Corona-Winter: Drei Modellierungen zeigen möglichen Verlauf

Forschungsverbünde simulieren drei mögliche Corona-Szenarien, um die weitere Entwicklung der Pandemie besser einschätzen zu können.

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(Bild: Kzenon/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Angesichts steigender Fallzahlen in Deutschland fragen sich viele, welchen Verlauf die Covid-19-Pandemie im Herbst und Winter nehmen wird. Kommt es wie in den vergangenen beiden Herbst- und Wintermonaten wieder zu mehr schweren Verläufen, mehr Krankenhausaufenthalten und mehr tödlichen Verläufen, mit einer entsprechend hohen Belastung für das Gesundheitssystem? Oder sorgen Impfungen, durchgemachte Covid-19-Infektionen und neue Medikamente gegen schwere Verläufe dafür, dass es weniger heftig wird? Wovon hängt das alles ab?

Um diese Fragen besser beantworten zu können, hat das "Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten“ drei mögliche Corona-Szenarien für den Übergang von 2022 auf 2023 simuliert. Diese unterschieden sich vor allem im Auftreten neuer Virusvarianten, deren Übertragungsdynamik und welches Risiko für schwere Infektionen sie mit sich bringen.

Das Modellierungsnetz vereint sieben bundesweit angesiedelte Forschungsverbünde und wird durch die Universitätsmedizin Halle koordiniert. "Dabei wurden die Szenarien nur sehr grob vorgegeben, sodass jede der sieben beteiligten Modellierungsgruppen eigene Annahmen zu konkreten Parameterwerten treffen konnte. Trotz dieser Variabilität ließen sich die Ergebnisse der einzelnen Modellierungen gut vergleichen", erklärt der Gesundheitsökonom Alexander Kuhlmann, der die Hallenser Koordinierungsstelle gemeinsam mit Rafael Mikolajczyk leitet. "Um die Robustheit der Ergebnisse zu erhöhen, verwendete jede Gruppe ein eigenes, von den anderen abweichendes Modell", ergänzt Mikolajczyk. Manche Parameter wie etwa die Stärke der Immunflucht seien so zentral, dass sie in jedem Modell eine Rolle spielten.

Corona-Pandemie: Neue Varianten - Erkrankung - Impfung

Für das erste Szenario nahmen die Forscher an, dass sich im modellierten Zeitraum keine neue Coronavirus-Variante durchsetzt. Es zirkulierten weiter die bisherigen Varianten BA.4 und 5, bei denen die Bevölkerung einen ziemlich guten Schutz vor schweren Verläufen habe. Die Modellierung ergab, dass es im Winter zwar zu einer Infektionswelle kommen würde. Diese würde aber die Krankenhäuser nicht übermäßig belasten, wenngleich viele Infektionen den Personalmangel in kritischen Infrastrukturen trotzdem verschärfen könnten.

Beim zweiten Szenario gingen die Modellierer davon aus, dass eine neue Virusvariante mit stärkerer Immunflucht dominiert. Diese sorge zwar für ein erhöhtes Infektionsrisiko und damit für mehr Fälle, erhöhe aber das Risiko für schwere Verläufe nicht. In diesem Fall liegt die berechnete Belastung für das Gesundheitssystem deutlich höher, vergleichbar mit den bisherigen Spitzenwerten der Omikronwelle zu Anfang des Jahres.

Im dritten Szenario schließlich führt eine hypothetische neue Sars-CoV-2-Variante durchaus zu mehr schweren Verläufen, ähnlich wie es bei der Delta-Welle in der zweiten Hälfte von 2021 der Fall war. Das würde zu einer deutlich erhöhten Belastung des Gesundheitssystems führen.

Vor allem in den Szenarien zwei und drei ergab die Berücksichtigung einer im Oktober beginnenden Impfkampagne mit angepassten Impfstoffen weitaus geringere schwere Krankheitsfälle. Im dritten Modell reiche eine Impfkampagne allein aber wahrscheinlich nicht aus, um die bisherigen Belastungsspitzen nicht zu übertreffen. Die Forscher betonen dabei, dass sich aus ihren Simulationen nicht ableiten lassen, wie wahrscheinlich die jeweiligen Szenarien sind.

"Wichtig ist, zu verstehen, wenn die Menschen dann ihr Verhalten ändern und es kommt anders, als modelliert, dann war nicht die Simulation falsch, sondern sie hatte gegebenenfalls erfolgreich zur Vermeidung einer Belastung des Gesundheitswesens beigetragen", sagt Mikolajczyk. Eine solche Verhaltensänderung ist dem Epidemiologen zufolge zum Beispiel, wenn ein Großteil der Bevölkerung in Innenräumen wieder Masken zu tragen beginnt oder Betriebe wieder mehr auf Arbeiten im Homeoffice setzen. Solche Reaktionen könnten die Modelle dann aber berücksichtigen und angepasste Szenarien entwickeln. Dabei ginge es aber nicht um kurzfristige Vorhersagen, sondern immer noch die langfristigen Möglichkeiten.

"Konkretere Aussagen zur erwarteten Gefährdung und möglichen Gegenmaßnahmen sind erst dann möglich, wenn sich eine neue Virusvariante tatsächlich durchsetzt und wir über Daten zur Ausbreitungsdynamik und zum Risiko für schwere Krankheitsverläufe verfügen", so Kuhlmann. In einem Projekt arbeiten die Modellierer derweil an einem neuen Modell, das eine deutschlandweit größere regionale Auflösung für Corona-Szenarien ermöglichen soll. Denn "es kam im Laufe der Pandemie durchaus öfter vor, dass Entwicklungen auf Bundeslandebene unterschiedlich waren", sagt Mikolajczyk.

(vsz)