Gen-Schere CRISPR soll das Cholesterin senken

Bei einem ersten Freiwilligen aus Neuseeland haben Ärzte per CRISPR die Cholesterinproduktion gebremst. Ein dauerhafter Schutz vor Herzinfarkten?

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Forschende bei Verve Therapeutics entwickeln die erste CRISPR-Behandlung gegen eine Volkskrankheit.

(Bild: Verve Therapeutics)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Antonio Regalado

Das US-Biotech-Unternehmen Verve Therapeutics hat in einem ersten klinischen Versuch einem Patienten das Gen-Editierungswerkzeug CRISPR injiziert, um einen einzigen Buchstaben seiner DNA in den Leberzellen umzuschreiben. Diese winzige Änderung soll bewirken, dass seine Leber weniger "schlechtes" LDL-Cholesterin bildet – das Fettmolekül, das Arterien mit der Zeit verstopft und verhärtet und die Hauptursache für Herzinfarkte ist. Das berichtet die neue Ausgabe von MIT Technology Review.

Dieser neuseeländische Patient hat allerdings nicht etwa eine besondere Vorliebe für Frittiertes und andere Cholesterinbomben, sondern trägt den besonders hohen Cholesterinspiegel in den Genen. Durch diese Erblast litt er bereits an einer cholesterinbedingten Herzerkrankung.

"Wenn das funktioniert und sicher ist, ist das die Antwort auf den Herzinfarkt – das ist die Heilung", sagt Sekar Kathiresan. Der Genforscher hat Verve vor drei Jahren gegründet und ist der Geschäftsführer des Unternehmens. Seiner Ansicht nach könnte die gleiche Technik nicht nur bei genetisch vorbelasteten Patienten, sondern bei Millionen von Menschen eingesetzt werden, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen.

Seit Wissenschaftler CRISPR vor zehn Jahren entwickelt haben, ist die Gen-Editierungsmethode nur bei Menschen mit seltenen Krankheiten wie Sichelzellenanämie und nur im Rahmen von Sondierungsversuchen getestet worden. Verläuft die Studie von Verve gut, könnte das der erste Schritt sein, Gen-Editing in weitaus größerem Umfang zur Vorbeugung von Volkskrankheiten einzusetzen. Denn weltweit sterben mehr Menschen an atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen als an allen anderen Krankheiten. Große Teile der Weltbevölkerung haben einen zu hohen LDL-Wert und viele Menschen bekommen ihn nicht in den Griff.

Dieser Text stammt aus: MIT Technology Review 6/2022

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Der strenge Verzicht auf Eier, Fleisch und sogar Olivenöl könne helfen, meinen Experten. Aber nur wenigen Menschen gelingt es, sich langfristig an eine strenge Diät zu halten. Dann kommen pharmakologische Lipidsenker ins Spiel – häufig sogenannte Statine. Diese Medikamente können zwar den LDL-Wert eines Menschen bis um die Hälfte senken, haben aber teilweise starke Nebenwirkungen. Zudem ist es für manche Patienten sogar schwierig, an die tägliche Tablette zu denken.

Das Gen, das Verve bearbeitet, heißt PCSK9. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung des LDL-Spiegels. Das Unternehmen sagt, dass die Behandlung das Gen ausschaltet, indem sie einen Fehler in das Gen einbaut: Im Gegensatz zur ursprünglichen CRISPR-Technik, bei der ein Gen geschnitten wird, wird bei dem von Verve eingesetzten Base Editing ein einzelner Buchstabe der DNA durch einen anderen ersetzt. Durch diesen Buchstabenfehler ist das Gen wirkungslos.

Gen-Editiermethoden - eine kleiner Einblick (6 Bilder)

Das System aus CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) und der Cas9-Nuklease haben die Molekularbiologinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier 2012 entdeckt. Dank seiner einfachen Handhabe und geringer Kosten erlebt die Gentherapie derzeit ein Revival.
(Bild: Text: Inge Wünnenberg; Grafik: Brian Sipple)

Die wenigen Gentherapien, die bisher auf dem Markt sind, kosten alle mindestens Hunderttausende von Dollar. Die Technologie von Verve verspricht jedoch, diese Preise zu senken. Denn während bei anderen Gentherapien speziell präparierte Viren für die Übertragung der Gene verwendet werden müssen, braucht Verve lediglich Nanopartikel. Und die lassen sich inzwischen leicht skalierbar in einem etablierten chemischen Prozess herstellen.

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(jle)