Riskanter Blockchain-Vortrag in Nordkorea

Ein US-Kryptowährungsexperte soll das kommunistische Regime beraten haben, wie es mit Blockchain seine wirtschaftliche Entwicklung stärken kann. Ihm drohen 20 Jahre Haft.

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Landkarte Nordkoreas

Korea.

(Bild: USGS)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Mike Orcutt
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Virgil Griffith muss gewusst haben, dass ihn die Teilnahme an einer Kryptowährungskonferenz in Nordkorea in Schwierigkeiten bringen könnte. Bald könnte er am eigenen Leib erfahren, wie harsch die US-Sanktionen gegen das Land sind. Denn einer Strafanzeige des US-Justizministeriums zufolge reiste Griffith, der für die gemeinnützige Ethereum Foundation arbeitet, nicht nur ohne Erlaubnis des US-Außenministeriums nach Nordkorea. Das Federal Bureau of Investigation (FBI) behauptet darüber hinaus, Griffith habe sich auch verpflichtet, "Dienstleistungen" für die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) in einer Weise zu erbringen, die die US-Sanktionen verletzt. Dafür drohen ihm bis zu 20 Jahre Gefängnis. Laut Griffiths Verteidigerm, zu denen auch Ethereum-Erfinder Vitalik Buterin gehört, hat er dagegen lediglich einen harmlosen Vortrag über Open-Source-Technologie gehalten, der auf öffentlich zugänglichen Informationen beruhte.

Griffith nahm zusammen mit ungefähr 100 anderen an der Konferenz über Blockchain und Kryptowährung in Pjöngjang teil, wie aus der Strafanzeige hervorgeht. Sie behauptet darüber hinaus, Griffith habe den FBI-Ermittlern mitgeteilt, dass die nordkoreanische Regierung seine Präsentationsthemen im Voraus gebilligt habe, und ein Konferenzorganisator ihm gesagt habe, er solle "die potenzielle Eignung der Kryptowährung und der Blockchain-Technologie für Geldwäsche und die Umgehung der Sanktionen hervorheben".

Laut FBI diskutierten Griffith und andere Teilnehmer tatsächlich über diese Themen sowie darüber, "wie die DVRK diese Technologien nutzen könnte, um vom globalen Bankensystem unabhängig zu werden". Danach versuchte Griffith angeblich, eine Kryptowährungsbörse zwischen Nordkorea und Südkorea einzurichten. Eine solche Transaktion hätte eine Verletzung der US-Sanktionen bedeutet.

Sanktionen sind – im Gegensatz zu militärischen – diplomatische Instrumente des Zwangs, die Regierungen gegen ausländische Gegner anwenden können Die Sanktionen der USA und vieler anderer Nationen haben der nordkoreanischen Regierung weitreichende Handelsbeschränkungen auferlegt, die ihr Atomwaffenprogramm begrenzen sollen.

Deshalb sucht das nordkoreanische Regime unter Kim Jong-un, das vom globalen Finanzsystem abgeschnitten ist, nach Wegen für Wirtschaftswachstum, die nicht von diesem System abhängen. Das ist der Grund, warum Kryptowährungstechnologie und Finanztechnologie im weiteren Sinne so überzeugend sind, sagt John Park, Direktor des Korea-Projekts am Belfer Center der Kennedy School in Harvard.

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Selbst wenn die Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea fallen würden, sei die Wirtschaft so "chronisch unterentwickelt", dass es äußerst schwierig wäre, eine tragfähige Landeswährung zu etablieren und den internationalen Handel auszubauen, meint Park. Nordkoreas Führung sei begeistert von dem Potenzial der Kryptowährung als Instrument, mit dem das Regime diese Ziele schneller erreichen kann, ohne sich auf traditionelle Mittelsmänner wie den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank verlassen zu müssen, sagt Park.

Es ist unklar, was die Nordkoreaner wirklich mit Virgil Griffith vorhatten. Im September veröffentlichte die Kryptowährungs-Nachrichtenseite "Decrypt" Details, die ein anonymer Teilnehmer der Konferenz in Pjöngjang bereitgestellt hat. Demnach waren die anderen Teilnehmer Regierungsbeamte sowie Angestellte der staatlichen Bank und Wirtschaftsprofessoren. Die Nordkoreaner wollten "wissen, wie sie Bitcoin als Ersatz für SWIFT verwenden können", das weltweite Bank-zu-Bank-Zahlungssystem, und seien auch daran interessiert gewesen, Ethereum-Smart-Verträge zur automatischen Durchsetzung von Vereinbarungen außerhalb der Landesgrenze zu verwenden.

Die angeblichen Kryptowährungs-Hacks und Abbauaktivitäten des Landes lassen vermuten, dass die Nordkoreaner bereits über einiges an Wissen und sogar über einheimisches Talent verfügen. Doch wenn das Regime Kryptowährungen tatsächlich als Instrument für die wirtschaftliche Entwicklung einsetzen will, muss es noch viel tun, sagt Park: "Informationen darüber zu sammeln, wie dies zu tun ist, steht unter der Überschrift 'Erste Schritte'."

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