Missing Link: Digitalisierung befeuert milliardenschwere Untergrundwirtschaft

Seite 3: Geldwäsche

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Die Betroffenen setzen laut der Analyse jedoch "verschiedene illegale Mechanismen" ein, um diese Maßnahmen zu umgehen. Europol erwähnt hier die Verschleierung des wirtschaftlichen Eigentums, den Einsatz von Vermittlern und gefälschten Dokumenten sowie die Verlagerung und Unterbewertung beweglicher Vermögenswerte. Die Nutzung von Drittländern zur Kanalisierung von Transaktionen aus Russland sei ein häufiges Element.

Kryptowährungen dürften (neben Bargeldtransaktionen) auch für Geldwäscheprogramme im Zusammenhang mit der Umgehung von Sanktionen eingesetzt werden, schreibt Europol und erwähnt die Schließung der Krypto-Plattform Bitzlato. Diese habe die schnelle Umwandlung verschiedener Krypto-Werte wie Bitcoin, Ethereum, Litecoin, Bitcoin Cash, Dash, Dogecoin und Tether in russische Rubel ermöglicht. Insgesamt habe die Börse wohl einen Umsatz im Gesamtwert von 2,1 Milliarden Euro gemacht. Ermittlungen hätten ergeben, "dass große Mengen krimineller Vermögenswerte über die Plattform liefen".

Aufgrund ihres wenig hervorstechenden Charakters gehören Finanz- und Wirtschaftskriminalität laut der Studie zu den verbrecherischen Aktivitäten, die am schwierigsten zu untersuchen und zu bekämpfen sind. In einer fragmentierten Landschaft interagierten verschiedene kriminelle Akteure miteinander, was einschlägige Operationen komplexer und verworrener mache. Die Hauptakteure blieben in der Regel anonym und operierten unabhängig.

Nicht arm ist der Bericht an Statistiken: Fast 70 Prozent der in der EU tätigen kriminellen Netzwerke nutzen demnach die eine oder andere Form der Geldwäsche, um ihre Aktivitäten zu finanzieren und ihr Vermögen zu verschleiern. Mehr als 60 Prozent setzten auf Methoden der Korruption, um ihre illegalen Ziele zu erreichen. 80 Prozent missbrauchten legale Geschäftsstrukturen für kriminelle Aktivitäten. Die Hauptverantwortlichen seien häufig außerhalb der EU ansässig.

Die Beschlagnahme von Vermögenswerten bleibt laut Europol "eines der wirksamsten Instrumente zur Gegenwehr". Sie entziehe Kriminellen ihre unrechtmäßig erworbenen Reichtümer und hindere sie daran, es in weitere Kriminalität zu reinvestieren oder es in die allgemeine Wirtschaft zu integrieren. Die EU-Gesetzgeber, Mitgliedstaaten und Strafverfolgungsbehörden seien zunehmend bemüht, die wirtschaftliche Macht schwerer und organisierter Kriminalität über diesen Ansatz zu untergraben. Dennoch sei die Höhe der eingezogenen Erlöse immer noch zu niedrig – sie liege bei weniger als 2 Prozent der geschätzten jährlichen Erträge der organisierten Kriminalität.

Aktuell bietet den Analysten zufolge auch der Übergang der EU zu einer ökologisch nachhaltigeren und widerstandsfähigeren Wirtschaft "Risiken für kriminelle Unterschlagung". Unterschiedliche Betrugspläne, korrupte Praktiken, die Veruntreuung von Geldern, der kriminelle Missbrauch der wachsenden Umweltindustrie und die schädlichen Nebenwirkungen der Produktfälschung auf die natürliche Umwelt könnten die Ambition des grünen Deals behindern. Es sei auch mit ausgefeilteren Betrugsversuchen zu rechnen, die auf Schwellenländer im Rahmen dieser Transformation abzielten.

Als "perfekte Zielgruppe" für die beschriebene parallele Untergrundwirtschaft hat Europol "gefährdete Bevölkerungsgruppen" und dabei insbesondere Jugendliche ausgemacht, "denen es an Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen" und in die Rechtsstaatlichkeit fehle. "Akteure, die an Wirtschafts- und Finanzkriminalität beteiligt sind, nutzen Schwachstellen in Wirtschafts- und Sozialsystemen aus, um illegale Gewinne in Milliardenhöhe zu erwirtschaften", zeigt sich Europol-Direktorin Catherine De Bolle alarmiert. Beschlagnahmte Vermögenswerte seien dagegen bislang nur "ein Tropfen im Ozean". Für sie steht fest: "Wir müssen bestehende Kooperationen und Partnerschaften stärken und neue Ansätze entwickeln." Insbesondere die öffentlich-private Zusammenarbeit werde dabei eine zentrale Rolle spielen: Nur gemeinsam lasse sich verhindern, "dass kriminelle Gewinne in das legale Finanzsystem gelangen".

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson beklagt die "zerstörerische Kraft" in der Gesellschaft, die das große Ausmaß der Finanz- und Wirtschaftskriminalität schon erlangt habe. Europol und das dort 2020 eingerichtete Europäische Zentrum für Finanz- und Wirtschaftskriminalität seien Teil der Lösung. Wenn die Mitgliedstaaten in diesem Kampf noch enger zusammenarbeiteten, "können wir großartige Ergebnisse erzielen".

(bme)