Elektronenblase für Quanten-Supercomputer

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Weijun Yao von der Brown University in Providence, Rhode Island arbeitet mit einer ganz neuen Form von Qubits. Anstelle der Atome treten bei ihm Gebilde, die er Elektronenblasen nennt. Um sie herstellen zu können, benötigt man flüssiges Helium mit einer Temperatur, die unter 2,17 K liegt. Bei solchen Kältegraden verhält sich Helium wie ein Superfluid – Materie, die keinerlei innere Reibung aufweist. "Impft" man das Helium nun mit einem Elektron, passiert Folgendes: Das Elektron kollidiert mit jeder Menge Heliumatomen und wird dabei solange abgebremst, bis es sich letzten Endes nicht weiter fortbewegt. In diesem Zustand drängt es fast 700 Atome zurück und schafft sich so eine "Höhle". Eben diese Höhle - sie hat einen Durchmesser von 3,8 Nanometern - nennt Yao Elektronenblase. Solche Blasen haben nun, laut Yao, den großen Vorteil, "dass sie kaum mit den Heliumatomen im Hintergrund interagieren" und so ihren Quantenzustand lange stabil halten können.

Samuel Braunstein, Spezialist für Quanteninformatik von der University of York, meldet da aber leise Zweifel an. Seiner Meinung nach findet sehr wohl eine Interaktion statt, die stark genug ist, um Einfluss auf den Spin-Status der einzelnen Elektronen nehmen zu können. "Also müssten alle Berechnungen innerhalb eines Zeitraums zwischen zwei Interaktionen abgeschlossen sein," bringt er seine Skepsis an einer Idee, die er zwar nicht ganz neu, aber dennoch spannend findet, auf einen Nenner.

Die Herstellung der Elektronenblasen allein genügt aber noch nicht, irgendwie muss man sie auch dort festhalten und mehrere von ihnen in einer Reihe anordnen können. Diesem Zweck dient eine spezielle Falle, die "linear quadrupole trap". Sie besteht aus vier parallelen Leitern, die die Blasen umschließen. Sie werden von Wechselstrom durchflossen und sorgen für ein elektrisches Potenzial, das einem Tal gleicht, in dem die Blase gefangen ist. Die vier Leiter werden nun noch in regelmäßigen Abständen von stromdurchflossenen Ringen umgeben. Sie verhindern eine Bewegung der Elektronen entlang der Achse der Leiter.

Kühlt man diese Vorrichtung nun auf 0,1 K herunter, nehmen alle Elektronen den gleichen Spin an. Der Spin eines einzelnen Elektrons lässt sich nun gezielt manipulieren, indem man das Magnetfeld, das zwischen den vier Leitern herrscht, entsprechend verändert. Auf diese Weise kann man zusätzlich mehrere Elektronen dazu bringen, sich wie logische Gatter zu verhalten und somit Berechnungen ermöglichen.

Aber es reicht natürlich nicht, den Spin eines Elektrons gezielt manipulieren zu können, man muss ihn auch "lesen" können. Dies erreicht man, indem man die Spannung am Ende der Elektronenkette verringert. Dann beginnen sich die Elektronenblasen mit einer bestimmten Geschwindigkeit, die vom Spin des Elektrons abhängt, entlang des Magnetfeldes zu bewegen. Mithilfe eines Laser lässt sich diese Geschwindigkeit nun recht einfach bestimmen.

"Ich kann kein technisches Problem dabei erkennen mit Elektronenblasen 1000 Milliarden Milliarden Milliarden Rechnungen gleichzeitig durchzuführen," fasst Weijun Yao seine ehrgeizigen Ziele zusammen. Viele seiner Kollegen zeigen sich indes ein wenig skeptischer. "Der Vorschlag von Dr. Yao klingt interessant, aber ich bin noch nicht davon überzeugt, dass sein Quantencomputer besser arbeiten würde, wie ähnliche Modelle, die wir zurzeit diskutieren," meint Alexej Ustinov von der Universität Erlangen-Nürnberg. Dafür benötige man zunächst einmal eindeutige experimentelle Hinweise. Yaos Vision von 1000 Milliarden Milliarden Milliarden parallelen Rechenvorgängen hält er indes für pure Phantasie.

Ob Yaos Elektronenblasen also wirklich ein Durchbruch für die Entwicklung von Quantencomputern sind, bleibt also abzuwarten. Bislang stellen sie wohl nichts weiter als einen weiteren interessanten Ansatz dar. Vergeblich war seine Arbeit aber auf keinen Fall, wie auch Stephan Koch, Physiker an der universität Marburg, meint: " Selbst wenn niemals ein Quantencomputer verwirklicht werden sollte, beziehungsweise wenn es über Prototypen nicht hinaus geht, so hat man auf dem Weg doch eine ganze Menge spannende neue Physik gelernt."

Von Jürgen Brück (wst)