MWC 2011: Noch mehr Tablets und Ökosysteme

Auf dem Mobile World Congress im Februar in Barcelona kam wieder alles zusammen, was Rang und Namen in der Mobilfunkindustrie hat. Immer mehr Hersteller setzen auf Android und springen auf den Tablet-Trend auf. Die Microsoft-Nokia-Kooperation war natürlich auch ein wichtiges Gesprächsthema.

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Von
  • Kay Glahn
Inhaltsverzeichnis

Auf dem Mobile World Congress im Februar in Barcelona kam wieder alles zusammen, was Rang und Namen in der Mobilfunkindustrie hat. Immer mehr Hersteller setzen auf Android und springen auf den Tablet-Trend auf.

Ein allgegenwärtiger Trend auf der Messe waren Tablets. Nahezu alle wichtigen Hersteller haben mittlerweile neue oder erstmals welche in petto. Besonders solche mit Android-Betriebssystem waren Thema vieler Neuankündigungen, beispielsweise Samsung und sein 10-Zoll-Tablet Galaxy Tab 10.1 mit Doppelkern-CPU von Nvidia, auf das 2011 weitere Tablets folgen sollen. Auch HTC und Huawei zeigten mit dem Flyer und dem S7 Slim Android-Geräte. Zu Toshibas neuem 10-Zoll-Tablet gab der Hersteller bereits Details bekannt. Während viele Tablets noch mit Android 2.x laufen, haben einige Unternehmen, allen voran Motorola mit dem Xoom, das im zweiten Quartal nach Europa kommen soll, schon Android 3.0 (Honeycomb) im Einsatz.

Mit dem Flyer bringt HTC sein Android-Add-on Sense auf ein 7-Zoll-Tablet.

Obwohl viele Hersteller bei den Tablets klar auf Android setzen und Samsung den Einsatz von Alternativen wie MeeGo sogar ausschließt, stellten etwa HP und RIM Tablets mit eigenen Systemen vor. HP präsentierte das 10-Zoll-Tablet TouchPad, und RIM kündigte weitere Varianten seines im Januar vorgestellten 7-Zoll-PlayBooks an. Zusätzlich zu der reinen WLAN- und WiMax-Version soll es künftig Versionen mit HSPA+ und LTE geben.

HP lehnt das Bedienkonzept des TouchPad an das der WebOS-Smartphones an. Andere Firmen wie Intel mit der Tablet User Experience (UX) auf MeeGo oder die Münchner Firma ExB mit Petitpetit gehen beim Bedienkonzept ganz neue Wege: Der Nutzer arbeitet nicht mehr applikationsorientiert, sondern Objekte wie Kontakte oder Orte stehen im Mittelpunkt.

Palm-Besitzer HP kündigte eine Tablet-Adaption seines WebOS an.

Für den Business-Anwender stellt sich vor allem die Frage, ob aktuelle Smartphones und Tablets auf Android-Basis bereits für den Geschäftseinsatz geeignet sind. Eine Antwort hierauf lieferten sowohl Samsung als auch Motorola. Während Motorola die Übernahme der kalifornischen Firma Three Laws Mobility (3LM) in den Mittelpunkt stellte, die sich auf die Bereiche Mobile Device Management, Secure Enterprise Link und Android Device Security für den Geschäftseinsatz spezialisiert hat, setzt Samsung auf die Zusammenarbeit mit Partnern wie Cisco, Citrix, Sybase, SDS und Calgary Scientific, um seine Android-Geräte Galaxy S II und Galaxy Tab mit Lösungen in den Bereichen Device-Management, VPN und Verschlüsselung fit für den Business-Einsatz zu machen.

Sony Ericsson stellte zwar einige neue Smartphones vor, unter anderem das Xperia Pro, das sich mit seiner ausziehbaren Tastatur an Business-Anwender richtet, kündigte aber nicht wie erwartet ein Android-Tablet an. Dafür unterstrich die Firma, nun allein auf Android setzen und dadurch die Nummer eins werden zu wollen. Im Smartphone-Bereich gab es neben HTCs Facebook-Handys ChaCha und Salsa und Sony Ericssons PlayStation-Handy ein 3-D-Smartphone von LG zu sehen. Mit HTCs Desire S und Wildfire S sowie Samsungs Galaxy S II setzte man vor allem auf die Aktualisierung bestehender Modelle.

Ein wichtiges Messethema war die zuvor angekündigte Zusammenarbeit zwischen Microsoft und Nokia. Sowohl Nokias CEO Stephen Elop als auch Microsoft-Chef Steve Balmer unterstrichen ihre Absicht, mit Windows Phone 7 ein "drittes Pferd" ins Rennen mobiler Ökosysteme zu schicken. Das Wort Ökosystem war auffallend häufig zu hören. Denn viele Hersteller haben erkannt, dass es, um erfolgreich im mobilen Markt zu sein, nicht allein auf die Plattform und die Endgeräte, sondern auf das gesamte Ökosystem vom Entwicklerprogramm über den App-Store bis zur einfachen Abrechnung beim Endkunden ankommt.

Die neuen Partner hatten nicht viel Neues zu bieten. Ein größeres Update von Windows Phone 7 das unter anderem über einen HTML5-fähigen Mobilbrowser auf Basis des Internet Explorer 9 verfügt, soll es noch dieses Jahr geben. Erste Windows-Phone-Geräte von Nokia erscheinen wohl erst 2012. Nicht verwunderlich war es auch deswegen, dass Nokia nicht wie in den letzten Jahren mit einem riesigen Stand auf dem MWC vertreten war, sondern lediglich mit einem etwas abseits gelegenen kleinen Stand zum Thema Qt und MeeGo, wenn man NSN (Nokia Siemens Networks) mal außer Acht lässt. Hier wurden vor allem Entwickler angesprochen, denen das Qt-Framework für MeeGo und Symbian schmackhaft gemacht werden sollte. Von Windows Phone 7 war an diesem Stand allerdings keine Rede.

Elop erklärte, dass Nokia in den Wochen vor der Ankündigung zur Zusammenarbeit sowohl von Microsoft als auch von Google umworben worden war. Letztlich habe man sich gegen Android als primäre Smartphone-Plattform entschieden. Laut Elop wollte man so ein Duopol aus Google/Nokia und Apple auf der anderen Seite in der Industrie vermeiden und eher einen Herausforderer schaffen. Die neue Partnerschaft besteht allerdings zunächst im Wesentlichen aus einem Lizenzgeschäft, bei dem Nokia Lizenzgebühren für Windows Phone 7 an Microsoft zahlt. Nokia bekommt im Gegenzug Zugriff auf Microsofts Suchmaschinen und Advertising-Dienste. Langfristig sollen aber auch Dienste der beiden Anbieter zusammengeführt werden, beispielsweise Nokias Ovi Maps und Microsofts Bing-Suchmaschine. Außerdem ist das Verschmelzen von Microsofts Windows Marketplace und Nokias Ovi-App-Store zu erwarten.

Nokias Vice Precident Jo Harlow ließ verlauten, das zunächst die Investitionen in Symbian fortgeführt werden sollen. Zumindest kurzfristig, bis der Übergang zu Windows Phone 7 abgeschlossen ist. Zu MeeGo hörte man relativ wenig von Nokia. Nachdem man allerdings immer noch nicht das erwartete MeeGo Phone vorgestellt hat, verwundert es, das Nokia MeeGo nun als relevant für die "next-generation platform strategy" bezeichnet. Ob Nokia hier schon den nächsten Schritt nach Windows Phone 7, plant bleibt offen. Intel zumindest schien nicht sonderlich begeistert zu sein. Denn nachdem man bei Intel bereits angekündigt hatte, dass MeeGo für Netbooks nicht mehr weiterverfolgt wird, wäre nun das Wegfallen von MeeGo als Smartphone-Plattform ein weiterer herber Verlust für Intel. Im Moment bleibt aber für MeeGo immer noch die Tablet-Welt und der Automotive-Bereich, wo wohl zurzeit die größten Erfolgsaussichten für das Linux-System liegen.

Elop hat außerdem auf dem MWC angekündigt, die Investition in Nokias Series-30- und -40-Plattform fortzusetzen, denen er eine unglaublich wichtige Rolle beimisst. Obwohl diese Low-end-Handy-Plattformen in der letzten Zeit im Rummel um die Smartphones etwas untergegangen sind, sind sie in den "Emerging Markets" die wichtigsten Plattformen.

In der Öffentlichkeit wurde der Deal eher als positiv für die Redmonder gesehen, die erheblich von der Unterstützung ihrer Plattform durch den weltweit größten Handyhersteller profitieren. Sowohl von Nokia-Mitarbeitern als auch von Analysten wird die Zusammenarbeit eher kritisch betrachtet, was sich auch an dem bereits um mehr als 20 Prozent gefallenen Aktienkurs von Nokia ablesen lässt.

Ballmer positionierte Windows Phone 7 als die netzbetreiberfreundlichste Plattform, nachdem bekannt wurde, das einige der großen Netzbetreiber Bedenken über die zunehmende Macht von Apple und Google geäußert hatten. Windows Phone sei die Plattform der Wahl für den Netzbetreiber, um eigenen Mehrwert auf Basis der Plattform zu schaffen, so Ballmer.

Der AppPlanet konnte auch in diesem Jahr deutlich zulegen.

Einen wesentlichen Bestandteil des MWC machte der mit rund 200 Ausstellern und zahlreichen Entwicklerveranstaltungen erneut gewachsene App Planet aus. Während viele Hersteller Entwickler-Events für ihre eigenen Plattformen anboten, präsentierte sich auch die Wholesales Applications Community (WAC) in diesem Rahmen. Die Organisation, die inzwischen aus rund 70 Mitgliedern besteht, hat es sich auf die Fahne geschrieben, eine einheitliche Plattform für mobile Widgets auf Basis von W3C-Standards zu schaffen und gleichzeitig das dazugehörige Ökosystem anzubieten. Neben dem kommerziellen Start von WAC und der Fertigstellung des WAC-2.0-Standards kündigten zahlreiche Mitglieder wie China Mobile, MTS, Orange, Smart, Telefónica, Telenor, Verizon und Vodafone die Anbindung ihrer eigenen App-Stores an den WAC-App-Store an. Der Browserhersteller Opera nutzte die Messe, um seine WAC-Runtime für Android offiziell zu starten. Sie erlaubt es Herstellern von Android-Geräten, diese kompatibel mit dem Standard zu machen.

Mit der freien Entwicklungsplattform Kinoma gab es auch eine Neuankündigung von Marvell. Mit ihr sollen Entwickler in der Lage sein, Anwendungen für diverse mobile Endgeräte mit unterschiedlichen Betriebssystemen zu schreiben. Anywhere Software stellte mit Basic4android eine Entwicklungsplattform für Android vor, die aus einer mit Visual Basic ähnlichen Sprache und einem leistungsfähigen GUI-Designer besteht. Qualcomm kündigte die "Open Source P2P"-Initiative an, die es Entwicklern ermöglichen soll, Anwendungen zu programmieren, die ohne Umwege über das Mobilfunknetz direkt per Bluetooth oder WLAN mit anderen Geräten kommunizieren können.

Es hat sich auf dem Kongress wiederum gezeigt, dass immer mehr Hersteller auf Android setzen und auf den Tablet-Trend aufspringen. Nokias offensichtliche Abkehr von Symbian und MeeGo hin zu Windows Phone 7 wurde nicht nur positiv gesehen, auch wenn sich für Entwickler die unüberschaubare Menge an Plattformen langsam wieder zu reduzieren scheint. Initiativen wie WAC sollen zudem endlich eine plattform- und herstellerübergreifende Anwendungsentwicklung ermöglichen.

Kay Glahn
ist unabhängiger IT-Berater mit den Schwerpunkten mobile Applications und Services. Er berät internationale Kunden bei der Umsetzung von Projekten im Mobile-Bereich.
(ane)