Lithium aus dem Erzgebirge

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Etwas anderes mache angesichts des geringen Gehaltes gar keinen Sinn, denn die Kosten für das Schürfen des Lithiumerzes dürften weitaus höher ausfallen als der Abbau im Tagebau. Experten schätzen, dass Lithium aus den bolivianischen Salzseen für 2000 Dollar pro Tonne wirtschaftlich angeboten werden kann, während das Lithium aus dem Berg rund 4000 Dollar pro Tonne bringen müsste, damit der Abbau Gewinn abwirft. Zum Glück kommt gleich eine ganze Palette von ökonomisch interessanten Stoffen im Zinnwaldit vor, denn das Mineral ist eine komplexe Verbindung aus Lithium, Aluminium, Eisen, Kali, Sauerstoff, Silizium, Wasserstoff und Fluor. Einzelheiten mochte Fuhrland wegen des frühen Stadiums der Arbeiten aber nicht verraten.

Zinnwaldit ist nicht die einzige Lithiumquelle, mit der sich das Freiberger Projekt befassen wird. Auch sogenannte Tiefenwässer, das heißt, Wasser aus Schichten unterhalb des Grundwasserspiegels, wie es zum Beispiel in Bergwerken anfällt, sollen genauer unter die Lupe genommen werden. An einigen Orten könnte sich auch daraus die Lithiumgewinnung lohnen. Einige Hundert Gramm Lithium pro Tonne Wasser seien dafür schon nötig, meint Fuhrland. Von Plänen, Lithium aus Meerwasser zu gewinnen, wie sie aus Japan bekannt sind, hält er hingegen gar nichts. "Viel zu großer Aufwand bei der geringen Konzentration", sagt der Bergbauexperte. Durchschnittlich nur 0,18 Millionstel Volumenanteile (ppm) des Meerwassers bestehen aus dem begehrten Metall.

Und wie sieht es mit anderen Lithium-Abbaugebieten in Deutschland aus? Im Süden sind eine ganze Reihe von Zinnwaldit-Vorkommen bekannt, zum Beispiel im Fichtelgebirge und im Schwarzwald. Aber ob sich an einem dieser Standorte der Abbau lohnen würde, ist offen. In Freiberg ist man derzeit damit beschäftigt, eine Datenbank der Fundstätten aufzubauen.

Fündig könnten auch die Zinnwalder Nachbarn werden, denn der größere Teil des dortigen Vorkommens liegt wahrscheinlich auf der tschechischen Seite des Gebirges. Doch trotz der gemeinsamen Mitgliedschaft in der EU gibt es bisher in Sachen Lithium keine Zusammenarbeit mit tschechischen Instituten und Behörden. "Der Blick über die Grenze ist schwierig", so Fuhrland.

Auch außerhalb Europas begeben sich inzwischen eine ganze Reihe von internationalen Unternehmen auf Lithiumsuche: Im US-Bundesstaat Arkansas will zum Beispiel die Lithium Exploration Group Salzseen auf ihren Lithiumgehalt untersuchen. Im Norden Nevadas und im angrenzenden Oregon haben in der McDermitt-Caldera vor knapp 20 Millionen Jahren Vulkane jede Menge lithiumhaltiges Gestein ausgespuckt. Später haben Erosion und die Senkung eines Teils des Geländes dazu geführt, dass sich besonders lithiumreiche Sedimente in Vertiefungen sammeln konnten. Heiße Quellen haben ebenfalls dazu beigetragen, das begehrte Leichtmetall anzureichern. Die Gesellschaft Western Lithium erkundet seit einigen Jahren diese Vorkommen und fand einen mittleren Lithiumgehalt von 0,25 bis 0,35 Prozent. Voraussichtlich können die Erze im Tagebau gewonnen werden, eine Machbarkeitsstudie befindet sich in Arbeit. Auf dem tibetischen Hochplateau sind chinesische Unternehmen schon einen Schritt weiter: Dort wird der 4400 Meter hoch gelegene Chabyer-Salzsee ausgebeutet. Seit September 2010 beteiligt sich der chinesische Autohersteller BYD am Lithiumproduzenten "Tibet Xigaze Zhabuye Lithium High-Tech".

Hierzulande kommt das verwendete Lithium allerdings überwiegend aus den Anden Südamerikas. Dort gibt es in Chile, Argentinien und vor allem Bolivien einige für die Lithiumausbeute besonders ergiebige Salzseen – Salare, wie die Lateinamerikaner sie nennen. Zum Beispiel den Salar de Atacama in Chile, oder den Salar de Uyuni in Bolivien, der weltweit größte seiner Art. Die Salare sind mit einer Schicht aus Salz bedeckt, unter dem Wasser steht. Dieses wird zur Gewinnung von Lithium an die Oberfläche gepumpt und zur Konzentrierung in Verdunstungsbecken geleitet. Die entstehende Sole wird dann in Tanklastwagen zur Weiterverarbeitung an die Küste gefahren. Nach Einschätzung des in Frankreich ansässigen, auf neue Technologien spezialisierten Aktienfonds Meridian International Research sind 50 Prozent dieser lithiumreichen Zone im Salar de Atacama bereits erschöpft.

In Bolivien soll hingegen am Salar de Uyuni, mehr als dreimal so groß wie sein chilenisches Gegenstück, dieser Tage erst eine Pilotförderanlage der staatlichen Bergbaugesellschaft Comibol den Betrieb aufnehmen. Eines der Probleme: Die Verdunstungsrate auf der Andenhochebene ist deutlich niedriger als in der Atacama-Wüste, weshalb mehr Platz für die Verdunstungsbecken benötigt werden wird. Meridian International Research ging 2008 in einer Studie davon aus, dass sich von den im See vermuteten fünf bis neun Millionen Tonnen Lithium nur 300000 bis 500000 Tonnen rentabel abbauen lassen.

Die bolivianische Regierung ist dennoch entschlossen, das Projekt voranzutreiben und hofft, einen langen Teil der Wertschöpfungskette im Lande aufbauen zu können. Wenn auch nicht gleich Elektroautos made in Bolivia vom Band rollen werden, so will die Regierung doch zumindest die Akku-Fertigung im Andenstaat ansiedeln. Im Dezember 2010 vermeldete die bolivianische Zeitung "Los Tiempos" erste Erfolge. Möglicherweise werden sich japanische Investoren auf diese Bedingungen einlassen, um sich den Zugriff auf den begehrten Rohstoff zu sichern.

Sollte es tatsächlich zum großen Lithium-Boom kommen, könnten andere Bevölkerungsgruppen indes den Kürzeren ziehen: Denn der Lithiumabbau kann dazu führen, dass große Mengen Magnesium in die oberflächliche Salzschicht eindringen. Das Salz würde dadurch bitter und ungenießbar, wie Wolfgang Voigt meint, der an der Freiberger Bergakademie ein Lithium-Forschungsprojekt mit der Universität der bolivianischen Stadt Potosí betreut. Entsprechend fürchten die einheimischen Salzbauern, von der Lithium-Industrie verdrängt zu werden. Auch um das Wasser des Rio Grande, der in den Salar fließt, könnte es Konflikte geben, denn für die Reinigung des Lithiums sind große Mengen an Frischwasser erforderlich. Dieses benötigen die Bauern aber, um ihre Quinoafelder zu bewässern. Quinoa, auch Andenhirse genannt, ist ein wichtiges Nahrungsmittel in der Region.

Nicht alle diese Widersprüche und Konflikte sind indes unüberwindbar und unvermeidlich. Manches wird künftig davon abhängen, wie viel des neuen Reichtums, den der historisch hohe Lithiumpreis erwarten lässt, bei den Menschen vor Ort ankommt und für den Schutz ihrer natürlichen Umwelt aufgewendet wird. Erfahrungen aus anderen Bergbauregionen lassen jedoch besonders für Chile, Argentinien und Bolivien nichts Gutes erwarten. Im deutschen Erzgebirge hingegen könnte der Abbau einer traditionsreichen Bergbauregion neues Leben einhauchen. (bsc)