Von der Arc Mouse zum Surface Book: Ralf Groene, Microsofts Head of Industrial Design - ein Portrait

Ruhig und entspannt, mit freundlichem Gesichtsausdruck sitzt Ralf Groene auf einem dick gepolsterten Sofa im Foyer des Frankfurter Hofs. Der Deutsche ist verantwortlich für das gesamte Industriedesign bei Microsoft und soeben aus Redmond angekommen. Er freut sich sichtlich auf sein schönes Hotelzimmer, aber vorher sind wir zum Gespräch verabredet.

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Ralf Groene

(Bild: Volker Weber)

Lesezeit: 8 Min.
Inhaltsverzeichnis

Ralf Groene ist aus Wolfsburg, hat Werkzeugmacher gelernt und in Kiel Industriedesign studiert. Mittlerweile ist er bei Microsoft für das gesamte Industriedesign, also die Gestaltung sämtlicher Microsoft-Hardware, zuständig.

1996 zog Groene nach Kalifornien, wo er zehn Jahre bei Palo Alto Products, frogdesign und IDEO als Designer arbeitete. Anlässlich eines IDEO-Pitches lernte er Microsoft kennen, die damals noch keinen eigenen Design Director hatten und die Gestaltung von Mäusen, Tastaturen und ähnlicher Hardware zum größten Teil außer Haus gaben. Groene heuert in Redmond an, sein erstes Produkt wird die Arc Mouse.

Die Arc Mouse, Groenes erstes Microsoft-Produkt

Als Microsoft beschließt, einen eigenen Computer zu bauen, der später als Surface und Surface Pro auf den Markt kommen soll, sitzt Groene im gerade einmal zwölfköpfigen Team, das binnen weniger Wochen eine Architektur entwickelt, die bis in die vierte Generation des Produktes und darüber hinaus bestand hat.

Im Juli 2015 schließlich erhält Groene die Verantwortung für das gesamte Industriedesign, einschließlich des finnischen Design Studios für Mobiltelefone und des Xbox-Designs. Das ist eine direkte Folge der Reorganisation, die Panos Panay zum Leiter des Engineering machte.

In einer fulminanten Präsentation am 6. Oktober enthüllte Panay in New York das neuste Produkt aus Groenes Design Studio: Surface Book, den ersten Laptop aus Redmond. Der Spannungsbogen, auf den auch Steve Jobs stolz gewesen wäre, erreichte seinen Höhepunkt in einer doppelten Videopräsentation, zunächst ohne, dann mit dem Moment, wo sich das Clipboard genannte Tablet aus dem Laptop löst. Anwesende Presse und Blogger überschlugen sich in Superlativen.

Das Surface Book: Notebook mit abnehmbarem Clipboard und Stift

(Bild: Microsoft)

Wie fühlt sich das für den Designer an? Groene: "Während der Entwicklung arbeiten Sie in einem sehr kleinen Team. Erst bei einer solchen Präsentation bekommen Sie ein Feedback, wie das Design von vielen anderen Menschen aufgenommen wird. Vorher stehen Sie so dicht an der Leinwand, dass Sie das gar nicht mehr wahrnehmen. Sie optimieren an den kleinsten Details. Schauen Sie hier, die Kanten an den Segmenten reflektieren das Licht. Wir nennen das Kiss. Daran haben wir unglaublich lange gearbeitet."

Der größte Teil der Computerhardware des Surface Book steckt im Deckel, der sich von der Basis trennen lässt und so zum Tablet wird. Groene spricht dabei von einem Clipboard, statt den Begriff Tablet zu verwenden. Während der gesamte Rechner eine Laufzeit von zwölf Stunden Videowiedergabe verspricht, schafft das Clipboard nur vier. Das ist der Balance des Gerätes geschuldet.

Gröne dazu: "Das ist ein langwieriger Optimierungsprozess. Wenn Sie das Clipboard 100 Gramm schwerer machen, dann wird das ganze Surface Book mindestens 200 Gramm schwerer." Diese Ausbalancierung ist auch die Initialzündung für die Entwicklung des neuen Scharniers. Wenn man das Surface Book öffnet, dann wickeln sich die Segmente des Scharniers ab und verlagern den Drehpunkt immer weiter nach hinten. Die Basis verlängert sich und hat einen größeren Hebel, um das Clipboard zu halten.

Die Steckverbindung zwischen Clipboard und Basis ist symmetrisch und man kann das Clipboard auch anders herum aufstecken, sodass der Bildschirm im zugeklappten Zustand außen liegt. Groene dazu: "Wir stellen uns vor, dass ein Designer so auf dem Surface Book zeichnen kann und gleichzeitig Zugriff auf die GPU (Graphic Processing Unit) in der Basis hat. Sie können dort aber auch das Surface Dock anschließen und haben damit Zugriff auf externe Monitore." Der Anschluss am Clipboard und an der Basis sind also gleich. An beiden lässt sich auch das Ladekabel in beiden Ausrichtungen anschließen.

Klappt man das Surface Book zusammen, dann bleibt zwischen Tastatur und Bildschirm stets ein bisschen Luft.

(Bild: Microsoft)

Die mechanische Verbindung zwischen beiden Teilen wird durch einen Kraftschluss zwischen mehreren Keilen hergestellt. Drückt man die für die Trennung zuständige Taste an der Basis für mehre Sekunden, dann wird eine Spannung an einen Draht angelegt, der sich dadurch verkürzt und die Klemmung öffnet.

Ohne Spannung zieht eine Rückholfeder die Klemmung wieder zu, sodass sie das Clipboard festhält, wenn man es wieder einsteckt. Groene ist erkennbar stolz auf die Finesse dieser Konstruktion. "Sowas kriegen sie als Design Studio nicht allein hin. Sie brauchen die Zusammenarbeit mit einem Engineering Lead, der das genauso besessen voran treibt."

Warum aber stellt Microsoft solche Geräte selbst her und überlässt das nicht den OEM? Wenn man Groenes Erklärungen lauscht, dann meint man einen Apple-Designer zu hören. Bei Surface kontrolliert Microsoft das gesamte Erleben der User mit dem Gerät, von der Software über die Hardware bis zum Cloud Service. Die Surface-Tablets wurden entwickelt, um Windows 8 erlebbar zu machen und zwar so, wie Microsoft sich das vorstellte. Ein Tablet, nicht nur für die Mediennutzung, sondern auch dazu geeignet, Inhalte herzustellen.

Die Positionierung gegen Apples iPad war da nicht zielführend. Surface Pro war zwar viel dicker und unhandlicher, aber auch viel leistungsfähiger, ein Aspekt, den Microsoft nicht rüberbrachte. Heute positioniert Panos Panay Surface Pro 4 gegen das MacBook Air. Mittlerweile stellen mehrere OEMs Surface Clones her, etwa Lenovo das Miix 700 oder Dell das XPS12. Sieht Groene das als Kompliment? "Einerseits schmerzt das schon, wenn man daran denkt, wieviele Wochenenden drauf gingen. Aber andererseits hilft das ja auch dem Windows-Markt."

Es ist angerichtet: Mächtig stolz sitzt Ralf Groene vor seiner neuesten Schöpfung. Das Surface Book musste er für seine Reise erbetteln. So viele hat Microsoft noch nicht davon.

(Bild: Volker Weber )

Einen wesentlichen Unterschied sieht Groene zwischen Apples und Microsofts Ansatz. "Apple entwickelt und verkauft vor allem Hardware. Bei Microsoft ist das nur ein kleiner Teil des Umsatzes. Wir bauen Surface, um Windows zu verkaufen."

Panay und Groene haben den Auftrag, die bestmögliche Windows-Experience herzustellen. Da passt das Surface Book in den Kontext von Windows 10, das weniger die Tablet-Nutzung betont, sondern klassische Bauformen mit Notebooks besser einbezieht. Surface Book zeigt auch exemplarisch, wie ein Gerät aussehen kann, das sowohl als Tablet als auch als Notebook funktioniert. Dabei ist es weniger ein Convertible als zwei Maschinen in einer.

Nachdem Groene für das gesamte Design verantwortlich ist, wird es nun eine einheitliche Design-Sprache für alle Microsoft-Produkte geben? Groene weißt den Gedanken von sich: "Meine Aufgabe ist nicht, eine gemeinsame Design-Sprache zu entwickeln, wo auf einmal alles eine Neigung von 22 Grad hat. Das wäre sehr bequem. Nein, ich muss eine gemeinsame Design-Kultur entwickeln."

Groene vergleicht mit verschiedenen Epochen der Frühzeit, wo ganz unterschiedliche Artefakte innerhalb einer Kultur entstanden sind und sich die Gemeinsamkeit aus der Beherrschung bestimmter Techniken und der Beherrschung bestimmter Materialien ergab.

"Wir haben etwa zwei Jahre gebraucht, bis wir die richtigen Leute zusammen hatten, um Surface zu bauen. Bei der ersten Generation wurde das Gehäuse aus Magnesium noch im Spritzgussverfahren hergestellt. Das hat den Nachteil, dass Sie acht bis zehn Wochen auf die Herstellung des Werkzeugs warten müssen. Heute fräsen wir aus dem Vollmaterial und können so viel mehr Entwicklungszyklen durchlaufen. Wir sagen fail fast, scheitere schnell." Das Lumia Design mit seinen Polykarbonat-Gehäusen kommt dabei aus einer ganz anderen Schule als Groenes Metallverarbeitung.

Wird ein zukünftiges Microsoft-Smartphone wie ein Surface aussehen? Groene winkt ab. "Hören Sie sich an, was Satya Nadella (Microsoft CEO) sagt. Kein Gerät wird auf Dauer der Hub aller Informationen sein. Im Zentrum steht der Mensch, der auf unterschiedlichsten Geräten auf seine Informationen zugreifen will. Microsoft will Menschen dabei unterstützen, Dinge herzustellen. Windows 10 ist entwickelt, um auf großen Geräten wie dem Surface Hub zu laufen, aber auch kleinen Geräten, die nicht einmal einen Bildschirm haben. Seien Sie einfach gespannt, was es noch so alles an Hardware geben wird. Sie ist nicht unser eigentliches Ziel sondern nur die notwendige Schnittstelle zwischen Mensch und Software. Wenn Sie einen Xbox-Controller in der Hand haben, dann sollten Sie nicht über den Controller nachdenken, sondern über das Spiel, das Sie spielen."

Finnland ist die nächste Station auf Groenes Reise. Er tritt leise und bescheiden auf, fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit und macht keinerlei Aufhebens um sich selbst. Microsofts Industriedesign scheint bei Groene in den richtigen Händen. (vowe)