Green IT: Abwärme aus Rechenzentren für Heizungen nutzen

Seite 3: Kühlung

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Auf der Ebene des einzelnen Servers ist es aufwendig, sämtliche Wärmequellen an den Kühlkreislauf anzubinden. Mit einem Tausch der Prozessorkühler ist es nicht getan: Die Prozessoren sind zwar (außer etwaigen Rechenbeschleunigern) meistens die stärksten Hitzequellen, aber bei Weitem nicht die einzigen. Auch Mainboard-Chipsatz, RAM-Riegel, SSDs, Festplatten, Hostadapter sowie die Spannungswandler auf dem Mainboard und in den Netzteilen benötigen Kühlung.

Man muss also entweder mit einer Kombination aus Wasser- und Luftkühlung leben und kann nur einen Teil der Abwärme leicht weiternutzen oder man baut aufwendige Kühlsysteme ein, die alle wichtigen Bauteile berühren. Das wiederum kostet zusätzliches Geld, bringt höheres Gewicht mit sich und steigert den Wartungsaufwand, weil man an manche Bauteile schlechter herankommt. Das Gewicht ist kritisch, weil Serverschränke insgesamt nicht zu schwer sein dürfen, wenn sie auf einer Doppelbodenkonstruktion stehen.

Die aufwendigen Klempnereien im Lenovo ThinkSystem SD650 zeigen, dass sich Wasserkühlung nicht bei jedem beliebigen Server leicht nachrüsten lässt.

(Bild: Lenovo)

Eine Alternative zur Ausrüstung jedes einzelnen Servers mit Flüssigkeitskühlern ist die Immersionskühlung, bei der man den ganzen Server oder komplette Racks in ein elektrisch nichtleitendes Kühlmittel eintaucht. Auch diese Technik kommt seit Jahren zum Einsatz, etwa mit Mineralöl oder inerten Spezialflüssigkeiten. Der Einsatz von Hunderten Litern Öl verlangt aber starken Schutz vor Bränden und Lecks; Spezialflüssigkeiten sind teuer und manche haben hohes Treibhauspotenzial.

Solche Probleme lassen sich zwar lösen, aber das lohnt sich nicht für jeden Anwendungsfall. Colocation-Rechenzentren sind etwa darauf ausgelegt, dass fremde Kunden darin ihre jeweils eigene Hardware betreiben. Das Geschäftsmodell zielt also darauf ab, eine wilde Mischung von Servern, Speichersystemen und Netzwerktechnik verschiedener Hersteller und Fertigungsgenerationen unter einem Dach zu betreiben. Das macht eine Umrüstung auf direkte Flüssigkühlung sehr schwierig.

Mehr als die Hälfte aller Serverprozessoren wird an Cloudrechenzentren verkauft, dort fällt also weltweit wohl auch der größte Teil der Abwärme aus Servern an. Viele der gewaltigen Hyperscale-Rechenzentren der Cloudgiganten Google, Amazon, Microsoft, Apple und Facebook sind auf möglichst billige "Freikühlung" mit Luft ausgelegt, möglichst ohne Kältemaschinen oder Wasserpumpen. Deshalb packt man die Maschinen weniger dicht und nimmt eine größere Fläche in Kauf. Das ist genau das Gegenteil dessen, worauf direkte Wasserkühlung für möglichst hohe Kühlmitteltemperaturen abzielt.

"Die Angst vor Wasser im Rechenzentrum ist groß, obwohl die Gefahr einer Leckage extrem gering ist", sagt Cloud&Heat-Gründer Jens Struckmeier.

(Bild: Cloud&Heat)

Auch Jens Struckmeier, der Technikchef von Cloud&Heat, sieht noch Herausforderungen. Momentan seien wassergekühlte Server noch etwas teurer als luftgekühlte, was vor allem an den geringeren Stückzahlen liege. Außerdem sei die Technik noch nicht ausreichend normiert, zum Beispiel gebe es noch keinen allgemein akzeptierten Standard für den Wasseranschluss am Serverrack. Aber auch die Psychologie spiele eine wichtige Rolle: "Die Angst vor Wasser im Rechenzentrum ist groß, obwohl die Gefahr einer Leckage extrem gering ist", sagt Struckmeier im Gespräch mit c’t.

Dennoch registriert Struckmeier einen Trend zur Wasserkühlung. Universitäten und Forschungseinrichtungen setzten stärker auf die Technik, und immer mehr Hersteller böten wassergekühlte Server ab Werk an. Einige Rechenbeschleuniger für Supercomputer verheizen mehr als 400 Watt auf wenigen Quadratzentimetern Fläche, sodass nur noch eine Wasserkühlung sinnvoll funktioniert.

Bela Waldhauser, Deutschlandchef des Colocation-Anbieters Telehouse, sieht Wasserkühlung ebenfalls als "die Technik der Zukunft". Aktuell verlange zwar noch keiner seiner Kunden die Technik. Doch die Vorteile in puncto Effizienz und Abwärmenutzung seien "eklatant". In künftige Fernwärmenetze, die mit relativ niedrigen Temperaturen arbeiten, könne man das 50 bis 60 Grad Celsius heiße Wasser aus den Rechenzentren direkt einspeisen.

Aus Sicht des Umweltbundesamts ist wichtig, dass Rechenzentren effizienter mit Energie umgehen. Dabei könne Wasserkühlung helfen, sagt Marina Köhn, Green-IT-Expertin der Behörde. Hinzu käme der Vorteil der leichteren Abwärmenutzung. Köhn bringt deshalb eine staatliche Förderung ins Spiel, die "klimafreundliche Flüssigkühlung" bei der Markteinführung und -verbreitung unterstützt.