Malaria und andere Parasiten-Infektionen: Gute Aussichten für neue Impfstoffe

Nach langer Entwicklung könnte die RTS,S oder Mosquirix genannte Vakzine auch zu Fortschritten bei der Bekämpfung anderer parasitärer Infektionen führen.​

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(Bild: Andrea D'aquino)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Adam Piore
Inhaltsverzeichnis

2020 erkrankten 241 Millionen Menschen an Malaria und etwa 627.000 starben an der Infektionskrankheit. In den subsaharischen Ländern Afrikas, wo 95 Prozent der Fälle und Todesfälle auftraten, machten Kinder unter fünf Jahren 80 Prozent der Todesfälle aus. Die Zahlen sind erschreckend, und doch es gibt endlich einen Grund für Optimismus.

Zum einen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Oktober letzten Jahres den Malaria-Impfstoff von GlaxoSmithKline zugelassen, der als RTS,S oder Mosquirix bekannt ist. Es ist der weltweit erste Impfstoff gegen die tödliche Krankheit, die durch den Stich von weiblichen, mit dem Plasmodium-Parasiten infizierten Anopheles-Mücken übertragen wird.

Zum anderen will das deutsche Biotech-Unternehmen BioNTech, das gemeinsam mit Pfizer einen COVID-19-Impfstoff auf mRNA-Basis entwickelt hat, dieses Jahr mit der klinischen Erprobung eines weiteren Malaria-Impfstoffs beginnen. Das Blatt könnte sich endlich wenden.

Die Mosquirix-Genehmigung der WHO ebnet den Weg für eine massive Einführung in ganz Afrika. Es ist auch der erste Impfstoff gegen jedwede Art von Parasiten und stellt einen Wendepunkt im Kampf nicht nur gegen Malaria, sondern auch gegen eine Vielzahl anderer tropischer Krankheiten dar. Einigen Schätzungen zufolge sind derzeit mehr als zwei Milliarden Menschen mit parasitären Würmern infiziert. Obwohl es hierfür oft Behandlungen gibt, haben Mikrobiologen jahrelang vergeblich versucht, Impfstoffe zu entwickeln, die eine Infektion oder Reinfektion verhindern würden. Der Erfolg des Malaria-Impfstoffs beweist, dass dies möglich ist.

Das Erbgut von Parasiten, dieser winzigen vielzelligen Tiere, ist 500 bis 1.000-mal größer als die der meisten Viren und einzelligen Krankheitserreger. Deshalb können sie auf vielfältige Weise mutieren, wenn sie durch eine Immunreaktion herausgefordert werden. Vor allem der Malaria-Parasit ist ein Meister der Tarnung. In den späteren Stadien seines Lebenszyklus kann er 60 verschiedene Proteine auf seiner Oberfläche tragen und sie je nach Bedarf austauschen, um der Erkennung durch das Immunsystem zu entgehen.

"Wir haben es im Grunde mit dem größten Erfolg der Evolution zu tun – diese Dinger kennen uns besser als wir uns selbst", sagt Photini Sinnis, stellvertretende Direktorin des Johns Hopkins Malaria Research Institute in Baltimore. "Sie haben herausgefunden, wie sie tun können, was sie tun müssen. Und sie haben ein ausreichend großes Genom, um unser Immunsystem so zu manipulieren, dass sie erfolgreich in uns leben können."

In der Tat ist der neue Malaria-Impfstoff, der seit 1987 getestet wird, nicht besonders wirksam. Bei einem Piloteinsatz bei mehr als 800.000 Kindern in Kenia, Malawi und Ghana betrug die Wirksamkeit bei der Vorbeugung gegen schwere Malaria im ersten Jahr nur 50 Prozent, und nahm im Laufe der Zeit dramatisch ab. Im Gegensatz dazu verhindert der Polio-Impfstoff bei dreifacher Verabreichung die Kinderlähmungsinfektion zu 99 Prozent.

Bei der Malaria-Infektion dringen in der ersten Stufe nach dem Mückenstich die Parasiten in die Blutgefäße ein und wandern zur Leber, wo sich ein kleiner Prozentsatz in den Leberzellen einnistet. Dort beginnen sie sich zu teilen, bevor sie in rote Blutkörperchen eindringen und sich an Hämoglobin laben. Sie vermehren sich exponentiell und bringen schließlich die Blutzelle zum Platzen, wodurch eine Armee freigesetzt wird, die viele weitere rote Blutzellen infizieren kann. Für den neuen Malaria-Impfstoff gilt es daher die Parasiten sehr schnell zu neutralisieren, bevor sie in den Blutzellen Fuß fassen. Er zielt somit auf das unreife Entwicklungsstadium der Parasiten vor dem Eindringen in die Blutkörperchen ab.

Wissenschaftler haben für die Verabreichung ein Schema entwickelt, der den Impfstoff-Einsatz effektiver macht. Eine klinische Studie hat gezeigt, dass drei Dosen im Alter von fünf bis 17 Monaten und eine vierte Dosis zwölf bis 15 Monate später – in Kombination mit Malariakontrollmaßnahmen wie mit Insektiziden behandelte Moskitonetze und während der Regenzeit verabreichten Präventivmedikamente – die Zahl der Malaria-Todesfälle um etwa 70 Prozent senkt. Das gilt im Vergleich zu Kindern, die nur Präventivmedikamente erhalten haben. "Es wird Leben retten und die Forschungsgemeinschaft und ihre Geldgeber, die sie braucht, dazu anspornen, weiter innovativ zu sein", sagt Dyann Wirth, Immunologin an der Harvard School of Public Health und Expertin für Malaria.

Jahrzehntelang funktionierten Impfungen so, dass man Menschen eine schwache oder inaktivierte Version eines Erregers verabreichte: stark genug, um die Alarmglocken im Immunsystem zu läuten und den Körper zu veranlassen, Abwehrkräfte gegen den Erreger aufzubauen, aber nicht stark genug, um jemanden krank zu machen.

Frühe Versuche mit demselben Ansatz beim Malariaparasiten wurden durch die Schwierigkeit, den Parasiten in einem Labor zu züchten, und eine Reihe anderer logistischer Probleme gebremst, sagt Sinnis. Dann begannen Forscher in den 80er-Jahren, einen damals völlig neuen Ansatz für einen Malaria-Impfstoff zu erforschen. Dafür war nicht der gesamte Parasit, sondern nur ein kleiner Teil davon nötig.

Die Wissenschaftler identifizierten zunächst die Proteine, die sich nach dem Eindringen auf der Oberfläche des Malariaparasiten befinden. Das sind potenzielle Ziele, die das Immunsystem erkennen und angreifen könnte. Für eine verstärkte Immunreaktion, so entdeckten die Forscher, müssten zusätzliche Bestandteile hinzugefügt werden.

Die Auswahl dieser zusätzlichen immunstimulierenden Komponenten, sogenannte Adjuvantien, und ihre Kombination mit den Malariaproteinen stellte eine wissenschaftliche Herausforderung dar. Denn das menschliche Immunsystem verfügt über mehrere Sicherheitsmechanismen, die verhindern sollen, dass es irrelevante oder harmlose Proteine angreift. Was vor Autoimmunkrankheiten und Allergien schützt, wie Immunologen vermuten, scheint allerdings auch die Parasiten-Proteine zu schonen.

In den 1990er Jahren entwickelte ein Team des Walter Reed Army Institute of Research in der US-Hauptstadt Washington gemeinsam mit SmithKline Beecham Biologicals eine ungewöhnliche Impfstoff-Kombination. Mosquirix enthält Kopien eines einzigen Proteins, das die Oberfläche des Parasiten in seinen frühen Lebensstadien ziert, und für seinen Einsatz im Impfstoff mit einem Hepatitis-B-Oberflächenantigen verschmolzen ist. Dieses Duo wird dann mit Adjuvantien kombiniert, darunter etwa eine aus der Rinde eines seltenen chilenischen Baumes gewonnene Substanz. Hinzu kommt auch ein entgiftetes Lipidmolekül aus Salmonellenbakterien, das in seiner Originalform so giftig ist, dass sie das Immunsystem "verrückt macht", so Sinnis.

Das seltsame medizinische Gebräu schien den gewünschten Effekt zu erzielen. Der Impfstoff schützte sechs von sieben Freiwilligen vor dem Parasiten, wie ein Forscherteam, dem auch Wissenschaftler von Walter Reed und GSK angehörten, in einer 1997 im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie mit wenigen Probanden nachwies.