Metamaterialien: Stoffe stellen die Physik auf den Kopf

Seite 4: Metamaterial auch interessant für Sportschuhe

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Die breite technische Anwendung solcher Materialien wird allerdings – noch – durch eine Vielzahl an "technischen Fragen" gebremst. "Die ingenieurtechnische Entwicklung solcher Materialien ist eine sehr komplexe Aufgabe", sagt Heiko Andrä, der im Fraunhofer Cluster "Programmable Materials" und am Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM an der Optimierung "programmierbarer Materialien" forscht. "Man muss nicht nur das Design der einzelnen Einheitszelle und deren Zusammenarbeit in zwei- und dreidimensionalen Gittern beherrschen, man muss auch die Herstellung sicherstellen, und dazu noch garantieren, dass das Material über viele Zyklen seine Funktion behält.“

Im breiteren Feld der "programmierbaren Materialien" arbeiten Andrä und seine Kollegen vorwiegend an mechanischen Metamaterialien. Auch die bestehen aus einem regelmäßigen Gitter von Grundelementen – den "Einheitszellen", die mechanische Eigenschaften haben, die sich durch Trigger verändern. "Ein typischer Kunststoff zum Beispiel dämpft normalerweise weniger, wenn er auf eine harte Unterlage trifft, und mehr, wenn er auf eine weiche Unterlage kommt", sagt Andrä. "Man kann aber ein Material herstellen, das sich genau umgekehrt verhält, also beim Laufen auf weichem Waldboden steif ist und beim Gehen auf Asphalt gut dämpft“ – ziemlich interessant für Sportschuhe. Die Einheitszelle für solch ein Material kann zum Beispiel in der Mitte jeder Zelle eine Art kleinen Blasebalg enthalten, durch den Luft strömt. Je nachdem wie die Stärke des Luftstroms eingestellt ist, verhält sich die Dämpfung der Zelle. "Man kann aber auch dämpfende Metamaterialien konstruieren, die nicht auf der Reibung eines Fluids, sondern auf der Reibung zwischen Pulverpartikeln basieren", sagt er.

Ganz so einfach wie herkömmliche Bauteile im CAD-Programm konstruiert werden, lassen sich solche komplexen Metamaterial-Geometrien nicht entwerfen. Zum Design und zur Dimensionierung sind moderne mathematische Algorithmen erforderlich, die auch die Herstellung einbeziehen. Das, was aus dem 3D-Drucker kommt, ist zudem heutzutage meist "noch nicht so ideal, wie man sich das vorstellt", sagt Andrä. "Es gibt Rauigkeiten, das Material verzieht sich, enthält ungewollte Poren und so weiter – was berücksichtigt werden muss." Dennoch ist auch Andrä davon überzeugt, dass sich an dieser Stelle ein Umbruch vollzieht – weg von herkömmlichen und hin zu smarten und robusten Materialien, die komplette Systeme inklusive Aktoren, Sensoren und Stromversorgung ersetzen. Diese werden höchstwahrscheinlich zuerst dort zum Einsatz kommen, wo es keine klassischen Alternativen gibt. Wie zum Beispiel bei den Spiegeln von Stefanie Kroker. "Metamaterialien", sagt sie begeistert, "sind an der Stelle physikalisch einfach besser. So etwas können Sie mit herkömmlichen Materialien nicht machen. Das ist keine technische Frage, sondern eine Frage der Physik."

(lca)