Kritik an Google: "Sogenannte KI basiert von Natur aus auf einer Machtbeziehung"

Seite 3: "Darauf gibt es keine einfache Antwort."

Inhaltsverzeichnis

Das klingt jetzt wieder sehr pessimistisch.

Ich halte es da mit der Science-Fiction-Autorin Ursula K. Le Guin, die sagte: "Wir leben im Kapitalismus. Seine Macht scheint unausweichlich zu sein. Genauso wie das göttliche Recht der Könige. Jede menschliche Macht kann von Menschen bekämpft und verändert werden." Wir können das Wort "Kapitalismus" durch all diese Themen ersetzen. Die Menschheit hat immer wieder Lösungen für Probleme gefunden. Das ist die Basis für meinen Optimismus. KI ist eine Technologie der Mächtigen, sie werden uns nicht helfen, das zu ändern. Das müssen wir schon selbst tun, dafür ist es nie zu spät.

Was konkret sollen wir denn tun?

Eine robuste soziale Bewegung wäre ein Anfang. Das ist die einzige Option für Benachteiligte, die sich ja keine teure Lobbyarbeit leisten können, um die Politik auf sich aufmerksam zu machen. Viel zu viele Politiker schauen noch weg, weil sie Angst haben, dass sie sich nicht gut genug auskennen mit der Technologie. Das nutzen die Lobbyisten der Tech-Unternehmen aus. Wir müssen die systematische Ausbeutung thematisieren und klarmachen, dass KI eine Machttechnologie ist.

Apropos die Mächtigen: Meta hat kürzlich eine Offensive angekündigt, um 200 seltene Sprachen besser in automatische Sprachsysteme zu integrieren. "No languages left behind" heißt der Marketing-Slogan. Das ist Marketing, aber vielleicht nutzt es nebenbei auch den Sprechenden seltener Sprachen. Gleichzeitig zeigt es die Macht, die Meta hier hat. Was halten Sie davon?

Darauf gibt es keine einfache Antwort. Natürlich kann es für Menschen extrem wichtig sein, dass ihre Sprache von maschinellen Systemen gut verarbeitet wird, wenn sie beispielsweise von solchen Systemen abhängig sind, weil ihr Job daran hängt. Aber wie zur Hölle sind wir in die Situation gekommen, dass ein riesiger Privatkonzern die Macht hat, zu bestimmen, welche Sprachen hier gefördert werden? Ich will marginalisierten Menschen nicht den Zugang zu diesen Technologien verwehren. Gleichzeitig stelle ich mich ganz bestimmt nicht in die erste Reihe und fordere, alle Daten von allen Sprachen und allen Gesichtsphänotypen in das Metaverse zu integrieren, sodass wir alle gut von der Überwachungstechnologie von Meta erkannt werden können.

Wie kommen wir aus dieser Schleife denn heraus? Wie können wir unabhängig werden von den großen Tech-Konzernen, wenn diese schier endlose Mittel haben?

Ich sitze im Board von Signal, und ich finde, das ist ein gutes Beispiel. Kurz erklärt: KI ist ja abhängig von Überwachung, denn sie braucht Daten. Überwachung ist die Basis des Geschäftsmodells der Tech-Unternehmen: Auf Basis dieser Daten werden Modelle erstellt, um diese zu verkaufen oder um den Zugang zu ihnen zu verkaufen, für gezielte Werbung und so weiter. Signal ist einer der Zufluchtsorte vor dieser Überwachung. Signal ist "non-profit", es macht nicht mit beim Geschäftsmodell der Überwachung. Aber solche Infrastrukturen, die ein weltweit nutzbarer Messenger braucht, sind teuer und werden teurer, umso größer er wird. Die Frage ist, wie wir solche Systeme unterstützen können. Wir brauchen solche freien Orte, an denen wir offen sprechen – auch über revolutionäre Ideen, wie wir in Zukunft anders leben können.

(wst)