierte dann später mit dem französischen Staatskonzern Thomson SA. Der hatte zuvor, noch als Thomson Multimedia, Motorola-Chips (6809, 68000, 68008) gefertigt.

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