Missing Link: Freibier für alle – Trump löst mit Linux Weltkrieg aus

Seite 3: Kommentarkommentarekommentar

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Nun bin ich doch dort gelandet, wo ich eigentlich nicht hinwollte, nämlich dabei, meinen eigenen Kommentar zu erläutern oder gar zu rechtfertigen, also Kommentarkommentare zu kommentieren. Aber zum Beruf des Journalisten gehört es nach meinem Verständnis auch, nicht nur meine Meinung zur Diskussion zu stellen, sondern auch meine Prinzipien zu überdenken und dies beizeiten transparent zu machen. Daher nutze ich die Gelegenheit, auf ein paar Fragen einzugehen, die in einem meiner Ansicht nach exemplarischen Leserkommentar aufgeworfen werden. Einige der Frage habe ich oben bereits zumindest angeschnitten.

"1. Von einem Reporter erwarte ich, dass er unvoreingenommen an ein Thema herantritt und sowohl Pros und Contras beleuchtet. Hier wird lediglich eine persönliche Meinung wiedergegeben um Einfluss auf die Leserschaft nehmen zu können. Im Grunde genommen nutzen Sie somit ebenfalls eine Plattform um ihre Meinung und Ansichten vertreten zu können. Ob es sich dabei um Facebook, Instagram oder wie in diesem Fall Heise handelt, ist irrelevant. Dazu noch die Frage, warum sie glauben, dass Ihre Meinung/Ansichten die richtigen sind?"

Ja, ich nutze eine Plattform dazu, um meine Meinung wiederzugeben und Einfluss auf die Leserschaft zu nehmen, und zwar Einfluss in dem Sinne, sich überhaupt erst einmal über das Thema Gedanken zu machen. Der Artikel ist mit "Kommentar" gekennzeichnet und mit meinem Namen versehen. Er enthält meine Ansichten, die ich zu dem Zeitpunkt, zu dem sie erschienen, für richtig hielt; unter anderem, dass ich nichts vorbringen kann, was für die Erhaltung der sozialen Netzwerke in den Händen von Privatunternehmen spricht. Er besagt nicht, dass ich nicht davon abrücken will. So funktionieren Meinungsjournalismus und auch Wissenschaft. Das wissen viele Menschen nicht, und das gerade in dieser Zeit, in der so viel gelesen und geschrieben wird wie noch zu keiner Zeit zuvor. In der die Menschen durch die Viruspandemie und die öffentliche Berichterstattung so viel über wissenschaftliche Vorgänge mitbekommen können wie noch zu keiner Zeit in der Menschheitsgeschichte.

Nach meinem Verständnis ist es nicht irrelevant, auf welcher Plattform ich meine Ansichten vertrete. heise online unterscheidet sich von den sozialen Medien dadurch, dass es einem journalistischen Ethos folgt und von den Lesern auch daran gemessen wird. Zu diesem Ethos gehört auch Meinungspluralität und die Erkenntnis, diese nicht als alleiniges Medium, schon gar nicht als einziger Journalist abdecken zu können. Konkurrenz gehört hier zwingend zum Geschäft, die Medien ergänzen sich untereinander in ihren jeweiligen Sichtweisen. Die Internetnutzer haben die freie Wahl, sich aus ihnen zu bedienen und damit die Möglichkeit, Ambiguitätstoleranz zu üben.

Einige Zeit sah es so aus, als würden Clickbait-Schleudern und "nutzergenerierter Content" den "alten Medien" das Wasser abgraben. Facebook, Google und auch Apple haben wohl erkannt, dass ihre Zukunft nicht mehr darin liegt, auch auf Kosten der Wahrheit und sprachlicher Qualität Aufmerksamkeit zu erheischen. Daher versuchen sie, von den "alten Medien" zu profitieren, indem sie mit ihnen kooperieren, sie fördern und ihren Nutzern journalistische Inhalte präsentieren; kurz: für ihre monopolistischen Zwecke zu instrumentalisieren.

Der Aspekt der Meinungspluralität ist dabei auch deshalb wichtig, weil es anders als von dem hier zitierten Leser erwartet so gut wie unmöglich ist, dass ich oder ein anderer Journalist "unvoreingenommen" an ein Thema herangeht. Mit zunehmender Kenntnis von der Materie – hier die sozialen Netzwerke und ihre Implikationen – entsteht zwangsläufig auch eine Meinung darüber; so wie jeder Mensch ständig Eindrücke von der Welt sammelt und für sich vor dem Hintergrund der Vorkenntnisse sortiert. Ein Journalist ist keine leblose abgekoppelte Maschine. Nur wer völlig unbeleckt von einer Materie ist, könnte ihr gegenüber "unvoreingenommen" sein – doch dann sollte er nicht darüber schreiben.

"2. Warum glauben Sie eigentlich, dass wir in Europa besser sind und mit dem Finger auf andere zeigen dürfen? Wir in Europa haben Berlusconi, Orban und Johnson gewählt. Der Unterschied zwischen Trump und den anderen genannten ist, dass die eben nur nicht auf die Idee gekommen sind, soziale Medien als Plattform zu benutzen."

Ich glaube gar nicht, dass wir in Europa "besser" sind als die US-Amerikaner, davon ist in meinem Kommentar an keiner Stelle die Rede. Ich bin davon überzeugt, dass die neuen rechtsextremen Sammelbecken ohne die sozialen Medien nicht einen solch großen Zulauf gefunden hätten und nur ein Vogelschiss geblieben wären, also höchstens in den Dimensionen von seinerzeit NPD, DVU und hiesigen Republikanern. Es kann durchaus sein, dass uns die USA im Kampf großer Teile der Bevölkerung gegen die Demokratie, in der tiefen gesellschaftlichen Spaltung wie auch schon in anderen sozialen, kulturellen und politischen Strömungen nur ein paar Jahre voraus sind.

"3. Es darf keine Zensur in einer Demokratie geben, wo wäre denn sonst der Sinn dieses Systems? Und wie ein anderer schon schrieb: Eine Demokratie muss so etwas aushalten!"

Hätte die Weimarer Republik die Nazis aushalten müssen? Da wären wir wohl bei dem vom Philosophen Karl Popper formulierten Toleranz-Paradoxon angekommen, indem es darum geht, wie eine tolerante Gesellschaft es verhindern kann, dass intolerante Kräfte ihre Toleranz einschränken oder ganz vernichten. Darauf gibt es keine einfache Antwort. Popper selbst meinte, uneingeschränkte Toleranz führe notwendig dazu, dass die Toleranz verschwindet.

Es ist ein Problem, das jeden einzelnen Menschen angeht; über das sich jeder Gedanken machen sollte, der wert auf ein demokratisches Miteinander legt, auf Mitmenschlichkeit und Solidarität. Es ist ein Problem, das Demagogen schnurzegal ist oder das sie erst dann für sich reklamieren, wenn sie sich zum Opfer stilisieren, weil sie zum Beispiel vom Verfassungsschutz beobachtet oder von Twitter mit Warnhinweisen versehen werden.