Missing Link: Global Digital Compact – Vollkastastrophe oder verpasste Chance

"Global Digital Compact": Der Zukunftsgipfel 2024 soll bei den Fragen Krieg, Klima und Zusammenleben eine große Rolle spielen – das Digitale eine ganz große.

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(Bild: EA09 Studio/Shutterstock.com)

Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

UN Generalsekretär António Guterres hat der Rettung der Welt eine Struktur gegeben: Beim Zukunftsgipfel 2024 soll sich die Völkergemeinschaft zu den essentiellen Fragen Krieg, Klima, Zusammenleben zusammenraufen – und das Digitale soll dabei eine ganz große Rolle spielen. Aber wer schreibt eigentlich an dem dafür geplanten "Global Digital Compact" mit?

Am 22. und 23. Dezember 2024 lädt der UN Generalsekretär zum "Zukunftsgipfel" der Vereinten Nationen. Mit dem Gipfel will Guterres den Mitgliedsstaaten und seiner Organisation einen Kick geben, die vor Jahren vereinbarten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung 2030 auf den letzten Metern noch zu erreichen.

Sustainable Development Goals

(Bild: Bundesregierung)

Guterres blickte in seinem Bericht "Our Common Agenda", der den Prozess für den Gipfel 2024 einläutete, aber zugleich weiter in die Zukunft. Digitale Technologie, digitales Zusammenleben und digitale Gefahren sollen, wenn es nach Guterres geht, dabei mitverhandelt werden, von Abrüstung im Cyber- und Drohnenkrieg bis zu einem Grundrecht auf Netzzugang.

Punkt sieben (von 12) von "Our Common Agenda" fokussiert auf die Digitalpolitik, genauer gesagt auf "die Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich Digitales". Netzzugang für alle und die Fortführung des Anschlusses aller Schulen weltweit ans Netz, Vermeidung einer Fragmentierung, mehr Datenschutz und überhaupt Durchsetzung von Menschenrechten online stehen auf der Aufgabenliste – ebenso das Schlagwort "digitalen Allmende", das Internet als öffentlichem Gut, und mehr Rechenschaftspflicht für diskriminierende und manipulative Inhalte im Netz.

Der Global Digital Compact (GDC) soll die Leitschnur für die digitale Zukunft sein, kein verbindlicher Völkerrechtsvertrag, aber ein "Konsensdokument, das die Regierungen stärker in die Pflicht nimmt", wie Regine Grienberger, Cyber Botschafterin des Auswärtigen Amtes erklärt.

Our Common Agenda – Digital eines von vielen Themen

Die Common Agenda, die auch einen Sozialgipfel, Reformen für die UN und viele weitere Dinge enthält, sei ein ganz gutes Dokument, sagt Anriette Esterhuysen. Esterhuysen ist die frühere Vorsitzende des Membership Adivsory Council (MAG) des Internet Governance Forum (IGF). Viele Jahre vertrat sie die Association for Progressive Communication (APC), die im Bereich Community-Networks besonders in den Ländern des Globalen Südens aktiv ist.

Beim GDC, so Esterhuysens Sorge, drohe die Diskussion aber sehr in Richtung "Missbrauch" abzugleiten. "Das ist gar nicht grundsätzlich falsch, gefährliche Dinge müssen adressiert werden, meine Sorge ist aber, dass hier viel zu sehr auf die individuelle Verantwortung, und nicht auf die Wirkung von Geschäftsmodellen geblickt wird." Anstatt Nutzerinhalte durch die Plattformen regulieren zu lassen, sollte die Wirkung von Geschäftsmodellen im Vordergrund regulatorischer Bemühungen stehen.

Aus Esterhuysens Sicht sollte ein "Global Compact" sich um die das große Ganze kümmern: wie Regierungen Verantwortung für Vernetzung übernehmen, wie Firmenverhalten beeinflusst werden kann, und wie die Basisinfrastruktur des Internets verwaltet wird. Ansonsten verzettele man sich auf dem digitalen Parkett. Esterhuysen hegt auch gewisse Vorbehalte dagegen, dass das IGF marginalisiert werden könnten, anstatt dieses Modell der gleichberechtigten Zusammenarbeit zwischen Staaten und nicht-staatlichen Akteuren weiterzuentwickeln.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Die Sorge, dass die bisherige Selbstverwaltung im Netz über Organisationen wie die Internet Engineering Task Force oder auch die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) durch zentralisierende Maßnahmen konterkariert werden könnte, hat auch den Chaos Computer Club (CCC) veranlasst, sich den GDC Prozess doch noch anzuschauen, sagt CCC-Sprecherin Elina Eickstädt. Das Sorgenkind Nummer eins bleiben zwar die UN-Verhandlungen zu einem Cybercrime-Treaty, denn diese sollen Staaten am Ende fest binden, aber im breit angelegten Rahmen des GDC könnten am Ende vielleicht doch trojanische Pferde stecken.