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Missing Link: Global Digital Compact – Vollkastastrophe oder verpasste Chance

Monika Ermert
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(Bild: EA09 Studio/Shutterstock.com)

"Global Digital Compact": Der Zukunftsgipfel 2024 soll bei den Fragen Krieg, Klima und Zusammenleben eine große Rolle spielen – das Digitale eine ganz große.

UN Generalsekretär António Guterres hat der Rettung der Welt eine Struktur gegeben: Beim Zukunftsgipfel 2024 soll sich die Völkergemeinschaft zu den essentiellen Fragen Krieg, Klima, Zusammenleben zusammenraufen – und das Digitale soll dabei eine ganz große Rolle spielen. Aber wer schreibt eigentlich an dem dafür geplanten "Global Digital Compact" mit?

Am 22. und 23. Dezember 2024 lädt der UN Generalsekretär zum "Zukunftsgipfel" der Vereinten Nationen. Mit dem Gipfel will Guterres den Mitgliedsstaaten und seiner Organisation einen Kick geben, die vor Jahren vereinbarten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung 2030 auf den letzten Metern noch zu erreichen.

Sustainable Development Goals

(Bild: Bundesregierung)

Guterres blickte in seinem Bericht "Our Common Agenda", der den Prozess für den Gipfel 2024 einläutete, aber zugleich weiter in die Zukunft. Digitale Technologie, digitales Zusammenleben und digitale Gefahren sollen, wenn es nach Guterres geht, dabei mitverhandelt werden, von Abrüstung im Cyber- und Drohnenkrieg bis zu einem Grundrecht auf Netzzugang.

Punkt sieben (von 12) von "Our Common Agenda" fokussiert auf die Digitalpolitik, genauer gesagt auf "die Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich Digitales". Netzzugang für alle und die Fortführung des Anschlusses aller Schulen weltweit ans Netz, Vermeidung einer Fragmentierung, mehr Datenschutz und überhaupt Durchsetzung von Menschenrechten online stehen auf der Aufgabenliste – ebenso das Schlagwort "digitalen Allmende", das Internet als öffentlichem Gut, und mehr Rechenschaftspflicht für diskriminierende und manipulative Inhalte im Netz.

Der Global Digital Compact (GDC [1]) soll die Leitschnur für die digitale Zukunft sein, kein verbindlicher Völkerrechtsvertrag, aber ein "Konsensdokument, das die Regierungen stärker in die Pflicht nimmt", wie Regine Grienberger, Cyber Botschafterin des Auswärtigen Amtes erklärt.

Our Common Agenda – Digital eines von vielen Themen

Die Common Agenda [2], die auch einen Sozialgipfel, Reformen für die UN und viele weitere Dinge enthält, sei ein ganz gutes Dokument, sagt Anriette Esterhuysen. Esterhuysen ist die frühere Vorsitzende des Membership Adivsory Council (MAG) des Internet Governance Forum (IGF). Viele Jahre vertrat sie die Association for Progressive Communication (APC), die im Bereich Community-Networks besonders in den Ländern des Globalen Südens aktiv ist.

Beim GDC, so Esterhuysens Sorge, drohe die Diskussion aber sehr in Richtung "Missbrauch" abzugleiten. "Das ist gar nicht grundsätzlich falsch, gefährliche Dinge müssen adressiert werden, meine Sorge ist aber, dass hier viel zu sehr auf die individuelle Verantwortung, und nicht auf die Wirkung von Geschäftsmodellen geblickt wird." Anstatt Nutzerinhalte durch die Plattformen regulieren zu lassen, sollte die Wirkung von Geschäftsmodellen im Vordergrund regulatorischer Bemühungen stehen.

Aus Esterhuysens Sicht sollte ein "Global Compact" sich um die das große Ganze kümmern: wie Regierungen Verantwortung für Vernetzung übernehmen, wie Firmenverhalten beeinflusst werden kann, und wie die Basisinfrastruktur des Internets verwaltet wird. Ansonsten verzettele man sich auf dem digitalen Parkett. Esterhuysen hegt auch gewisse Vorbehalte dagegen, dass das IGF marginalisiert werden könnten, anstatt dieses Modell der gleichberechtigten Zusammenarbeit zwischen Staaten und nicht-staatlichen Akteuren weiterzuentwickeln.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Die Sorge, dass die bisherige Selbstverwaltung im Netz über Organisationen wie die Internet Engineering Task Force oder auch die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) durch zentralisierende Maßnahmen konterkariert werden könnte, hat auch den Chaos Computer Club (CCC) veranlasst, sich den GDC Prozess doch noch anzuschauen, sagt CCC-Sprecherin Elina Eickstädt. Das Sorgenkind Nummer eins bleiben zwar die UN-Verhandlungen zu einem Cybercrime-Treaty, denn diese sollen Staaten am Ende fest binden, aber im breit angelegten Rahmen des GDC könnten am Ende vielleicht doch trojanische Pferde stecken.

Echte Teilhabe für jedermann am GDC Prozess ist angeblich gesichert. Einen offenen, neudeutsch "Multi-Stakeholder"-Prozess hatte der UN-Generalsekretär in Aussicht gestellt. Das Konzept der gleichberechtigten Teilhabe an der Entwicklung von Regeln geht innerhalb der UN auf die Working Group on Internet Governance (WGIG) zurück. Beim ersten UN-Weltgipfel der Informationsgesellschaft (2003-2005) hatten sich die erstmals mit Internetfragen befassten Diplomaten das Multi-Stakeholder-Konzept unter anderem von der ICANN entlehnt und in der Folge auch zum Prinzip des IGF der UN gemacht.

Auch in anderen nicht-Netz-bezogenen Bereichen der "Common Agenda" möchte Guterres mehr Multi-Stakeholder zu wagen. Für den GDC soll der eigens von Guterres eingesetzte Tech Envoy der UN, Amandeep Singh Gill, den zugegebenermaßen anspruchsvollen Prozess einer weltweiten Konsultation organisieren. Beim Einsammeln der Meinungen helfen werden außerdem die New Yorker UN-Botschafter von Schweden und Ruanda.

Am 27. März leiteten Anna Karin Eneström und ihr ruandischer Kollege Claver Gatete in New York so eine Anhörung zu den Fragen digitale Inklusion und Konnektivität. Weitere Runden zu Internet Selbstverwaltung [4] (13. April), zu Datenschutz (24. April), zu Sicherheit und Vertrauen (25. Mai), zu KI (2. Juni), zu Global Digital Commons (9. Juni) und mehr sollen folgen. Viele dieser Treffen sind nach der Abgabefrist für schriftliche Stellungnahmen am 30. April. Wie genau sie Eingang in den finalen GDC Text finden, ist nicht klar.

Die Bereitschaft, solche Anhörungen aufzusetzen, sei ein großer Schritt für einen UN-Prozess, sagt Elisabeth Schauermann, Teamleitung Gesellschaft und Internationales bei der Gesellschaft für Informatik. Schauermann war das Herz des Projekt Youth IGF Summit der GI, das im Zusammenhang mit dem Berliner IGF entstanden ist.

Die Einbeziehung junger Leute soll frischen Wind in die meist etwas verstaubt und angegraut wirkenden UN-Prozesse bringen und den Generationswechsel in der Netzpolitik fördern. Denn die erste Generation von Nerds geht langsam in Rente. Dass das Früchte getragen hat, zeigt der deutsche Beitrag vom Youth IGF Deutschland – also der deutschen IGF Jugend. Sie hat ihn Ende Februar in Berlin an Tech Envoy Gill übergeben. Das kurze Papier (PDF) [5] listet wenige konkrete Forderungen auf, wofür Regierungen, Wirtschaft und Entwickler im Rahmen eines Compact Verantwortung übernehmen müssten.

Wer universeller Zugang sagt, muss so beispielsweise auf Internet-Shutdowns verzichten. Wer die Daten seiner Bürger schützen will, muss Datenschutz-freundlichen Cookie-Einstellungen als Default verfügen. Skeptisch sind die Jungen auch gegenüber der vom offiziellen Europa vertretenen Werbung für europäische Internetgesetze. Man dürfe, schreiben sie, sie nicht als allein selig-machenden Goldstandard verkaufen, sondern auch andere Ansätze anerkennen, etwa die CARE-Prinzipien (Collective Benefit, Authority to Control, Responsibility, and Ethics).

Bis 30.3. hielt sich die Zahl der Stellungnahmen in Grenzen – jetzt kann man einen Monat länger liefern und darüber hinaus bei den Deep Dives sprechen.

(Bild: UN)

Was niemand so richtig sagen kann, ist, welches Gewicht solche Stellungnahmen am Ende haben werden. Praktisch alle nicht-staatlichen Akteure sprechen von einer Blackbox. Bei einer Ministerkonferenz im September sollen auf jeden Fall Regierungen verhandeln und am Ende über den finalen Text entscheiden. Auf den rein zwischenstaatlichen Charakter des Prozesses pochen unter anderem die Gruppe der 77 und China. Chinas Vertreter hat das beim März-Treffen in New York nochmals dick unterstrichen. Anzeichen dafür, dass die traditionelle UN-Etikette hier Multi-Stakeholder schlägt, bot dieses Treffen auch. Ganz im Still traditioneller UN-Etikette darf nämlich zuerst jedes einzelne Land sprechen, bevor NGOs, Firmen und Verbände zu Wort kommen, wenn sich der Saal schon halb geleert hat.

Ein höfliches "Dankeschön" für ihre Stellungnahmen und die Ankündigung "was am Ende herauskommt, erfahren Sie 2024", reiche gerade für NGOs kaum aus, um den Aufwand einer Beteiligung am GDC-Prozess zu legitimieren, sagt Schauermann. "Es wäre deshalb wirklich wichtig, die Transparenzbemühungen auch bei den nächsten Schritten beizubehalten", sagt sie.

"Wir wissen wirklich nicht, wie effektiv es ist, wenn wir uns hier beteiligen", bestätigt CCC Sprecherin Eickstädt. Organisationen wie ihre müssten abwägen, ob man sich in den GDC Prozess einklinkt oder ob seine Energie nicht an anderer Stellen einsetzt, "wo das Internet gerade gerettet werden muss", sagt sie. "Schlechte Internet-Regulierung hat Hochkonjunktur". Man könne es keiner Organisation verdenken, die sich entscheide, genügend andere netzpolitische Feuer auszutreten.

Eickstädt hat erst im März nach Gesprächen bei der UN Commission of the Status of Women [6], die sich mit technologischem Wandel und digitaler Erziehung befasste, entschieden, dass die GDC Verhandlungen möglicherweise Feuer fürs Internet bedeuten könnten. Beim bevorstehenden Easterhack des CCC werde sie nun auch Ideen aus der CCC-Community sammeln.

Wie es sein kann, dass selbst netzpolitisch aktive NGOs eher zufällig auf den GDP Prozess stoßen? Nach Ansicht von Esterhuysen ist das das Ergebnis einer zu unsystematischen Herangehensweise an die Konsultation. Es fehlt nach Ansicht der Südafrikanerin an einem echten Outreach außerhalb der relativ kleinen Internet Governance Community. In Subsahara Afrika sei der GDC kaum ein Thema – das ist übrigens selbst in netzpolitisch aktiven Regionen wie den USA ganz ähnlich, bestätigt Milton Mueller, Professor am Georgia Institute of Technology und Gründer des umtriebigen Internet Governance Project. Esterhuysen konstatiert, es fehle auch an einem Drive, bestehende Strukturen auch in der UN selbst zu nutzen.

Für sie als ehemalige MAG Vorsitzende ist der Verzicht auf die Nutzung des IGF, das seit bald 20 Jahren an genau den Themen arbeitet, die der GDC adressieren soll, der erste große Sündenfall. Zwar ist ein von Guterres eingesetztes IGF-High Level Panel gerade dabei, eine offizielle Stellungnahme des IGF vorzubereiten. Die ist aber laut dem High Level Panel-Vorsitzenden Vint Cerf, der Internetpionier und Google Evanglist ist, auch fertig. Ein Ersatz dafür, das IGF als echte Drehscheibe für die Konsultation zu nutzen, sei das nicht, findet Esterhuysen.

Genau diese Idee hatten die Schweizer Delegation vorgeschlagen, erklären Vertreter des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom) gegenüber heise. Doch es fehlte an ausreichender Unterstützung, selbst von den üblicherweise befreundeten Partnern – den like minded countries – also etwa den Europäern. "Für echte Multi-Stakeholderverfahren bedarf es allerdings der Teilhabe über die ganze Dauer eines Prozesses bis hin zur Übernahme von Verantwortung für die sich anschließende Umsetzung", sagt Botschafter Thomas Schneider, Leiter International Relations beim Bakom.

Die Schwierigkeiten mit einer breiten Konsultation hat man auch in Deutschland. Zwar hat das Auswärtige Amt Gespräche des UN-Tech Envoy mit lokalen Stakeholdern in Kenia, Indien und Mexiko organisiert und finanziert. In Kenia hat man laut Grienberger, Vertreter aus rund 20 afrikanischen Ländern mit dem Tech Envoy zusammengeführt und zivilgesellschaftliche Vertreter habe man dabei natürlich eingeladen.

Auf die Frage, ob man ähnliche Veranstaltungen für die deutsche Community organisiert, verweist Grienberger aber auf die Arbeitsteilung der Ressorts. Bei allen Fragen zur Digitalpolitik wäre das Digital- und Verkehrsministerium zuständig. Die Webseite des BMDV liefert bei einem Suchlauf über die eigene Seite allerdings aktuell null Treffer.

Suche nach GDC auf Seite des Bundesministerium für Digitales und Verkehr.

Auch die Veranstaltung in Berlin mit Gill blieb unter dem Radar einer breiteren lokalen Community. Der CCC und wohl auch viele andere NGOs und Verbände wussten nichts von diesem Termin. Die Gastgeber, Digital Society Institute, United Nations Association of Germany (DGVN) und das IGF-D, entschieden sich außerdem gegen ein Streamen der Veranstaltung.

Eine Debatte über die digitale Zukunft rein analog? Auch sie und ihre Mitstreiterinnen beim Youth IGF hätten sich darüber etwas gewundert, sagt Morasch von der deutschen Youth IGF. Pläne der Jungen, im Rahmen des IGF-D doch noch eine Diskussionsrunde für die lokale Community aufzusetzen, scheiterten an Bedenken bei den "Alten", dass für die Entwicklung einer gemeinsamen Stellungnahme die Zeit zu knapp war. Ursprünglich war die Frist für schriftliche Eingaben beim Tech Envoy auf Ende März gesetzt.

CCC-Sprecherin Eickstädt kritisiert, dass die Ministerien nicht wuchern mit den Pfunden, die ihnen zur Verfügung stehen. "Ich bin massiv enttäuscht von der Bundesregierung", so ihr Kommentar, "dass sie sich der vielen Expertinnen, die die deutsche Zivilgesellschaft zu den Digitalthemen hat, einfach nicht bedient, gerade wo sie doch als einer der Ko-Moderatoren für den UN-Zukunftsgipfel 2024 verantwortlich sein wird."

Von der technischen Expertise beim CCC, der sich auch schon viele Jahre mit der technischen Infrastruktur und auch den Governance-Fragen beschäftigt, bis zu neueren Gruppen wie dem Superrlab [7], das Prinzipien einer feministischen Tech-Politik formuliert hat, lasse man Wissen brach liegen. Grienberger reagiert ein bisschen erstaunt auf solche Kritik. Das Kreuzen der Themen Cyber und feministsche Außenpolitik will sie auf dem Schirm haben. Man habe aktuell eine Veranstaltungsreihe mit dem Center for Femininist Foreign Policy (CFFP), wo man über solche Ansätze nachdenken könne.

Zur Frage der besseren Zusammenarbeit der staatlichen mit den nicht-staatlichen Stakeholdern gebe viele Gelegenheiten im GDC Prozess. "Es kommt nicht so darauf an, möglichst bei jeder Veranstaltung die Massen zu erreichen", meint sie. Gills Berliner Gastspiel beispielsweise sei durchaus eine solche Gelegenheit gewesen und das am Vorabend veranstaltete Jimmy-Schultz-Dinner habe auch noch Parlamentarier mit ins Boot geholt.

Eine fortgesetzte Rückkoppelung zwischen Regierungs- und anderen Gruppen auf dem Weg zum GDC befürwortet die Diplomatin im übrigen auch selbst. "Wir haben der Gruppen von Leuten, mit denen wir bei den Regionalkonsultationen in Kenia, Mexiko und Indien gesprochen haben, ermuntert, auch in der zweiten Runde des Prozesses wieder einzuhaken." Diese beginnt wohl, wenn das erste Entwurfspapier von den GDC-Moderatoren Ruanda und Schweden – oder vielleicht auch dem Tech Envoy – formuliert wurde und bevor die Regierungen sich dann zu Verhandlungen über den finalen Text zurückziehen. Wer den Text schreibt, ist übrigens auch nicht klar. Eine Anfrage bei Schwedens Botschafterin ergibt die freundliche Bitte, sich in Fragen des GDC direkt an die UN zu wenden. Aus dem Büro des Tech Envoys gibt es nur die Bitte, zu einem späteren Zeitpunkt nochmal anzufragen.

Mehr Multi-Stakeholder und ein Bekenntnis zum Internet Governance Forum gehören auf jeden Fall zu den deutschen Zielen, sagt Grienberger auf die Frage danach, was sie beim GDC zu erreichen hofft. Auch ein klares Bekenntnis dazu, dass man die SDG 2030 erreichen muss, gehört nach Ansicht der deutschen Diplomatin in den Text. Nicht zu vergessen: "Für uns sehr wichtig ist die Anerkennung der Menschenrechte online wie offline."

Beim Thema Inklusivität und Zugang will man andere als nur die technischen Zugangsbarrieren auf die Agenda setzen. Auch innerhalb von Gesellschaften gebe es Gruppen, die von den Chancen, die der Zugang zum Kommunikationsnetz bietet, abgeschnitten sind. Noch sind 2,7 Milliarden Menschen ohne Internetzugang, bilanziert die Internationalen Fernmeldeunion (ITU). Allerdings gab es beim Deep Dive in New York im März viele Stimmen, die mahnten, mit Geld und Infrastruktur ist es an vielen Stellen nicht getan.

2025 enden die Mandate für das 2006 erstmals zusammen getretenen IGF und auch für den parallel unter dem Dach der ITU laufenden World Summit of the Information Society (WSIS) Prozess. "Es sieht so aus, als ob die GDC die Gelegenheit sein wird, zu entscheiden, in welcher Form diese Arbeit fortgesetzt wird", sagt Grienberger. Deutschland wünsche sich dabei beispielsweise Mechanismen, wie der im IGF entstehender "Rough Consensus" übersetzt werde in künftige politische Entscheidungen.

UN IGF 2017 in Genf – Multistakeholder in Action.

Vieles hängt am Ende vom Mut der Fazilitatoren Schweden und Ruanda ab, meinen Grienbergers Schweizer Kollegen vom Bakom. "Die Defaultlösung wäre ein High Level-Papier, das leider nicht sehr viel aussagen würde", sagt Jorge Cancio, stellvertretender Leiter International Relations beim Bakom. Sein Chef, Schneider, setzt wie Grienberger darauf: "Wenn man sich auf fast nichts mehr einigen kann – und da stehen wir in der aktuellen geopolitischen Lage – geht vielleicht im Bereich Zugang am ehesten etwas." Darauf sollte man sich konzentrieren. Von der Kunst des Möglichen spricht Cerf, dessen Arbeitgeber Google in New York ein gewaltiges neues Kabelprojekt entlang der Küste Westafrikas ankündigte, um den Zugang in dieser Region zu verbessern.

Die Sorge, dass der GDC Weichenstellungen in Richtung mehr Zentralisierung enthält, teilt Schneider übrigens nicht. Denn solche Vorschläge wären kaum mehrheitsfähig. Könnten sich die NGOs also ihre Monitoring-Mühe sparen? Esterhuysens Hoffnung ist, dass die vielen zivilgesellschaftlichen Gruppen sich vielmehr zusammenschließen, wenn der erste Entwurf aus New York da ist und mit einer Stimme die Forderungen von unten erheben. Würde sich der Entwurf als "Vollkatastrophe" entpuppen, rechnet auch Eickstädt mit viel Mobilisierung. Für ganz ausgeschlossen hält sie diese Variante nicht.

(bme [8])


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[4] https://www.un.org/techenvoy/global-digital-compact/intergovernmental-process
[5] https://www.un.org/techenvoy/sites/www.un.org.techenvoy/files/GDC-submission_German-Youth-IGF.pdf
[6] https://www.unwomen.org/en/csw/csw67-2023
[7] https://superrr.net/
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