Living in a Box

Mit Containern lassen sich nicht nur Waren um die ganze Welt transportieren, aus ihnen können auch schicke, energieeffiziente Häuser gebaut werden. Sie sind günstiger und schneller zu errichten als konventionelle Gebäude. Wer will, kann sogar mit ihnen umziehen.

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Von
  • Helmut Broeg
Inhaltsverzeichnis

Mit Containern lassen sich nicht nur Waren um die ganze Welt transportieren, aus ihnen können auch schicke, energieeffiziente Häuser gebaut werden. Sie sind günstiger und schneller zu errichten als konventionelle Gebäude. Wer will, kann sogar mit ihnen umziehen.

Am Anfang haben sich die Nachbarn schon sehr gewundert, als die ersten Bauteile unseres Hauses ankamen“, erinnert sich Martin Hollinetz. Kein Wunder, stach das Wohnhaus aus stählernen Containerbauteilen in dem kleinen Örtchen Vorchdorf doch deutlich aus dem gewohnten Ortsbild heraus. Traditionell werden hier in Oberösterreich Eigenheime aus Stein gebaut.

Doch der Unternehmensberater und seine Familie entschieden sich für ein exotisches Haus aus Containermodulen. Das hatte handfeste Gründe: Zum einen war es deutlich günstiger als ein vergleichbares Steinhaus, rund ein Drittel der Baukosten sparten sie ein. Zum anderen konnten sie als Bauherren vieles selbst ausbauen. Nicht zuletzt sparten sie auch Zeit. Das Aufstellen der Stahlkonstruktion etwa dauerte nur zwei Tage.

Mit solchen Attributen bieten die Häuser aus Containern oder vergleichbaren Stahlmodulen Bauherren und Architekten zunehmend eine Alternative zu Fertighäusern aus Holz oder traditionellen Stein-auf-Stein-Bauten. Rund um den Globus kreieren sie aus den vielseitigen Quadern nicht nur Privathäuser, sondern auch Geschäftsgebäude, Shops, Kunsthallen und Studentenwohnheime.
Das Geschäft läuft gut. „Wir bekommen jede Woche 20 bis 30 Anfragen von Leuten, die sich für ein Containerhaus interessieren und eines besichtigen wollen“, sagt Jürgen Berkmann, Geschäftsführer der österreichischen Baufirma Combi-Box. Sein Unternehmen hat sich auf den Bau der Häuser mit Stahlskelett spezialisiert und auch die Module für Hollinetz’ Haus geliefert.

Er ist für die kommenden Monate mit Aufträgen eingedeckt, allein durch Mundpropaganda, wie er sagt. Auf die Idee zur Firmengründung kamen Berkmann und seine Familie, als sie vor zehn Jahren selbst ein Haus bauen woll-
ten. Unter den traditionellen Bauweisen fanden sie keine, die sowohl ihrem relativ schmalen Geldbeutel gerecht wurde als auch ihren Ansprüchen nach Flexibilität und Wohnqualität genügten.

Die einzelnen Combi-Box-Module gibt es in vielen unterschiedlichen Längen und Breiten bis zu drei Meter. Sie sind entweder miteinander verschweißt oder durch Schrauben verbunden. Dadurch sind die Bauten äußerst variabel und lassen sich jederzeit umgestalten.

Seit einem Jahr wohnt die oberösterreichische Familie nun schon in ihrem Containerhaus und fühlt sich sehr wohl darin. Vor allem das Wohnklima hat sie überzeugt. „Im Sommer ist es nicht zu heiß, und im Winter lassen sich die einzelnen Räume ganz individuell beheizen“, resümiert der Hausbesitzer und räumt mit dem weitverbreiteten Irrtum auf, dass sich die Stahlgebäude im Sommer zu sehr erwärmen und im Winter stark auskühlen. Diesen Nachteil weisen nur herkömmliche Bau- oder alte Seecontainer auf, die kaum mehr als Metallkisten sind.

Die Combi-Box-Module sind jedoch weitaus besser isoliert. Die Wände bestehen aus Sandwichpaneelen, wie sie auch für Kühlhäuser verwendet werden, erzählt Hollinetz. Derart konstruiert, haben die Außenwände laut Hersteller für sich genommen schon eine gute Energiebilanz. Bei einer Wandstärke von zehn Zentimetern liegt ihr Wärmedurchgangskoeffizient oder U-Wert bei 0,24 Watt pro Quadratmeter und Kelvin (W/m2K). In diesem Bereich liegen auch Modelle anderer Containerhaus-Hersteller. Sie übertreffen damit sogar den in der deutschen Energiesparverordnung 2009 festgelegten Referenzwert von 0,28 W/m2K. Auf der Außenseite hat Häuslebauer Hollinetz noch 15 Zentimeter dicke Styroporelemente angebracht, auf denen ein Holzrahmen befestigt ist. Darüber spannt sich eine Hülle aus einem strapazierfähigen gelben Spezialgewebe. Es besteht aus dem gleichen Material, das auch für Sonnensegel auf Spielplätzen verwendet wird.

Die Plane ist UV-beständig, bleibt auch bei unterschiedlichen Außentemperaturen oder hoher Luftfeuchtigkeit gespannt und wirft keine Falten. Zwischen ihr und der darunterliegenden Isolierung befindet sich ein etwa ein Zentimeter breiter Spalt. Durch diese sogenannte Hinterlüftung steigt im Sommer kühle Luft aus dem Boden an der Hauswand entlang nach oben und sorgt für zusätzliche Kühlung. Darüber hinaus sind auch alle anderen handelsüblichen Arten der Außenverkleidung möglich, beispielsweise eine Holzverschalung oder mit herkömmlichem Putz überzogene Wände.

Genauso variabel sind die Heizungssysteme. Hollinetz hat sich für elektrisch betriebene Infrarot-Paneele an der Decke entschieden, weil sie wenig Platz benötigen. Den Strom dafür liefert die Photovoltaikanlage auf dem Dach. Die an große Kacheln erinnernden Elemente sind deutlich sparsamer als andere elektrische Heizkörper. „Sie heizen nicht die Raumluft auf, sondern nur die Wände, Gegenstände und die Körper, die sich im Raum befinden“, erläutert Hollinetz das Prinzip. Auch wenn die Ökobilanz von Elektroheizungen schlechter ausfällt als die etwa von Gas- oder Ölheizungen, werden sie für Containerhäuser oft bevorzugt: Sie sind extrem platzsparend, da sie auch keine Rohre oder Kessel benötigen. Grundsätzlich sind bei den Containerbauten aber alle üblichen Heizungsarten möglich.

Der Aufbau der Containerkonstruktion ist schnell und unproblematisch, da zum Beispiel aufwendige Fundamentarbeiten entfallen. Für die selbsttragenden Elemente reichen Betonstelzen mit einem Durchmesser von lediglich 80 Zentimetern an jeder Ecke – statt einer durchgängigen Bodenplatte wie sie etwa für Steinhäuser nötig ist. Fenster und Türen sind bei der Anlieferung bereits in die Containerelemente integriert.

Der Einbau der elektrischen und sanitären Leitungen kann vor Ort erfolgen, da die Module ohne Bodenbelag angeliefert werden. Sind die Leitungen verlegt, folgt die Bodenisolierung, anschließend die Montage des Unterbodens mit Grobspanplatten sowie als letzte Schicht der endgültige Bodenbelag – sei es nun Teppich oder Parkett. Viele dieser Ausbauarbeiten hat Hollinetz selbst erledigt, denn „man kann an der stabilen Konstruktion ja nichts kaputt machen“. Auf diese Weise sparte er auch Kosten für Handwerker ein.

Vor einem Jahr ist auch Peter Dussl aus Nürnberg ins Geschäft mit den Wohnhäusern aus Metallmodulen eingestiegen. Er ist Inhaber der Firma Conhouse, die er zusammen mit dem slowenischen Architekten Jure Kotnik gegründet hat. Ihre Module sind maximal 2,5 Meter breit, denn noch breitere Bauteile gelten als Schwertransporte. Damit wäre ihre Lieferung sehr viel aufwendiger und teurer. Die Länge seiner Stahlkonstruktionen ist allerdings variabel und reicht von vier Metern bis zu zwölf Metern.

Während bei einem gewöhnlichen Transportcontainer auch sämtliche Wände eine statische Funktion haben, tragen bei seinen Modulen nur die Kanten die Last. Diese bestehen aus L-förmigen Stahlträgern. Die beiden Schenkel des „L“ sind nach innen zur Ecke hin umgefaltet, sodass jeweils zwei Stahlschichten übereinanderliegen. „Dadurch sind sie besonders stabil“, sagt Dussl. Tragende Zwischenwände braucht diese Konstruktion nicht mehr. „Das ermöglicht große Räume. Im Prinzip kann man damit auch eine Sporthalle bauen“, sagt er.

Bei der Deckenhöhe müssen sich Bewohner nicht umgewöhnen. Die Conhouse-Module sind auch bei einer mehrschichtigen Bodenkonstruktion und Isolierung der Decke mindestens 2,5 Meter hoch – und liegen damit ganz nah am Durchschnittswert von 2,55 Metern klassischer Wohnungen. Beim Boden hat Dussl allerdings noch einen draufgelegt: Damit der Metallboden nicht zu stark vibriert, hat er vom Hersteller der Module doppelt so viele Querstreben in die stählerne Unterkonstruktion einbauen lassen, wie in einem klassischen Baucontainer verbaut sind. „Man muss sich das wie eine Leiter mit Stahlsprossen vorstellen. Je mehr Sprossen eingebaut sind, desto stabiler ist das System“, erläutert Dussl das Prinzip.

Bedenken, dass seine Häuser durch steigende Preise für Stahl zu teuer werden könnten, hat er nicht. „Das Stahlskelett macht nur rund 20 Prozent der Gesamtkosten aus“, hat Dussl errechnet. Ähnlich wie Combi-Box erhält auch sein Unternehmen zwei bis drei Anfragen pro Tag. Doch Dussl sieht noch deutlich mehr Potenzial: „Es besteht ein großer Bedarf an bezahlbarem eigenen Wohnraum, da kann die Modulbauweise eine wichtige Rolle spielen.“ Bei einer Kundin lag der Quadtratmeterpreis des fertigen Gebäudes bei rund 1000 Euro, und damit deutlich unter dem Preis bei konventioneller Bauweise. Dussl rechnet nicht nur hierzulande mit steigender Nachfrage. Derzeit lässt er seine Homepage um Informationen auf Deutsch, Spanisch, Englisch und Russisch ergänzen.

Die Bauanträge der Stahlhäuser unterscheiden sich nicht von denen anderer Häuser. „Sie müssen unter anderem die behördlichen Auflagen hinsichtlich Statik und Brandschutz erfüllen“, erläutert Dussl. Im Vergleich zu Beton, der auch bis zu 1000 Grad stabil bleibt, verliert Stahl bereits bei Temperaturen von rund 500 Grad seine Festigkeit. Um die Träger vor einem Feuer zu schützen, kommen für den Innenausbau Platten aus Gipskarton zum Einsatz. Auch die zur Isolierung der Container-Module eingebaute schwer entflammbare Steinwolle trägt zum Brandschutz bei. Der Unternehmer bevorzugt die einfach zu realisierenden Flachdächer für seine Bauten. „Aber wenn es die örtlichen Bauämter vorschreiben, setzen wir auch ein Pultdach mit der gewünschten Dachneigung und Ziegeln drauf.“

Bei den Fundamenten rät Dussl seinen Bauherren zu Streifenfundamenten aus Beton, die jeweils unter den Längsachsen der Module verlaufen. Eine pfiffige Variante wäre aus seiner Sicht eine Befestigung der Module mittels sogenannter Schraubfundamente. „Die sind rund drei Meter lang und werden auf den Zentimeter genau in den Untergrund geschraubt. Bei Photovoltaikanlagen kommen sie relativ häufig zum Einsatz.“ Der Vorteil: Das Grundstück bleibt im ursprünglichen Zustand. Wenn das Haus eines Tages abgebaut wird, müssen keine Betongründungen entfernt werden.

Auch mit seinem eigenen Container-Haus, das er gerade baut, kann sich Dussl einen Umzug sehr gut vorstellen. „Für die kommenden Jahre genügt das Grundstück unseren Ansprüchen. Doch irgendwann möchten wir woanders hinziehen.“ Das sei problemlos möglich, denn die in jedem Modul bereits eingebauten elektrischen Leitungen lassen sich nicht nur bei der Anlieferung unkompliziert per Schaltelementen miteinander verbinden; ebenso einfach lassen sie sich auch voneinander trennen, etwa bei Umbauarbeiten oder wenn die Besitzer das Gebäude demontieren und an einer anderen Stelle wieder aufbauen wollen. Noch einfacher ist der Anschluss der Wasserleitungen, da diese nur in wenigen Modulen wie Küche und Bad nötig sind.

Wie problemlos das schrittweise Bauen mit den Containermodulen funktioniert, hat Firmenmitgründer und Conhouse-Entwickler Jure Kotnik im slowenischen Ravne Na Koroškem gezeigt. In der Stadt erweiterte der Architekt 2009 einen Kindergarten mit drei Containern. Sie sind zu einem gemeinsamen Spielraum verbunden. Im vergangenen Jahr kamen 13 weitere Containermodule hinzu.

Anfragen aus dem gewerblichen Bereich nähmen ständig zu, sagt Dussl: „Momentan errichten wir eine Anlage mit mehreren Häusern in Modulbauweise in der Innenstadt von Zürich.“ Sie sollen als Ateliers und Ausstellungsräume für Kunstprojekte dienen. Der Auftrag ist eine echte Herausforderung, denn die Stadt stellt an die Wärmeisolierung hohe Anforderungen. Um den vorgeschriebenen Gesamt-U-Wert von 0,17 Watt pro Quadratmeter und Kelvin zu erreichen, muss Dussl die Gebäude unter anderem mit dreifachverglasten Fenstern und extrem dicker Isolierung ausstatten. Die von ihm bevorzugte Elektroheizung ist in der Schweiz verboten. Stattdessen lässt er in Zürich eine Luft-Wärme-Pumpe einbauen. Diese entzieht der Umgebungsluft Wärme und führt sie der Heizungsanlage zu.

Alle diese Containerhäuser sind eigens für den Immobilienmarkt hergestellt. Wer es noch ungewöhnlicher möchte, errichtet sich ein Domizil aus gebrauchten Seecontainern. Dafür aber muss er tief in die Tasche greifen. Das zeigt eines der bekanntesten und markantesten Beispiele für gewerbliche Containerarchitektur, das unweit von Dussls Baustelle in der Zürcher Innenstadt steht. Der sogenannte Flagship-Store des Taschenherstellers Freitag ist eine Kombination aus Firmenzentrale und Ausstellungsräumen. Das 25 Meter hohe, vom Architekturbüro Spillmann Echsle entworfene Gebäude besteht aus 17 alten Seecontainern. Die über- und nebeneinander gestapelten Kisten sind durch spezielle Drehverschlüsse miteinander verbunden. Einer der dafür verwendeten Container kostet zwar gerade einmal rund 1200 Euro, doch der Umbau zu einem Gebäudeelement schlug mit einem Vielfachen zu Buche.

Isolation, Schallschutz, Statik und andere Bauarbeiten kosteten rund 25000 Euro pro Container. „Und da sind die Innenausbaukosten noch gar nicht mit dabei“, sagt Architekt Harald Echsle. Wichtig sei es daher, die Ausbaukosten im Verhältnis zu der Restlebensdauer eines Containers zu betrachten. Für den Taschenhersteller allerdings dürfte etwas anderes wichtiger sein. Er wollte mit seiner Containerzentrale das Prinzip Recycling aufgreifen, das die Firma Freitag auch bei ihren Produkten betont: Ihre Designertaschen bestehen etwa aus alten Lkw-Planen und Autogurten. Darüber hinaus lässt sich der Flagship-Store abbauen, ohne tiefe Spuren in der Umgebung zu hinterlassen. Der Mietvertrag für das Grundstück läuft spätestens 2018 ab, und dann wird dass Gebäude wieder in seine Einzelteile zerlegt und abtransportiert.

Einzelne Hauselemente mit geringem Aufwand wieder abbauen zu können, war auch für Martin Hollinetz ein wichtiges Kriterium: „Wenn unsere drei Kinder aus dem Haus sind, brauchen wir vermutlich nicht mehr so viel Wohnfläche wie im Moment.“ Und wenn die Kinder später mit ihren Familien doch wieder ins elterliche Haus ziehen wollen, lässt es sich entsprechend erweitern. (bsc)