Erneuerbare Energien in Fernost: vom Winde verweht

Die Hightechnation Japan möchte gerne auch zur Ökogroßmacht werden. Doch trotz innovativer Forscher hinkt die Realität noch weit hinter den Visionen der Planer hinterher, wie die japanische Messe für erneuerbare Energien demonstriert.

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Von
  • Martin Kölling
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Erneuerbare Energien in Fernost: Vom Winde verweht (8 Bilder)

Die neuartigen Windmühlen des jungen Start-ups Loopwing sehen mit ihren loopingförmigen Flügeln aus wie eine Skulptur. Sie sollen damit nicht nur besser aussehen als die dreiarmigen Windmühlen, die in Deutschland in die Himmel ragen, sondern sich auch weitaus leiser drehen. Außerdem benötigen sie keine Anschubhilfe durch Motoren wie die herkömmlichen Windmühlen mit Propellern.

Auf der diesjährigen japanischen Leitmesse für erneuerbare Energien, die heute zuende geht, glänzt Deutschland vor allem mit Werbesprüchen. Auf dem gestrigen „Deutschen Tag“ warben Redner für Deutschland als Markt und vor allem als Investitionsstandort für japanische Umweltunternehmen. „Deutschland ist nicht nur attraktiv in der Herstellung von Strom durch Solar- oder Windparks, sondern auch für die Herstellung“, sagte David Wortmann, der in Nordostasien die Initiative „Invest in Germany“ vertritt. Umgekehrt ist es leider nicht so. Der deutsche Gemeinschaftsstand ist zwar einer der größten im Saal und auch das Bundesumweltministerium ist prominent platziert. Doch deutsche Hersteller von Windkraft-, Biogas- und Solaranlagen haben sich dieses Jahr nicht nach Japan verirrt.

Das liegt zum einen am diesjährigen Standkonzept, das sich nicht als Unternehmensrepräsentanz versteht. Doch zum anderen seien die Auftragsbücher der deutschen Umweltprofis voll mit Aufträgen aus anderen Ländern, meint Gotelind Alber, Beraterin für Energie- und Klimapolitik. Hingegen ist Japan – der Weltmarktführer in der Solarenergie und Vorreiter bei Brennstoffzellen – in der Nutzung von Wind und Biomasse zur Stromerzeugung ein Entwicklungsland. „Hier hinkt Japan 10 bis 15 Jahre hinter Europa hinterher“, urteilt Michael Zainer, der beim zum US-Konzern General Electrics gehörenden österreichischen Gasturbinenhersteller Jenbacher das ostasiatische Inselreich betreut.

In Japan ist der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 50 Prozent in den 1960er Jahren auf nur noch elf Prozent gesunken, während Deutschland ihn seit 1990 von 3,4 Prozent auf 11,4 Prozent im Jahr 2006 empor getrieben hat. Rechnet man die im gebirgigen und vulkanischen Japan vorherrschenden Wasserkraft- und Geothermalanlagen heraus, liegt der Anteil von Ökostrom sogar nur bei mageren zwei Prozent. In Deutschland waren es voriges Jahr sieben Prozent. Weltweit führend ist das Land der aufgehenden Sonne nur in der Solarenergie. Denn die Regierung hat diesen Industriezweig seit der Ölkrise 1973 durch mehrere Subventionsprogramme massiv gefördert.

Die Messe spiegelt die Situation deutlich wieder. Japans Solarzellgiganten Sharp, Sanyo, Kyocera, Mitsubishi Heavy und Electric, als Neuling der Autobauer Honda sowie Suntech aus China dominieren die Messe mit schicken Sonnenständen und den offenbar auf jeder japanischen Messe unvermeidlichen knapp kostümierten Standdamen. Der Markt ist sogar so heiß umkämpft, dass die Unternehmen tief in die Trickkiste des Marketings greifen, um ihre Produkte loszuwerden. Kyocera wirbt mit dem Motto „Stylish Module Samurai“. Die Autohersteller – inklusive BMW – wiederum stellen mit ihren Brennstoffzellen ein weiteres Highlight der Messe. Doch Windkraft, Biomasse und Erdwärme sind kaum vertreten, obwohl das Interesse an ihrer Förderung offiziell groß ist.

An mangelndem Einfallsreichtum der japanischen Forscher kann es nicht liegen, wie einige innovative Ideen zeigen:

  • Mehrere Hersteller stellen auf der Messe Mikro-Wasserkraftanlagen vor, die zum Beispiel Strom aus dem Wasser in Abflussrohren gewinnen. Die Firma Tepsco verspricht, bei einer Flussgeschwindigkeit von 0,05 bis 0,2 Metern pro Sekunde 10 bis 30 Kilowatt Leistung.
  • Das Forschungsinstitut der Bahngesellschaft JR East präsentiert ein Trittbrett zum Beispiel für U-Bahneingänge, das aus den Schritten der Passanten Energie gewinnt. Dafür sind unter der Trittfläche kleine piezoelektrische Schalter angebracht, die durch den Fußdruck der Passagiere Strom erzeugen.
  • Im Bereich Windkraft wirbt der Mittelständler Mecaro aus dem nordjapanischen Akita für eine Windkraftanlage, die nicht wie in Deutschland üblich aus drei Propellern, sondern fünf mit spiralförmigen Lamellen versehenen Röhren besteht. Das in Gemeinschaft mit mehreren Universitäten entwickelte Produkt heißt „Spiral Magnus“, weil es laut dem Hersteller auf den nach dem deutschen Wissenschaftler Heinrich Gustav Magnus benannten „Magnus-Effekt“ beruht. Demnach entwickelt ein in einer Strömung rotierender Körper eine Querkraft, durch die die Hersteller den Rotor mit seinem 11,5 Meter großen Durchmesser zum Kreiseln bringen. Anstatt wie ein Propeller durch ein lautes Wopp-wopp-wopp die Natur zu stören, soll der Spiral Magnus so leise wie ein Windhauch sein und dann noch bei einem Wind von sechs Metern pro Sekunde pro Jahr 30 Megawattstunden Strom generieren. Außerdem wurden die Spiralarme in grün gehalten, so dass sie in der Landschaft nicht so stark auffallen.
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  • Ein anderes Novum stellt der 2006 gegründete Hersteller Loopwing mit seinem Windgenerator aus drei loopingförmigen Rotorblättern vor. Auch dieses Modell soll weit leiser als die konventionellen Rotoren sein und gleichzeitig den Vorteil haben, dass es sich auch bei niedrigen Windgeschwindigkeiten von selbst zu drehen anfängt. Die in Europa gängigen Windmühlen müssen mit Motoren angeschoben werden und verbrauchen dabei natürlich Energie. Loopwings erstes Modell mit einem Durchmesser von rund 1,40 Metern wurde im seit der Einführung im vorigen Jahr zehn Mal für Parkbeleuchtungen verkauft. Ab nächstem Jahr sollen Windkraftanlagen mit einem Durchmesser von 2,8 Metern und später von 4,8 Metern auf den Markt kommen, sagt Vertriebsmanager Yohei Nakamura. Das große Modelle will er dann auch nach Europa exportieren.

Im Lande verpuffen solche Innovationen jedoch noch, weil die japanische Regierung bisher vorrangig auf die Förderung der Sonnenenergie für Privathaushalte und der Atomenergie für die großen Stromerzeuger gesetzt hat. Das Interessante: Während die langjährigen Subventionen für den Bau von Solaranlagen nicht verlängert wurden, nimmt der Ausbau von Atomanlagen in der „Neuen nationalen Energiestrategie“ von 2006 einen hohen Stellenwert ein. Der Anteil der Nukleartechnik an der Stromerzeugung soll bis 2030 von heute 30 auf 40 Prozent erhöht werden. Gleichzeitig sollen zwar auch Biomasse und Wind zur Stromerzeugung in ländlichen Regionen gefördert werden. Doch bisher wird das Ziel nicht durch eine attraktive Förderung unterstützt.

Vielmehr setzen Japans Ministerien immer noch auf das Konzept, nur den Aufbau von Anlagen zu subventionieren, nicht aber den Absatz von Ökostrom zu fördern. So werden die Stromkonzerne anders als in Deutschland nicht langfristig zur Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energieträgern zu hohen Tarifen gezwungen. Dieses System sei bisher am Widerstand der Stromriesen gescheitert, sagt ein Industrieinsider, der nicht genannt werden will. „In Japan sind die Konzerne zu stark.“

Biomasse ist das Paradebeispiel für das Versagen der japanischen Politik. Es gibt ein paar Anlagen, oft geliefert von deutschen Herstellern. „Aber Biomasse wird in Japan gar nicht zur Stromerzeugung genutzt, das ist sehr schade“, sagt Lothar Samerski, der am Stand des Bundesumweltministerium das von ihm mitinitiierte, weltweit einmalige Biogasprojekt der Abfallwirtschaft Böblingen in Japan vorstellt. In Böblingen wird erstmals mit einer Hochtemperatur-Brennstoffzelle Strom und Wärme aus den aus Biomasse hergestellten Gasen gewonnen. Bisher werden durch das Gas nur Hubkolbenmotoren betrieben. In Japan hingegen wird das Gas einfach zur Wärmegewinnung verbrannt, schaudert es Samerski. „Im Grunde haben wir eine moralische Verpflichtung, Abfälle effizient zu verwenden.“

Auch in Japan ist das Interesse an einer Verstromung des Gases groß, schon um den wirtschaftlich absinkenden ländlichen Regionen neue Einnahmequellen zu erschließen, weiß Beraterin Alber zu berichten. Das Bundesumweltministerium fördert sogar ein Projekt für den Erfahrungsaustausch über Klimaschutzinitiativen von Kommunen in Deutschland, den USA und Japan. Doch scheiterten Vorstöße der Kommunen, zu Stromerzeugern zu werden, bisher noch regelmäßig am Widerstand der Stromkonzerne und den unattraktiven Einspeisepreisen ins reguläre Stromnetz, sagt Michael Zainer vom Turbinenhersteller Jenbacher. Gasturbinen setzt Jenbacher seit mehr als einem Jahrzehnt schon erfolgreich in Japan ab. Aber für die spezialisierten Biogasturbinen gibt es bisher nur einen Abnehmer: Die Brauerei Kirin nutzt ihre Brauereiabfälle, um Gas zu erzeugen und in Jenbacher-Turbinen in Strom umzusetzen.

Hoffnung auf schnelle Besserung hat Zainer nicht. „In Japan wurde bisher immer mehr angekündigt, das mehr kommt. Aber es kommt nicht mehr. Biomasse wird nicht stärker werden, solange die Politik nicht mitspielt.“ Doch langsam zeichnet sich vielleicht ein Umdenken an, meint Asahi Hattori, Generalsekretär der Vereinigung zur Förderung der Erdwärme. „Ende dieses Jahres wird die Regierung beginnen, Erdwärmepumpen für Privathaushalte zu bezuschussen“, erzählt Hattori. Bei diesem Verfahren werden Rohre bis zu 100 Meter in die Erde gebohrt, um die dort gespeicherte Wärme aufzunehmen und über Wärmepumpen in warmes Wasser für Heizungen umzuwandeln. In Japan ist dieses Verfahren bisher kaum verbreitet, weil die Bohrkosten noch ungefähr doppelt so teuer wie in Europa seien, erklärt Hattori. Nur bei großen Erdwärmeanlagen liegt Japan mit einer installierten Leistung von rund 530 Megawatt weltweit auf Rang fünf.

Mehr Förderung könnte auch in anderen Bereichen kommen, mutmaßt Hattori. Denn Japan wird im Sommer 2008 den G-8-Gipfel abhalten und will sich dann als technologisch führender Klimaschützer präsentieren. Außerdem steht die Regierung unter Druck, ihre im Kioto-Protokoll versprochenen Reduktionsziele von Treibhausgasemissionen einzuhalten. Doch blamabler Weise droht das Land seine Emissionen gegenüber 1990 zu erhöhen, anstatt sie wie angekündigt bis 2012 um sechs Prozent zu senken. Dies könnte die lange verschleppten Diskussionsprozesse in den Amtsstuben über radikalere Fördermechanismen für erneuerbare Energieträger beschleunigen. (nbo)