Missing Link: EU-Urheberrechtsreform - "Öffentliches Interesse wird ignoriert"

Seite 2: Finaler Richtlinientext - Die Zeit drängt

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Eigentlich sollte der Trilog bereits vor Weihnachten sein Ende finden und ein Deal zwischen den EU-Gremien stehen. Die beteiligten Teams konnten sich aber nicht auf einen gemeinsamen Text einigen, sodass sie am 21. Januar weiterverhandeln und die Gespräche dann auch abschließen wollen mit einem finalen Richtlinientext. Weitere Änderungen wären dann nicht mehr möglich, das Parlamentsplenum könnte das Ergebnis höchstens noch im Plenum rundherum ablehnen. Die neue rumänische Ratspräsidentschaft muss sich von den Regierungen der Mitgliedsstaaten vor der letzten Runde aber noch ein neues Verhandlungsmandat abholen, da das alte 2018 abgelaufen ist.

Die Zeit drängt, da im Mai die EU-Wahlen anstehen und bis dahin das komplette Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein müsste. Eine Mehrheit gegen Upload-Filter und das kaum weniger umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet habe sich bislang nicht abgezeichnet, twitterte Reda. In dem von ihr zuletzt publik gemachten Entwurf bildet Artikel 13 noch eine große Leerstelle.

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Viele Abgeordnete beklagen parallel, dass das Vorhaben von einem enormen Lobbygetöse begleitet werde. Die Beobachter vom "Corporate Europe Observatory" (CEO) haben sich die Schlacht genauer angesehen und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Streit über das Copyright ein Paradebeispiel dafür biete, wie ein "aggressives Lobbying von untereinander konkurrierender Industrien häufig andere Stimmen abdrängt und die öffentliche Debatte erfolgreich verzerrt".

Stimmen aus der Zivilgesellschaft, von Forschern, Verbraucherschützern oder Menschenrechtlern und das "öffentliche Interesse" insgesamt seien in dieser lautstark geführten Auseinandersetzung weitgehend untergegangen oder ignoriert worden, konstatiert die nicht-staatliche Organisation. Unabhängig vom Ausgang der abschließenden Verhandlungen zeichne sich ab, dass es sich nicht um einen "effektiven" und "nachvollziehbaren" demokratischen Prozess gehandelt habe. Zugleich werde erneut deutlich, dass die Regeln für Lobby-Transparenz verschärft werden müssten. Es sei oft unklar geblieben, wer sich für welche Ziele stark gemacht habe.

Eine Analyse der Lobbykontakte der Kommission im Rahmen ihres ersten Aufschlags für die Novelle zeigt laut CEO, dass im einschlägigen Register seit November 2014 765 Kontakte zum Thema Copyright eingetragen sind. Über 93 Prozent davon sind mit "Unternehmensinteressen" im weitesten Sinne gekennzeichnet. Dahinter stehen der Untersuchung zufolge aber in der Regel nicht die kalifornischen Internetriesen, sondern Verwertungsgesellschaften, Vertreter der Kreativwirtschaft sowie Presseverlage.

Im Gedächtnis haften geblieben ist EU-Politikern etwa eine Kampagne des Verbands Edima, der Konzerne wie Amazon, Facebook, Google oder Oath vertritt und Kleintransporter mit Plakaten gegen Artikel 13 über einen belebten Brüsseler Platz fahren ließ. Kaum zu vergessen sind aber auch Wurfsendungen der Koalition Europe For Creators, hinter denen der Dachverband europäischer Verwertungsgesellschaften GESAC mit seinen Mitgliedern wie der GEMA steht. Die extra gegründete Allianz sandte neben Warnungen vor akuten Angriffen auf die Kultur auch eine Karte mit Kondom nebst dem Hinweis an Abgeordnetenbüros, dass man neben den "Tech-Giganten" auch Schutzvorkehrungen liebe.

Parallel haben über vier Millionen Nutzer eine Petition gegen die drohende "Zensurmaschine" unterzeichnet. Der Chaos Computer Club (CCC) und die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) befürchten aber, dass viele Parlamentarier dabei Bots am Werk sehen. Sie haben daher dazu aufgerufen, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier anzurufen oder sein Büro anzumailen, um zu verdeutlichen, dass reale Menschen hinter den Unterschriften stehen. Dem CDU-Politiker und der Bundesregierung komme eine Schlüsselrolle bei der voraussichtlich letzten Trilog-Runde zu.

(bme)