Ein Jahr Ampel: Digitalisierung mit großen Schwächen

Seite 3: Habeck: Ganz viel Energie – und dazu Chips

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(Bild: dpa, Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa)

Anders sieht das naturgemäß beim Vizekanzler, Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) aus. Der ist seit seinem Amtsantritt mit anderen Schwerpunkten befasst, insbesondere die Sicherung der Energieversorgung steht im Fokus. Allerdings sind sowohl im Fahrwasser der Energiepolitik – etwa, wenn es um Smart Meter geht – wie auch in der Klimapolitik immer wieder Digitalthemen enthalten.

Dadurch, dass niemand umfassend für Digitalpolitik zuständig sei, beklagt Oliver Süme vom Eco, würden zentrale Fragen wieder im Streit verschiedener Ressorts untergehen. "Aktuell kann man dies am Beispiel des Vorschlags für das neue Energieeffizienzgesetz sehen, das besondere Regelungen für Rechenzentren vorsieht, die technisch nicht machbare Anforderungen an Rechenzentrumsbetreiber formulieren." Parallel ist das vom Grünen Habeck geführte Ministerium rund um die Diversifizierung von Lieferketten und die Reduzierung einer Abhängigkeit auch von China ein starker Akteur, etwa dann, wenn es um die Ansiedlung von Chip-Entwicklung und -Fabrikation in Deutschland geht.

Marco Buschmann (FDP) ist klar dagegen: gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, gegen die sogenannte Chatkontrolle, gegen das NetzDG und gegen Telegram – und gegen Gürteltiere, also dicke Aktenstapel. Buschmann, der das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zwar mal loswerden wollte, als Justizminister aber nun so lange daran festhält, bis es vom Digital Services Act auf EU-Ebene abgelöst wird, hat digitalpolitisch in seine Rolle viel Gewicht – aber ob er auch durchsetzungsstark ist, wird sich noch zeigen.

Buschmanns Vorschlag für eine Quick Freeze-Regelung anstelle einer Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung jedenfalls ist trotz Koalitionsvertragsvereinbarung noch nicht abgesegnet. Wo er schon etwas erfolgreicher ist: bei der Einführung der elektronischen Aktenführung im eigenen Hause. Allerdings kämpft der Justizminister, der gerne die Freiheit betont, dabei auch mit der Freiheit der Justiz: Viele Richter lieben ihre Aktenberge – oder wollen zumindest nicht von ihnen lassen. Buschmann, der mit einigen Ambitionen vor einem Jahr Justizminister wurde, muss schauen, wie er den Spagat bewältigt.

Weniger Beachtung findet, was das Bundesfinanzministerium in der Digitalisierung voranbringt – oder eben nicht. Dabei ist FDP-Chef Christian Lindner, auch schon mal als Instagram-Minister bezeichnet, für relevante Aspekte der Digitalpolitik verantwortlich. Etwa für alle Fragen rund um digitale Zahlungsmittel oder für die IT-Betriebskonsolidierung des Bundes. Letztere schreitet stetig voran, aber etwa zu den Kryptomarkt-Problemen ist aus dem Hause Lindner bislang nur beredtes Schweigen zu hören – und ein Treueschwur auf das Bargeld.

Wenig öffentlich wahrnehmbar ist auch, was das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der Digitalpolitik vorantreibt. In der vergangenen Legislatur mit gleichem Minister noch hochaktiv rund um Digitalisierungsthemen wie Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit, ist das Ministerium unter Hubertus Heil (SPD) bislang auffallend ruhig. Dabei verhandelt Heil für Deutschland federführend in Brüssel die Plattformarbeits-Richtlinie mit und muss mit den Folgen des Urteils zur Zeiterfassungspflicht umgehen. Auch führte er Papier- und Unterschriftspflicht für Arbeitsverträge wieder ein – aber ohne jede sichtbare Folge, der Gegenwind war offenbar nicht nachhaltig.

Zwar wird er eher für andere Themen kritisiert, doch in der Digitalisierung des Gesundheitswesens hat Karl Lauterbach (SPD) als Gesundheitsminister bislang auch noch keine wirklich glückliche Figur gemacht. Nicht nur der Streit um die Gematik-Konnektoren und die geplante Verschwendung von Geldern der Krankenversicherten im großen Stil, auch das Ende von Videoident bei der elektronischen Patientenakte fielen bereits in seine Amtszeit. Zugleich hofft Lauterbach weiter auf enorme Einspar- und Verbesserungspotenziale – 2023 soll die Gesundheitsdigitalisierung endlich vorankommen. An Versorgungsfällen fehlt es Lauterbach dabei nicht: eAU, elektronische Patientenakte, E-Rezept – sie alle haben es bis heute nicht wirklich in den Alltag der Deutschen geschafft.

Erstaunlicher hingegen: Das BMBF, immerhin mit vielen Forschungsmitteln ausgestattet, hat unter der FDP-Politikerin Bettina Stark-Watzinger keinerlei digitale Akzente setzen können. Digitalpolitisch steht vor allem die Neuaufstellung der Sprunginnovationsagentur SPRIND weiter an, hinzu kommt zudem mit der DATI die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI). Über die sollen unter anderem die Fachhochschulen künftig Forschungsgelder erhalten. Als Digitalprojekt angekündigt ist bis heute nicht vollständig klar, wie viel Digitalisierung tatsächlich im lange Zeit umstrittenen DATI-Konzept stecken wird.

Weder Christine Lambrecht (Verteidigung, SPD), die die Digitalisierung der Bundeswehr beschleunigen will, Annalena Baerbock (Außen, Grüne), aus deren Haus 2023 eine "internationale Digitalstrategie" kommen soll noch Svenja Schulze (Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, SPD) haben digitalpolitisch bislang größere Spuren hinterlassen. Auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, Familienministerin Lisa Paus und Umwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (alle Grüne) oder Bauministerin Klara Geywitz (SPD) haben mit ihren Ressorts bislang in der Digitalpolitik eindruckslos gewirkt.