Hightech-Metalle aus dem Müll

Inhaltsverzeichnis

Elwert treibt dabei noch ein weiteres Problem um: Im Forschungsprojekt ist es besonders schwer, an Magnetschrott zu kommen. Bisher müssen Mechaniker die Magnete von Hand aus Hybrid- und Elektrofahrzeugen ausbauen, denn automatisch demontieren lässt sich das Getriebe nicht. "Sobald man beim Recycling Hand anlegen muss, haben wir in einem Hochlohnland wie Deutschland ein Problem", urteilt Elwert und fordert: "In den nächsten Jahren müssen Fahrzeuge recyclinggerecht designt werden." Ideal wäre es ihm zufolge, müsste ein Industrieroboter nur vier Schrauben lösen. Daimler arbeitet im Projekt an diesem Part. In sieben bis zehn Jahren, wenn unter den Altautos mehr und mehr Hybrid- und erste Elektrofahrzeuge sein werden, soll das Recyclingverfahren der Forscher reif sein für den industriellen Einsatz.

Ein mittelständischer Abfallbetrieb, Loser Chemie aus dem sächsischen Hainichen, hat es ebenfalls auf die Magnete abgesehen, allerdings auf die kleineren Modelle in Servomotoren, Anlassern und Lautsprechern. Vor Kurzem hat das Unternehmen eine Pilotanlage in Betrieb genommen, die pro Tag zwei bis drei Kilogramm Magnete verarbeitet. Entwicklungsmanager Wolfram Palitzsch zufolge werden die Magnete dafür vollständig in Säure aufgelöst und daraus verschiedene Chemikalien erzeugt, die sich gewinnbringend vermarkten lassen: Eisenchlorid, Neodymoxid und Borsäure zum Beispiel. "Wir streben eine hundertprozentige Verwertung an, bei der wir alles verkaufen und keine neuen Abfälle erzeugen", sagt Palitzsch. Die Industrie würde ihn mit ausreichend Magnetabfällen beliefern. Und obwohl Loser Chemie noch zeigen muss, dass der Recyclingprozess auch im Industriemaßstab funktioniert, hat das Verfahren bereits das Interesse von Investoren geweckt.

Neben den Magneten bergen auch Batterien und Akkus reichlich seltene Erden. Nickel-Metallhydrid-Zellen bestehen sogar zu sechs bis zehn Prozent daraus. Schon heute werden sie gesondert gesammelt. Jedes Jahr landen etliche Tausend Tonnen in speziellen Hochöfen, etwa bei Umicore in Hoboken oder bei Citroën im französischen Rogerville. Bei über tausend Grad Celsius schmelzen diese Betriebe die Hauptbestandteile Nickel und Eisen heraus. Die seltenen Erden – Lanthan, Cer, Praseodym und Neodym – blieben bisher ungenutzt in der Schlacke zurück. Hier kommt nun das französische Recycling-Unternehmen Rhodia ins Spiel: Seit wenigen Monaten nimmt es in der westfranzösischen Hafenstadt La Rochelle die Schlacke laut Technologiemanager Alain Rollat im niedrigen Tonnenbereich ab und gewinnt die seltenen Erden daraus zurück. "Nächstes Jahr werden es bereits einige Hundert Tonnen Batterieschlacke sein, die wir verarbeiten", kündigt Rollat an.

Weil ihre Bestandteile sich chemisch sehr ähneln, lassen sich Gemische aus seltenen Erden nur in einem aufwendigen Verfahren auftrennen: der sogenannten Solventextraktion. Sie beruht vereinfacht gesagt darauf, dass sich die verschiedenen Metalle unterschiedlich gut in einer Säure auflösen. In meterlangen Kolonnen aus Tanks fließen die gelösten seltenen Erden der phosphorsauren Flüssigkeit entgegen. "Um neun verschiedene seltene Erden voneinander zu trennen, brauchen wir acht solcher Kolonnen", erklärt Rollat. Denn in jeder Tankkolonne wird nur eine Gruppe von seltenen Erden – mit der jeweils passenden Säurekonzentration – von den anderen getrennt. Ein extrem aufwendiges Verfahren, das viel Energie und vor allem Chemikalien benötigt. Die Lösungsmittel werden aber in dem geschlossenen System komplett recycelt, sagt Rollat.

Diese Technik basiert auf einem Verfahren, das beim Herauslösen der seltenen Erden aus Erzen eingesetzt wird. Rhodia hat es an die verschiedenen Abfallarten angepasst, will aber genauere Details der patentierten Neuerungen nicht verraten. Damit verfügt das Unternehmen als einziges in Europa über das erforderliche Know-how.

Denn um die Kosten niedrig zu halten, haben amerikanische und europäische Erzeuger von seltenen Erden in den vergangenen Jahren weite Teile der Verarbeitung nach China verlagert. Dort befinden sich ohnehin die meisten Bergwerke. Auch Rhodia versetzte seit der Jahrtausendwende fast alle seine Anlagen nach Asien. Zum Glück blieben aber vier der achtzehn Kolonnen in Frankreich in Betrieb. Mit dem Know-how-Vorteil will das Unternehmen nun ein gigantisches Recyclingprogramm aufbauen: 15 Millionen Euro flossen bereits, weitere Millionen sollen folgen.

Allein 2012 wurden fünf stillgelegte Tankkolonnen reaktiviert und umgerüstet. 2013 sollen alle achtzehn Anlagen wieder in Betrieb sein, die einst mit Konzentraten aus Erzen beschickt wurden. Nun sollen sie in erster Linie mit seltenen Erden aus Abfällen gespeist werden. "In vier Jahren werden die bestehenden Kapazitäten wahrscheinlich nicht mehr ausreichen. Dann werden wir neue Anlagen errichten", verkündet Rollat. Bis zu einem Drittel der seltenen Erden werde künftig aus Müll stammen, betont der Technologiemanager.

Jede erdenkliche Müllhalde zapft Rhodia dafür an. Eigene Abfälle, die an den Fabrikstandorten lagern, werden aufgearbeitet und die letzten seltenen Erden herausgelaugt. 2010 öffneten Arbeiter für Tests ihre erste Deponie mit 24000 Tonnen Abfall. Ein kostbarer Schatz, da allein darin 6000 Tonnen seltene Erden stecken. Das war aber nur der Anfang. Inzwischen nimmt Rhodia auch Produktionsabfälle der Kunden zurück, seit Oktober 2011 etwa von der Porzellan- und Emailleindustrie, die seltene Erden zum Polieren und zum Färben der Keramiken verwendet. Seit 2012 trifft auch Magnetschrott aus der Industrie ein. Überdies hat Rhodia die Abfälle der Verbraucher im Visier und den Lampenschrott für sich entdeckt.