Kohleabbau: Revierkämpfe

Seite 2: Strompreise werden stark steigen

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Strom aus Braunkohle ist mit derzeit etwa zwei Cent pro Kilowattstunde konkurrenzlos günstig – aber nur, weil die Kraftwerke abgeschrieben sind und billige CO2-Zertifikate genutzt werden. Die Umweltkosten der Stromerzeugung, also der volkswirtschaftliche Schaden durch Schadstoffe und Treibhausgase, betragen laut Umweltbundesamt knapp 11 Cent pro Kilowattstunde (kWh) bei Braunkohle und knapp 9 Cent bei Steinkohle. Wenn man sie mit einrechnet, wirken Sonne mit aktuellen Stromgestehungskosten in Deutschland zwischen 3,7 und 6,8 Cent und Wind mit 4 bis 8,2 Cent rasch unschlagbar.

In den aktuellen CO2-Preisen aber sind die Folgekosten nur zu einem geringen Teil berücksichtigt, sodass weniger Kohle tatsächlich auf höhere Preise hinauslaufen könnte. "Bis 2025 halte ich einen deutlichen Strompreisanstieg um mehrere Cent pro Kilowattstunde für möglich", sagt RWI-Forscher Frondel mit Blick auf einen schnellen Kohleausstieg. Ähnlich sagt eine Studie des Beratungsunternehmens Frontier Economic, beauftragt vom Kohlegiganten RWE, etwa 15 Prozent höhere Börsenstrompreise voraus, wenn bis 2030 mehr als die Hälfte der Kohlekraftwerke vom Netz gehen.

Dem widerspricht Agora Energiewende mit einer eigenen Studie: Selbst bei zwei Drittel weniger Kohlestrom bis 2030 würden die Strompreise kaum ansteigen. Weniger Kohle und mehr Gas führe zwar zu einer Erhöhung der Börsenstrompreise um durchschnittlich 0,4 Cent je Kilowattstunde. Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Ausbau der erneuerbaren Energien drücke jedoch den mittleren Börsenstrompreis umgekehrt um 0,8 Cent, weil neu errichtete Wind- und Solarkraftwerke billigeren Strom liefern als die höher subventionierten älteren. Denn Kohlestrom wäre mit CO2-Preisen von 20 Euro oder mehr pro Tonne deutlich teurer als heute (und könnte dann den Strompreis sogar eher in die Höhe treiben als die erneuerbaren Energien). Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sieht bei einem kompletten und schnellen Kohleausstieg nur leicht höhere Preissteigerungen als bei einem langsameren Ausstieg.

"Wenn wir aus der Kohle aussteigen, ist russisches Erdgas gefragt", sagt RWI-Energieökonom Frondel. Lieferengpässe fürchtet er trotzdem nicht. Denn zum einen sind deutsche Unternehmen an den für den Import verantwortlichen Firmen wie der Nord Stream AG beteiligt. Zum anderen ist die finanzielle Abhängigkeit Russlands von Erdgasexporten groß. Zumindest für das kommende Jahrzehnt lässt sich der Be- darf decken, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden.

Und danach? Eine Möglichkeit ist der Import von verflüssig-tem Erdgas (LNG), etwa aus Katar oder den USA – wenn die nötigen Terminals fertig sind. Als Standort ins Auge gefasst ist beispielsweise Brunsbüttel an der Elbe. Der Ausbau wird allerdings noch viele Jahre dauern. "Aus meiner Sicht könnte LNG frühestens in etwa eineinhalb Jahrzehnten relevant werden", sagt Frondel.

Ebenso wahrscheinlich ist daher die zweite Möglichkeit: Gas in Deutschland per Elektrolyse selbst herzustellen. Als Energiequelle dient dann Strom aus erneuerbaren Energien, der nicht direkt benötigt wird. Sowohl Kemfert als auch Quaschning empfehlen, mit dem Aufbau dieser Infrastruktur schon jetzt zu beginnen. "Sonst haben wir in 10 bis 15 Jahren die gleiche Ausstiegsdiskussion wie heute bei der Kohle", sagt Quaschning.

(bsc)