Linux wird 30: Erfolgsfaktoren damals und heute

Seite 2: Tricksereien scheitern

Inhaltsverzeichnis

Dieser Vorteil zeigt sich insbesondere im Vergleich zu liberal lizenzierter Software, wie sie dieser Tage gerade bei Großprojekten wie Kubernetes oder OpenStack en vouge ist. Auch BSD-Derivate sind so lizenziert. Firmen können daher dort ihre Anpassungen unter Verschluss halten und ein Aufgreifen durch andere verhindern, wie es die GPLv2 ermöglicht. Sie schafft so einen Rahmen, durch den beispielsweise die auf Googles Android basierenden Smartphone-Betriebsysteme LineageOS und dessen Vorläufer CyanogenMod entstehen konnten.

Natürlich haben einigen Firmen versucht, die Anforderungen der Lizenz zu umgehen. Gerade nach der Jahrtausendwende wurden einige von ihnen vor den Kadi gezerrt. Die meisten mussten am Ende klein beigeben. Dadurch sind große Ökosysteme entstanden, in denen mittlerweile einiges an Geld fließt. Ein Paradebeispiel dafür: Das Linux-basierte Router-Betriebssystem OpenWRT.

Die vielen Helferinnen und Helfer und der auf ihrer Mitarbeit fußende Erfolg sind aber nur zum Teil der Lizenz zu verdanken. Denn viele Firmen, denen diese anfangs ein Dorn im Auge war, beginnen irgendwann, sich immer mehr in die Kernel-Entwicklung einzubringen. Oft erfolgt dieser Wandel, weil die Firmen sich so die Codepflege erheblich erleichtern. Denn externe Kernel-Modifikationen ständig an neue Linux-Versionen anpassen zu müssen ist aufwendig und dröge. Außerdem bringt eine saubere Integration in Torvalds' Kernel und die Zusammenarbeit mit anderen früher oder später oft komplexere, zuvor unerreichbar scheinende Ziele in Reichweite. Viele Firmen fangen daher sogar an, an anderen Stellen des Kernels mitzuschrauben, selbst wenn sie davon nur indirekt profitieren.

Das Entwicklungsmodell von Linux zwingt Konkurrenten dabei zur Kooperation – etwa bei der Basisinfrastruktur des Kernels oder seiner Treiber, die über die Hälfte des Quellcodes ausmachen. Oft sind das Bereiche, die jeder braucht, die aber niemandem direkt Geld einbringen. Die Kooperation kann Kosten sparen. Zugleich führt sie zu robusten, flexiblen und mächtigen Techniken, die am Ende allen das Leben erleichtern und Linux so gut machen.

Diese und weitere Gründe überzeugen Konzerne mit der Zeit. Das gilt nicht nur für Distributoren wie Red Hat und Suse oder Hardware-Hersteller wie ARM, AMD, IBM und Intel, die alle schon lange mitmachen: Selbst Amazon, Facebook und Google bringen sich dieser Tage stark ein. Die drei schrauben viel an Interna und Techniken für Server herum, denn bei ihren riesigen Rechenzentren sparen kleine Optimierungen schnell die Anschaffung von tausend weiteren Servern. Und hier bringt sie nicht die Lizenz, sondern das bessere Entwicklungsmodell zum Mitmachen: Beim rein internen Einsatz müssten sie ihre Modifikationen schließlich gar nicht veröffentlichen.

Darum stammen dieser Tage weit über achtzig Prozent der in Linux vorgenommenen Änderungen von Entwicklern, die für ihre Arbeit an Linux bezahlt werden. Von denen stammen auch fast alle großen und tiefgreifenden Umbauten. Mittlerweile finden sich nahezu alle Größen der IT-Branche unter den regelmäßig Beitragenden – darunter auch Microsoft. Und dass, obwohl sich diese Konzerne anfangs fast ausnahmslos nicht um die Integration in den Betriebssystemkern geschert oder sie sogar mehr oder weniger vehement zu verhindern versucht haben.

Schon Linux 0.01 wurde erst in Kombination mit anderer Software zu einem Betriebssystem, mit dem sich etwas Sinnvolles anstellen lässt.

(Bild: kernel.org (Release-Notes zu Linux 0.01))

Selbst viele konservative, verschlossene Firmen wie Oracle oder Nvidia mussten wenigstens in einigen Bereichen einsehen: Bei Linux mitmachen lohnt sich, weil es Unkosten reduziert oder den Umsatz steigert. Nvidia schafft es dieser Tage sogar immer in die Top 20 der beitragenden Firmen, bei der als Maßstab die Zahl der Commits bei den im letzten Jahr veröffentlichten Linux-Versionen dient. Das hat der Konzern vor allem durch die Mitarbeit am Code für Tegra-Prozessoren und Mellanox-Produkte geschafft.

In einem anderen Marktsegment wirkt Nvidia allerdings partout nicht an der Entwicklung mit: Bei Grafikkarten und Rechenbeschleunigern für PCs und Server setzt der Konzern auf proprietäre Linux-Treiber. Die Firma kann sich das dort leisten, weil sie in diesem Bereich extrem gut aufgestellt ist beziehungsweise dominiert. Die Treiber funktionieren recht ordentlich, haben aber allerlei Tücken bei Installation und Pflege, die bei manchen Nutzern für Frust und Ärger sorgen. Einige Linux-Anwender meiden Nvidias Grafikprozessoren daher wie der Teufel das Weihwasser.