Influencer in China: Plattformen lassen KI-Kurse verschwinden

Nicht unbedingt ein Scam, aber durch falsche Versprechungen für Peking problematisch: Im chinesischen Internet braut sich ein Konflikt um KI zusammen.

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Frau mit Smartphone in China

(Bild: Shutterstock / Krakenimages.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Zeyi Yang

2023 gelang es einigen bekannten chinesischen Influencern, Millionen mit dem Verkauf von kurzen Videokursen zum Thema KI zu verdienen. Dabei profitierten sie von den Ängsten vieler Menschen, die nicht verstehen, welche Auswirkungen die neue Technologie auf ihr Leben haben könnte. Doch mittlerweile wenden sich die Plattformen, auf denen die Influencer so erfolgreich waren, gegen diese: Erst vor wenigen Wochen haben WeChat und Douyin, die chinesische Version von TikTok, damit begonnen, Konten zu sperren, Inhalte zu entfernen oder deren Verbreitung zu beschränken. Offenbar versuchen die Social-Media-Anbieter auf Geheiß der Regierung in Peking, Schäden von ihren Nutzern abzuwenden, obwohl dort lange mit den Ängsten der Menschen Traffic und Profit gemacht werden konnte. Was steckt dahinter?

Der Stimmungswandel kam, als im Februar Studenten damit begannen, sich im Netz über die Oberflächlichkeit der Influencer-KI-Kurse zu beschweren. So hieß es, sie blieben weit hinter den Bildungsversprechen zurück."Ich habe 198 Yuan [25,33 Euro] bezahlt – und die ersten drei Kurse enthielten keinen wirklichen Inhalt. Es geht nur darum, die Leute dazu zu bringen, weitere 1980 Yuan [253 Euro] für den nächsten Kurs zu bezahlen", schrieb etwa die Nutzerin Bessie auf der Social-Media-Website Xiaohongshu. Die KI-Kurse wurden von Li Yizhou entwickelt, einem Serienunternehmer, der zum Mentor für Start-ups wurde. Obwohl er wenig Erfahrung mit künstlicher Intelligenz hatte, begann er nach der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 damit, Nutzern KI zu erklären – und gleichzeitig auch Ängste zu schüren.

Li verkaufte sein Kurspaket für Einsteiger für besagte 198 Yuan und verlangt für Fortgeschrittene den zehnfachen Preis. Das günstigere Angebot enthielt 40 Lektionsvideos, von denen die meisten etwa 10 Minuten lang waren. Lis Kurs besteht aus Tutorials zu bestimmten generativen KI-Tools, Gesprächen mit Führungskräften chinesischer KI-Unternehmen und Einführungen in damit eigentlich nicht verwandte Themen wie z. B. das Zeitmanagement.

Seine KI-Kurse waren ein großer kommerzieller Erfolg. Laut der Social-Media-Datenanalysefirma Feigua wurden sie im vergangenen Jahr über 250.000 Mal verkauft, was zu einem Umsatz von über 5,5 Millionen Euro geführt haben könnte. Li ist nicht der einzige Influencer, der hier eine Geschäftsmöglichkeit sah. Schnelle Lösungen sollen die Angst vor KI nehmen. Ein anderer Netzpromi ist "Teacher He", ein Influencer mit über 7 Millionen Followern, der bis vor kurzem vor allem über Marketing und persönliche Finanzen sprach. Zhang Shitong, dem ebenfalls Millionen folgen und dessen Videos üblicherweise grundlegende Wirtschaftskenntnisse mit Verschwörungstheorien kombinieren, mischte ebenfalls mit. Alle Influencer boten ihre KI-Lektionen für Anfänger zu einem ähnlichen Preis wie Li an.

Zusätzlich zu den Beschwerden über die Qualität berichteten die Kurskäufer davon, dass es schwierig war, Rückerstattungen bei Nichtgefallen zu erhalten. Bessie schrieb gegenüber MIT Technology Review, dass sie vergleichsweise schnell ihr Geld wieder sah, weil sie früh storniert hatte. Anderen, die mehr als eine Woche nach dem Kauf eine Rückerstattung beantragten, wurde diese verweigert. Eine in Peking ansässige KI-Community-Website beschuldigt Li unterdessen, sich ihre kostenlosen, von Nutzern erstellten Vorlagen angeeignet zu haben und sie als Teil seines Kursangebots gewinnbringend zu nutzen.

Ende Februar begannen die großen Social-Media-Plattformen, auf denen die Videokurse angeboten wurden, auf die Beschwerden zu reagieren. Alle Kurse von Li und anderen "KI-Gurus" wurden inzwischen entfernt, auch von E-Commerce-Websites. Li hat seit seinem Rauswurf Ende Februar auf keinem seiner Social-Media-Kanäle etwas veröffentlicht. Auch andere Influencer wie "Teacher He" und Zhang Shitong hüllen sich in Schweigen.

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Li und "Teacher He" reagierten nicht auf Nachfragen. Ein Kundendienstmitarbeiter, der für Zhang Shitong arbeitet, sagte, dass sein Team alle Rückerstattungsanträge innerhalb von 12 Stunden bearbeitet und es die eigene Entscheidung des Teams gewesen sei, in den letzten drei Wochen nichts Neues zu veröffentlichen. Auf Douyin ist Lis Konto, das früher über 3 Millionen Follower hatte, nun sogar aus den Suchergebnissen ausgeblendet.

WeChat Channels, eine weitere beliebte Plattform für Kurzvideos, sperrte in der letzten Februarwoche Li und anderen ähnlichen Kursanbietern den Zugang zu neuen Followern. Andere kleinere Plattformen haben ebenfalls Maßnahmen ergriffen. Zhishi Xingqiu, eine Patreon-ähnliche Website, die von vielen Influencern genutzt wurde, um Zugang zu KI-fokussierten Angeboten zu verkaufen, sperrte die Suche nach Schlüsselwörtern wie "KI", "Li Yizhou" oder "Sora" (OpenAIs Videogenerator).

Keine der Plattformen hat jedoch bislang mitgeteilt, gegen welche Regeln die Influencer verstoßen haben. Auch wenn sie mit ihrem Marketing vielleicht etwas viel versprochen haben, ist schwer zu sagen, ob ihre Aktivitäten wirklich als Betrug einzustufen sind. Douyin und WeChat lehnten eine Stellungnahme zu ihrer Entscheidung ab. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die Beschränkungen wieder rückgängig gemacht werden könnten.

Während chinesische Social-Media-Plattformen die Konten von Nutzern, von denen sie glauben, dass sie gegen die Regeln verstoßen, häufig dauerhaft löschen, haben die KI-Kursersteller ihre Konten auf allen Plattformen bislang behalten. Auf WeChat wurden die Konten Mitte März wieder freigeschaltet, nachdem sie etwa zwei Wochen lang für den Erhalt neuer Follower gesperrt waren. Auf Douyin wurde das Konto von Li aus den Suchergebnissen der App ausgeblendet, aber seine früheren Videos können immer noch gefunden werden, wenn man direkt auf seine Profilseite geht.

Bislang hat die chinesische Regierung keine direkten Angaben zu den Vorfällen gemacht oder auch nur eine offizielle Stellungnahme abgegeben. Die Regierung hatte aber zuletzt die Livestreaming-Branche stark reguliert. Es wurde zensiert, wie Influencer agieren oder posten können. Die Plattformen verschärften ihre Regeln – und zwar oft sogar im vorauseilenden Gehorsam, um zu zeigen, dass sie ihren Teil zur Regulierung beitragen.

Auch wenn die Urheber ihre KI-Kurse aus dem Internet entfernt haben, gibt es immer noch viele Chinesen, die auf diese Lektionen zugreifen möchten. In den sozialen Medien verkaufen nun einige Leute raubkopierte Videos von Lis Kursen über File-Sharing weiter, wahrscheinlich ohne Lis Erlaubnis. Man kann das gesamte Kurspaket für ein paar Yuan erhalten.

(jle)