Erster Blick auf Mac OS X 10.8

Das neue Betriebssystem mit Code-Namen "Mountain Lion" (Berglöwe) bringt weitere von iOS-Apps und der iCloud bekannte Funktionen und eine praktische Sicherheitsschleuse. Mac & i hat es ausprobiert.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Christoph Dernbach
  • Markus Stöbe
Inhaltsverzeichnis

Nutzer sollen künftig verhindern können, dass Anwendungen fragwürdiger Herkunft gestartet werden und möglicherweise Schadcode einschleppen. Der sogenannte GateKeeper läuft unsichtbar im Hintergrund und überwacht automatisch jeden Programmstart. Je nach Wunsch duldet er 1. nur Programme aus dem Mac App Store, 2. zusätzlich auch Programme von zertifizierten Entwicklern oder 3. alle Programme – also ohne Sicherheitsstufe, wie bisher üblich. Passt die eingestellte Sicherheitsstufe nicht, bietet der Finder an, das Programm zu löschen.

Mac OS X 10.8 (18 Bilder)

Mac OS X 10.8 hört auf den Codenamen "Mountain Lion".

Das nötige Zertifikat können Entwickler demnächst bei Apple anfordern, um damit ihre Anwendungen zu signieren, auch wenn sie diese nicht über den Mac App Store vertreiben wollen. Sollte sich eine Anwendung als Malware entpuppen, kann Apple das Zertifikat sperren und sämtliche damit verbundenen Apps auf einen Schlag aus dem Verkehr ziehen. Einen solchen "Kill Switch" pflegt der Hersteller auch im iOS App Store.

In Sachen iCloud-Anbindung zieht Mac OS X nun ebenfalls mit iOS gleich. Statt die Entwickler aufzufordern, jedes einzelne Programm für den Dienst "Documents in the Cloud" vorzubereiten, hat Apple den Öffnen- und den Speichern-Dialog umgebaut. Über einen Schalter am linken oberen Rand kann man nun zwischen der lokalen Festplatte und der iCloud umschalten.

Für Aufgabenlisten und Notizen gab es bisher einen Platz in iCal respektive Mail, OS X 10.8 bringt dafür eigene Anwendungen mit. "Reminders" und "Notes" orientieren sich im Look & Feel ebenfalls stark an den iOS-Pendants und bieten in etwa den gleichen Funktionsumfang wie diese. Per iCloud synchronisieren sie sich auch mit ihnen. Ortsbezogene Erinnerungen gibt es auf dem Desktop bislang nicht.

Sobald ein Airplay-Empfänger wie das Apple TV im gleichen Netz hängt, kann OS X 10.8 den Bildschirminhalt dorthin spiegeln.

Aus iChat wird Messages: neues Icon, neues Interface, Unterstützung von iMessages und Facetime.

iChat wurde erweitert, bekam eine neue Oberfläche sowie ein neues Icon verpasst und heißt jetzt "Messages". Der Instant-Messaging- und Chat-Client versteht sich neben den bisherigen Diensten wie AIM oder Jabber auch auf Video-Telefonate per Facetime sowie das Versenden und Empfangen von iMessages, etwa an iOS-Geräte. Bislang konnten die sich nur untereinander Nachrichten zuschicken. Die von iOS 5 bekannte Funktion, im Notfall auf SMS auszuweichen, fehlt Mac OS X 10.8 natürlich.

Nachrichten über anstehende Termine, Hinweise von OS X oder von anderen Programmen sammelt fortan die Mitteilungszentrale ("Notification Center"), die iOS-Nutzer ebenfalls schon kennen. Ein kleiner Punkt in der Menüleiste rechts oben weist durch eine Farbänderung auf neue Mitteilungen hin. Ein Klick darauf verschiebt den gesamten Bildschirminhalt ein Stück nach links und gibt den Blick auf die Liste frei. Auf Wunsch erscheinen solche Hinweise gar nicht mehr auf dem Bildschirm und wandern gleich in die Liste. Die Regeln darf der Anwender für jedes Programm einzeln bestimmen. Das ganze erinnert stark an Growl, eine Shareware-Erweiterung für OS X, die ähnliche Funktionen auch Nutzern älterer Systeme bietet. Apples Lösung geht dank der tiefen Integration aber noch darüber hinaus.

Die Mitteilungszentrale sammelt alle Benachrichtigungen, ob sie etwa von der Aufgaben-Liste, Mail, iCal oder OS X selbst stammen.

In der Mitteilungszentrale sollen auch Direktnachrichten und Erwähnungen von Twitter auftauchen, das funktionierte in der Developer Preview allerdings noch nicht. Den passenden Account gibt der Nutzer in den Systemeinstellung unter Mail, Contacts & Calendars zentral ein. Twitter ist ähnlich wie bei iOS 5 an vielen Stellen im System integriert. Man soll etwa von allen möglichen Apps aus Tweets absetzen können, ohne einen speziellen Client aufrufen zu müssen.

An vielen Stellen im System findet man "Teilen"-Knöpfe, mit denen man Inhalte via Mail oder Messages verschicken oder zu einem Online-Dienst wie Facebook oder Youtube hochladen kann.

Ein neuer Knopf erlaubt das Teilen von Inhalten auch via AirDrop, Messages, Mail, Flickr oder Vimeo von vielen Mountain-Lion-Apps aus. Die Funktion, die iOS-Nutzer ebenfalls schon kennen, taucht bereits in Safari, Preview, Photo Booth und QuickLook auf. Apple will Drittentwicklern ebenfalls die Möglichkeit geben, den Teilen-Knopf zu verwenden.

Mit Version 10.8 lernt nun auch OS X, den Mac-Bildschirminhalt samt Ton an einen Airplay-Empfänger – etwa das Apple TV – zu übertragen. Diese Funktion, praktisch etwa für Diashows, zum Präsentieren oder Spielen, beherrschten bislang nur das iPhone 4S und das iPad 2. Filmmaterial lässt sich mit einer Auflösung von bis zu 720p streamen, auf Wunsch rechnet der Mac es auf die native Auflösung des Fernsehers herunter. Alle Daten gelangen laut Apple verschlüsselt zum Empfänger, was Lauschangriffe etwa bei einer vertraulichen Präsentation erschwert. Bis zum Erscheinen der endgültigen Fassung soll auch iTunes das Airplay-Mirroring beherrschen.

Sobald ein Airplay-Empfänger wie das Apple TV im gleichen Netz hängt, kann OS X 10.8 den Bildschirminhalt dorthin spiegeln.

Auch das GameCenter, Apples Spielzentrale im Internet, schafft nun den Sprung auf den Desktop. Für Entwickler steht eine portierte Version des GameKit-Frameworks bereit, mit der sie ihre Spiele befähigen können, Online-Matches zu starten, Spielstände in der Cloud zu speichern, Gegner zu finden oder eine Sprachverbindung mit diesen aufzubauen – alles über die Plattform-Grenze hinweg. Denkbar ist auch, dass man künftig ein Spiel am Desktop beginnt und nahtlos auf einem iOS-Gerät fortsetzt. Spieleinladungen tauchen dann wiederum in der Mitteilungszentrale auf.

Das GameCenter landet auf dem Desktop und ermöglicht Multiplayer-Partien über Plattformgrenzen hinweg.

Obendrein gibt es an vielen Stellen kleinere Änderungen. Die Kalender-Anwendung iCal lernt beispielsweise für Tagestermine und Geburtstage eigene Alarmvoreinstellungen hinzu. Endlich lassen sich Wochennummern einblenden und Heatmaps (Terminübersichten, die grafisch auf Lücken und volle Tage hinweisen) in der Jahresansicht ausblenden. Zwei Neuerungen aus Lion macht Apple mit dem Update rückgängig: Die Kalenderliste erscheint künftig wieder in einer Seitenleiste und dort kann man auch die Mini-Monate wieder einblenden.

Apple sagt, bis zum Erscheinen des Berglöwen kann sich noch einiges ändern, auch der Funktionsumfang. Gut möglich, dass der Hersteller sich noch die eine oder andere Perle vorbehält, um den Wettbewerb nicht zum Nachahmen zu inspirieren.

Manches läuft noch nicht rund. Das GameCenter arbeitet vorerst nur in einer Testumgebung, etliche Systemprogramme bewegen sich noch außerhalb der Sandbox, was sich bis zum Erscheinen vermutlich ändern wird. Das Notification Center lässt sich hin und wieder nicht ausklappen und die in die iCloud verfrachteten Dokumente sind bislang weder auf iCloud.com noch in den korrespondierenden iOS-Apps zu sehen.Das ist aber kein Wunder, schliesslich handelt es sich noch um eine sehr frühe Version.

OS X 10.8 fühlt sich aber schon jetzt deutlich flüssiger und runder an als sein Vorgänger, den viele Nutzer als träge kritisieren. Die Developer Preview macht von kleineren Bugs etwa beim Bildschirm-Refresh abgesehen bereits einen stabilen Eindruck.

Noch ist der Berglöwe nicht fertig. So laufen beispielsweise viele Anwendungen noch außerhalb der Sandbox, die Mitteilungszentrale verweigert ab und an den Dienst und das Gamecenter läuft nur in einer Testumgebung.

Die Integration der iCloud ergibt Sinn. Apples kostenloser Internetdienst harmoniert auf dem Desktop von Mac OS X 10.7 nur mit dem Kalender, dem Adressbuch, dem Mail-Programm und iTunes. In 10.8 kommen wichtige Applikationen zur Synchronisation mit dem Internetdienst und den angebundenen iOS-Geräten hinzu, die viele Nutzer bislang vermissen.

Die Nachahmung von iOS-Apps auf dem Desktop, die bei Lion in ersten Anfängen zu sehen war, wirkt nun erwachsen. Es geht weniger um das Launchpad zum bequemeren Starten von Programmen und buntere Icons, sondern um den nahtlosen Übergang von einem Betriebssystem zum anderen, etwa beim Bearbeiten von Dokumenten, beim Spielen oder beim Anhören von Musik. Der Berglöwe verbindet Mac, iPhone, iPad und Apple TV viel direkter miteinander als zuvor.

Das scheint auch das Kalkül zu sein: Besitzern von iOS-Geräten zu zeigen, dass sie auch ihren Computer annähernd so einfach bedienen können – und dass sie möglicherweise am Mac besser aufgehoben sind als an einem PC mit Windows 8. Dem will Apple möglicherweise die Show stehlen; die finale Version des Berglöwen soll im Sommer erscheinen, also wohl noch vor Microsofts neuem System. Zum geplanten Verkaufspreis machte Apple bisher keine Angaben. Ausführliche Artikel zu Mac OS X 10.8 bringen c't 6/12 (ab 27. Februar am Kiosk) und Mac & i Heft 5 (Erstverkaufstag am 10. März).

Siehe dazu auch:

10.8, der Partyschreck – Eine Kolumne von Christoph Dernbach

(mst)