Facebook: Immer mehr Interna beschreiben verheerende Unternehmensführung

Seite 2: Harte Gegenwehr

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Die Veröffentlichungen sind nicht nur ein PR-GAU für Facebook, sondern gewähren einen Blick hinter die Kulissen, gegen den sich der Konzern bisher immer mit allen Mitteln gewehrt hat. Unter anderem hat er zwei Forschungsvorhaben blockiert, die sich mit dem Einfluss der Plattform auseinandergesetzt haben.

Im August sperrte Facebook alle Konten, Apps, Seiten und Zugänge, die mit dem Projekt AdObserver der New York University (NYU) zu tun hatten. Mit dem Projekt wollten Wissenschaftler herausfinden, wer wann welche politischen Anzeigen in dem sozialen Netzwerk sieht.

Facebook begründet die Blockade damit, dass im Rahmen des Projekts zu viele Daten abfließen würden, was gegen Facebooks Richtlinien verstoße. Das erscheint vorgeschoben, denn beim AdObserver-Projekt flossen keine Daten von Nutzern ab, die sich damit nicht explizit einverstanden erklärt haben: Das Projekt stützte sich auf die Freiwilligkeit der teilnehmenden Facebook-Nutzer, die für die Freigabe ihrer Daten eigens eine Browser-Erweiterung installieren mussten. Facebook behauptete auch, dass die Sperre Teil eines von der US-Handelsbehörde FTC auferlegten Datenschutzprogramms sei. Dafür wurde Mark Zuckerberg in einem offenen Brief der SEC gerüffelt: Tatsächlich sei das AdObserver-Projekt ganz im Sinne des Datenschutzprogramms.

Die deutsche Organisation AlgorithmWatch musste ein ähnliches Projekt auf Facebooks Plattform Instagram beenden. AlgorithmWatch wollte untersuchen, wie der Algorithmus von Instagram Bilder und Videos priorisiert. Nachdem Facebook im August 2021 "formelle Schritte" angedroht hatte, hat AlgorithmWatch sein Projekt beendet.

Haugen forderte bei ihrer Anhörung vor dem US-Parlament mehr Transparenz von Facebook: "Facebooks Verhaltensmuster ist Verstecken hinter Mauern und Agieren im Schatten. Und sie haben viel zu viel Macht in unserer Gesellschaft, um in dieser Weise operieren zu dürfen", mahnte sie. Verantwortlich sei Mark Zuckerberg, als CEO, Vorsitzender des Verwaltungsrates und Eigentümer von etwa 55 Prozent aller Stimmrechte.

Haugen hält Facebooks Probleme für lösbar. "Ein sichereres, angenehmeres soziales Netzwerk, das die freie Rede respektiert, ist möglich." Die Auswahl der Inhalte auf Basis der Interaktionen müsse enden. Besser sei ein umgekehrt chronologischer Feed, bei dem die Nutzer selbst entscheiden, wem sie folgen und wessen Postings sie sehen möchten, mit moderatem Spamfilter.

Auf der Entwickler-Hauskonferenz Connect stellte Mark Zuckerberg den neuen Konzernnamen vor.

Andere Ideen gehen in eine ähnliche Richtung, wenngleich nicht ganz so weit. So schlägt Casey Newton, der den einflussreichen Social-Media-Newsletter The Platformer herausgibt, vor, dass Facebook seine Ergebnisse routinemäßig veröffentlichen und seine Daten überprüfen lassen sollte. Das würde es qualifizierten Forschern erheblich erleichtern, die Plattform unabhängig zu untersuchen.

Mark Zuckerberg selbst fordert mehr Regulierung für sein Unternehmen. Soziale Probleme anzugehen sei nicht allein Sache von Privatunternehmen, schrieb der Facebook-Chef in einem Post. Deshalb habe er wiederholt von der Politik neue Regeln für den Umgang mit politischen Wahlen, schädlichen Inhalten, Datenschutz und Wettbewerb gefordert.

Es sieht ganz so aus, als würde sein Wunsch in der Europäischen Union bald erfüllt. Die EU arbeitet derzeit an zwei Vorhaben, mit denen sie große Internetkonzerne stärker an die Leine legen will: den Digital Markets Act und den Digital Services Act. Eigentlich wollte der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments über die Entwürfe am 8. November abstimmen. Das wurde vertagt: Man hat Frances Haugen eingeladen, um zu hören, was sie zu sagen hat.

Der Facebook-Konzern will derweil nicht mehr Facebook heißen, sondern benennt sich zu Meta um. Die Marke Facebook sei ikonisch, sagte Mark Zuckerberg anlässlich der Entwickler-Hauskonferenz Connect. Sie stünde aber nicht mehr für alles, was Facebook mache. Das Unternehmen baut am sogenannten Metaversum, einem kollektiven Raum, in dem die reale und virtuelle Welt verschmelzen. Die neue Dachmarke Meta soll die "alten" Apps und den neuen Geschäftszweig vereinen. Zuckerbergs Keynote endete mit den Worten: "Die Zukunft liegt jenseits dessen, was wir uns vorstellen können." Angesichts der Enthüllungen klingt das wie eine Drohung. (jo)