Oracle will den Linux-Markt aufrollen [Update]

Oracle bläst zur Attacke: Unter dem Motto Unbreakable Linux will man für eine eigene Version von Red Hat Enterprise Linux besseren und billigeren Support anbieten, als es die Linux-Distributoren tun. Red Hat sieht das naturgemäß etwas anders.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Dr. Oliver Diedrich

In den letzten Tagen brodelte schon die Gerüchteküche. Oracle, so pfiffen es die Spatzen von den Dächern, habe Großes vor in Sachen Linux. Die IT-Welt horchte auf: Alleine die Spekulationen um ein Oracle Linux reichten bereits, um den Börsenkurs von Red Hat zu erschüttern. Auf der Oracle Open World sei mit einer Ankündigung zu rechnen, so hieß es.

Auguren, Kaffeesatzleser und Insider wälzten bereits die Argumente: Was würde der Datenbankspezialist tun? Ein eigenes Linux? Nein, dafür fehlt das Linux-Know-how, der Rückstand gegenüber den etablierten Distributoren wäre zu groß. Red Hat kaufen? Aber was macht man dann mit JBoss, erst im Frühjahr von Red Hat eingekauft? Oder womöglich Novell? Oder würde sich Oracle gar mit Ubuntu verbünden, dem jüngsten Player im Linux-Enterprise-Geschäft? Oder doch alles nur leere Spekulation? Die Keynote von Larry Ellison am vorletzten Tag der Veranstaltung, da zumindest war man sich einig, würde Klarheit bringen.

Und Klarheit brachte sie. Nein, es wird kein selbst entwickeltes Oracle Linux geben. Nein, der Datenbankriese kauft sich keinen Linux-Distributor und bandelt auch nicht mit Mark Shuttleworth an, dem Mäzen hinter Ubuntu. Stattdessen eine offene Kriegserklärung an die beiden Unternehmen, die sich derzeit den Großteil des Linux-Enterprise-Markts aufteilen: Novell und vor allem Red Hat, bislang (und immer noch) engster Linux-Partner des Datenbankriesen.

Unter der Überschrift Unbreakable Linux – bislang der Name für die Kombination aus Blade-Servern von Dell, Red Hats Advanced Server und einer clusterfähigen Oracle-Datenbank – bietet Oracle umfassenden Support für eine eigene Version von Red Hat Enterprise Linux (RHEL) an; natürlich besser und vor allem billiger als Red Hat selbst.

Denn, so Ellison in seiner Keynote: Das, was man derzeit an Linux-Support von den Distributoren erhalten könne, genüge Unternehmensansprüchen nicht und sei zu teuer. Zudem werde kein Schutz gegenüber Ansprüchen in Hinblick auf geistiges Eigentum geboten, wie sie derzeit beispielsweise SCO erhebe. (Die einschlägigen Initiativen der Linux-Distributoren – Novell startete Anfang 2004 ein Haftungsfreistellungs- und Schadenersatzprogramm, Red Hat hat eine ähnliche Softwaregarantie im Angebot – kamen in dem Zusammenhang nicht zur Sprache.)

Den neuen Linux-Support von Oracle präsentierte Ellison in direkter Gegenüberstellung mit den entsprechenden Angeboten von Red Hat, was – wen wunderts – den Linux-Distributor nicht gut aussehen ließ:

  • Die installationsfertige Distribution ist kostenlos erhältlich; Red Hat bietet lediglich die Quelltexte zum kostenlosen Download, die kompilierten Binaries gibt es nur zusammen mit einem Support-Vertrag.
  • Der Zugang zu Oracles Unbreakable Linux Network (ULN) mit Bugfixes und Updates – das Pendant zum Red Hat Network, das der Linux-Distributor ebenfalls nur zusammen mit einem Support-Vertrag anbietet – kostet 99 US-Dollar pro Jahr.
  • Basic Support – weltweit und rund um die Uhr, laut Ellison das Beste, was Red Hat zu bieten habe – kostet 399 Dollar pro Jahr für einen Zwei-Prozessor-Server und 999 Dollar für Maschinen mit mehr Prozessoren.
  • Der Premier Support für 1199/1999 Dollar umfasst zeitlich unbegrenzte Bugfixes für ältere und kommende Versionen.

Oracle bietet an, laufende Support-Verträge mit Novell und Red Hat zu übernehmen. Bestehende RHEL-Installationen – unterstützt werden sowohl die aktuelle Version 4 als auch deren Vorgänger RHEL 3 auf der x86- und der x64-Plattform – sollen sich durch simples Umhängen aus dem Red Hat Network ins Oracle Network in Minutenfrist umstellen lassen. Dazu reiche die Installation der Oracle-Version des up2date-Programms. Für RHEL zertifizierte Software kann weiterverwendet werden.

[Update:] Hier widerspricht Red Hat. In einer ersten Reaktion, überschrieben mit Unfakeable Linux verweist das Unternehmen darauf, dass Oracles Unbreakable Linux sich in Details vom eigenen RHEL unterscheiden wird; schließlich will Oracle eigene Bug-Fixes einbauen und verfügt nicht über Red Hats Build-Umgebung. Nach Ansicht des Linux-Distributors sind daher Soft- und Hardware-Zertifizierungen für Red Hat Enterprise Linux nicht ohne weiteres auf Oracles Unbreakable Linux übertragbar.

Das Angebot richtet sich keineswegs nur an Oracle-Kunden: Auch Anwender, die keine andere Oracle-Software einsetzen, können Linux-Support zu den genannten Konditionen bei Oracle kaufen. Wer schon Datenbank, Middleware und weitere Software von Oracle einsetzt, erhält aus einer Hand Support für den gesamten Software-Stack. Für einen guten Start der neuen Initiative gewährt das Unternehmen bis zum 31. Januar 50 Prozent Rabatt.

Oracle, erklärt Ellison, möchte so vor allem den Erfolg von Linux im Unternehmen voran bringen. Eine Spaltung des Linux-Markts sei nicht beabsichtigt: Man werde Unbreakable Linux hundertprozentig kompatibel zu Red Hat Enterprise Linux halten. Sobald der Linux-Distributor Updates, Fehlerkorrekturen oder eine neue Version veröffentlicht, will man das eigene Angebot ebenfalls aktualisieren – und mit zusätzlichen Bugfixes verbessern, die dann auch Red Hat und der Linux-Community zur Verfügung stehen sollen.

[Update:] Auch hier widerspricht Red Hat. Da Oracle den RHEL-Code mit eigenen Fixes verändern will, entstehe sehr wohl ein Fork. Es sei keineswegs sicher, dass sich RHEL-Patches und -Updates dann noch einspielen lassen. Zudem werde der Datenbankanbieter Red Hat immer etwas hinterherhinken – im Fall akuter Sicherheitslücken können wenige Stunden schon einen Unterschied machen.

Die Idee einer (mehr oder weniger) RHEL-kompatiblen Linux-Distribution ist keineswegs neu: CentOS entsteht seit Jahren aus den Original-RHEL-Quellen, kann aber natürlich nicht den Support bieten, den ein IT-Gigant wie Oracle quasi aus dem Ärmel schüttelt. Der Umfang des Supports ist dann auch weiteres Argument, das Oracle für das eigene Angebot anführt: Die Support-Organisation umfasse 7.000 Personen in 17 globalen Support-Centern, die weltweit Unterstützung in 27 Sprachen anbieten – auch wenn das sicherlich nicht alles ausgewiesene Linux-Spezialisten sein dürften. Dennoch können die "Linux-Zwerge" schon von der reinen Präsenz her nicht mithalten.

Prominente Unterstützung in der IT-Welt hat sich Oracle bereits im Vorfeld gesichert: Dell-Chef Michael Dell kündigte an, dass sein Unternehmen ab sofort Oracles Unbreakable Linux auf seinen PowerEdge-Servern anbieten werde. Auch HP will das Oracle-Linux in sein Portfolio aufnehmen. Unterstützung und positive Worte kamen auch von Intel, AMD, IBM, EMC, BMC Software und NetApp. (odi)