Nachrichten vom Buffet

Die Zeitung ist tot, es lebe die Zeitung? Zwei Berliner Jungspunde erfinden das krisengeschüttelte Nachrichtenmedium neu. In ihrem Produkt „niiu“ kann sich jeder Abonnent den Inhalt individuell zusammenstellen.

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Von
  • Ralf Grötker

Die Zeitung ist tot, es lebe die Zeitung? Zwei Berliner Jungspunde erfinden das krisengeschüttelte Nachrichtenmedium neu. In ihrem Produkt „niiu“ kann sich jeder Abonnent den Inhalt individuell zusammenstellen.

Halb zehn Uhr morgens, der Océ JetStream 2200 schweigt. Vor einigen Stunden noch sind 150 Meter Papier pro Minute durch den riesigen Tintendrucker gejagt – für „niiu“, eine neue Zeitung in Berlin, die in der Nacht Premiere hatte. Die Sektflaschen, mit denen die Belegschaft den gelungenen Druck in den frühen Morgenstunden gefeiert hat, sind längst abgeräumt. Lediglich ein paar Stapel Probeexemplare liegen noch auf dem Tisch. „Die landen im Papierwolf“, erklärt Martin Trutt, Geschäftsführer der RT Reprotechnik, die den Océ JetStream 2200 betreibt. Einfach ins Altpapier werfen reicht nicht, die Zeitungen enthalten persönliche Daten: Auf jedes Exemplar ist die Adresse des Empfängers gedruckt. Hinzu kommen künftig – je nach Wunsch – Mitteilungen aus der privaten Facebook-Community, die der Abonnent sich in seiner Zeitung ausdrucken lassen will.

„niiu“ ist die erste Zeitung der Welt, deren Inhalt sich jeder Leser selbst zusammenstellt: Politik aus der „Welt“, „New York Times“ oder „Prawda“, Wirtschaft vom „Handelsblatt“, Lokales aus „Tagesspiegel“, „Bild“ oder „Morgenpost“. Oder andersherum: Jeder nach seiner Fasson. Damit wird das billige Massenprodukt Tageszeitung zum einzeln gefertigten, individuellen Maßartikel. Und entsprechend teuer? Keineswegs – „niiu“ kostet im Abonnement 1,80 Euro pro Ausgabe.

„Erst auf der letzten drupa wurden Digitaldruckmaschinen vorgestellt, die preiswert genug arbeiten, um damit eine Zeitung zu einem üblichen Endpreis zu drucken“, erklärt Wanja Oberhof, einer der beiden „niiu“-Gründer. „Außerdem spielte die Geschwindigkeit für uns eine Rolle.“ Sieben Stunden bleiben dem Team von der Lieferung der letzten Daten durch die News-Lieferanten bis zur Auslieferung der fertigen Zeitung an den Zusteller.

Möglich wird dies durch ein Arsenal neuer Technologien, mit denen sich noch ganz anderes realisieren ließe als „niiu“. Lokalzeitungen könnten für jedes Viertel der Stadt eine andere Ausgabe anbieten, Kundenmagazine speziell auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten werden. Deshalb ist „niiu“ ein von der gesamten Branche mit Spannung beobachteter Testballon dafür, wie das Zusammenspiel von Drucktechnologie, Softwareentwicklung und innovativen Werbemodellen in naher Zukunft den Markt gedruckter Medien neu definieren könnte.

Selbst wenn der Tod der Tageszeitung seit ein paar Jahren immer wieder verkündet wird: Papier ist – immer noch – der wichtigste Infoträger der Finanz- und Wirtschaftskommunikation. Zudem hat, was gedruckt ist, psychologisch betrachtet mehr Gewicht. „Print ist glaubwürdiger“, meint Oliver Baar, Entwicklungsmanager im Bereich Digitaldruck bei Hewlett-Packard. Und selbst wenn sich E-Book oder Tablet-PC stärker durchsetzen sollten, sieht er darin Vorteile: „Das E-Book hilft uns, weil... (kd)