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Tiefschürfend – Proceedings vom Linux Symposium 2009

| Thorsten Leemhuis

Die Vorträge des Linux Symposium 2009 sind jetzt in Textfassungen als PDF-Datei verfügbar. Sie liefern zahllose Informationen zu aktuellen oder zukünftigen Entwicklungen rund um den Linux-Kernel.

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Die Veranstalter und Vortragenden des Mitte Juli in Montreal abgehaltenen Linux Symposium [1] (früher Ottawa Linux Symposium/OLS) haben auch dieses Jahr Textfassungen vieler dort gehaltenen Vorträge veröffentlicht. Diese enthalten nicht nur wie bei anderen Konferenzen üblich die Präsentationsfolien; vielmehr finden sich auf den meist eng bedruckten 340 Seiten der PDF-Datei [2] ausführliche Artikel, die eine Unmenge von Informationen rund um Linux liefern.

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Da unter den Vortragenden zahlreiche Kernel-Entwickler sind, beschäftigen sich viele der Präsentationen mit Hintergründen zu aktuellen oder zukünftigen Entwicklungen rund um den Linux-Kernel; aber auch Userspace-Software kommt in einigen Beiträgen zur Sprache. Dieser Artikel reißt einige für Linux und dessen Zukunft wichtige Themen des Linux Symposiums kurz an, um eine Orientierung in den Original-Beiträgen zu geben.

Drei Red-Hat-Mitarbeiter haben den Beitrag "Increasing memory density by using KSM" (Seite 19 [3]) eingereicht. Das Kürzel steht für "Kernel Shared Memory" oder "Kernel Samepage Merging " und bezeichnet ein Framework, das den Speicher von mehreren Prozessen nach identischen Bereichen absucht; findet es welche, führt es sie zusammen und reduziert durch Freigeben der nun unnützen Kopien den Speicherverbrauch. Der Vortrag erklärt, wie das funktioniert, ohne dass Chaos entsteht, wenn ein Prozess einen gemeinsam genutzten Speicherabschnitt verändert.

Entwickelt wurde KSM primär für die Virtualisierungslösung KVM (Kernel-based Virtual Machine). Dort versprechen sich die Entwickler viel Einsparpotenzial, wenn mehrere ähnliche Gastbetriebssysteme auf einem Rechner laufen. In solchen Konstellation, so die Entwickler, sind erhebliche erhebliche Teile der im virtuellen Arbeitsspeicher der Gäste gespeicherten Daten identisch.

KSM sollte ursprünglich schon mit der Version 2.6.31 in den Hauptentwicklungszweig [4] von Linux einziehen. Die KSM- und Kernel-Entwickler kamen jedoch überein, noch einige Änderungen umzusetzen und die Aufnahme in 2.6.32 anzustreben – derzeit sieht es so aus [5], als würde das klappen. Einige Hintergründe zu KSM liefern die LWN.net-Artikel "/dev/ksm: dynamic memory sharing [6]" und "KSM tries again [7]"; die dort erwähnten Patentprobleme scheinen bei dem für die Aufnahme in Linux vorgeschlagenen Code nicht relevant zu sein.

Mit Aspekten rund um die Speicherverwaltung für Gastsysteme beschäftigt sich auch der Vortrag "Transcendent Memory and Linux" (Seite 191 [8]) dreier Oracle-Mitarbeiter (auch zu diesem Thema gab es kürzlich einen Bericht bei Linux Weekly News [9]). Mit Virtualisierung in HPC-Clustern beschäftigt sich "Linux-based virtualization for HPC clusters" (Seite 221 [10]) einiger Mitarbeiter des staatlichen französischen Forschungszentrum CNRS.

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Das PDF liefert eine Unmenge an detaillierten Hintergrundinformationen.

Dass Geschwindigkeitsanalyse und Debbugging ein derzeit ein wichtiges Thema im Linux-Umfeld sind, zeigt sich schon allein an der großen Zahl der zu diesem Thema gehaltene Vorträge.

Tim Bird von Sony etwa erklärt in "Measuring Function Duration with Ftrace" (Seite 47 [11]) die Verwendung des mit Linux 2.6.27 [12] aufgenommen Tracing-Frameworks FTrace (Function Tracer). Mit ihm lässt sich verfolgen, wie lange Code zur Ausführung in einer bestimmten Funktion benötigt – mit den Ausgaben kann man so gezielt nach Code-Abschnitten suchen, wo sich eine Optimierung besonders lohnt. In dem Beitrag beschreibt Bird den aktuellen Stand der sich mit jeder Kernel-Version verändernden Tracing-Infrastruktur und zeigt, wie man mit Filtern die Analyse auf bestimmte Kernel-Bereiche beschränkt. Mit FTrace beschäftigen sich jüngst auch einige LWN.net-Artikel – darunter "A look at ftrace [13]" und "On the value of static tracepoints [14]".

Tracing war auf dem diesjährigen Linux Symposium auch Thema im Vortrag "Combined Tracing of the Kernel and Applications with LTTng" (Seite 87 [15]). Bei dem dort beschriebenen Ansatz kommt allerdings das unabhängig vom Kernel entwickelte und auf einen Kernel-Patch angewiesene LTTng [16] zum Einsatz.

Mit der Fehlersuche beschäftigt sich der Vortrag "Dynamic Debug" (Seite 39 [17]) von Jason Baron. Er erklärt den Einsatz des seit Version 2.6.28 [18] in den Hauptentwicklungszweig von Linux integrierten Frameworks "Dynamic Debug". Damit lassen sich bestimmte Kernel-Ausgaben nachträglich einschalten, um so die Ursache eines Problems zu ermitteln – zuvor hatte man den Kernel meist mit aktivierten Debbuging-Optionen neu übersetzen müssen.

Um die Tiefen von Profiling und Tracing geht es im Vortrag "Hardware Breakpoint (or watchpoint) usage in Linux Kernel" (Seite 149 [19]) von Prasad Krishnan (IBM). Die Analyse von Speicherabbildern im Fehlerfall ist Thema bei "Programmatic Kernel Dump Analysis On Linux" (Seite 251 [20]).

Einige weitere Vorträge im Kurzüberblick:

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Erst sah es so aus, als wären die Proceeding in diesem Jahr nicht frei zugänglich.
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Dann verriet eine weitere Nachricht auf der Twitter-Alternative identi.ca den Link zu den Proceedings.

Alle Themen der Proceedings vom Linux Symposium 2009 [37]:

(thl [38]/c't) (thl [39])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-237152

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.linuxsymposium.org/2009/
[2] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf
[3] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=19&view=FitView
[4] http://www.heise.de/glossar/entry/Hauptentwicklungslinie-397933.html
[5] http://thread.gmane.org/gmane.linux.kernel.mm/37378
[6] http://lwn.net/Articles/306704/
[7] http://lwn.net/Articles/330589/
[8] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=47&view=FitView
[9] http://lwn.net/Articles/340080/
[10] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=47&view=FitView
[11] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=47&view=FitView
[12] https://www.heise.de/hintergrund/Viel-bewegt-Die-Neuerungen-von-Linux-2-6-27-221594.html
[13] http://lwn.net/Articles/322666/
[14] http://lwn.net/Articles/330402/
[15] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=87&view=FitView
[16] http://lttng.org/
[17] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=39&view=FitView
[18] https://www.heise.de/hintergrund/Hoeher-und-weiter-Die-Neuerungen-von-Linux-2-6-28-221651.html
[19] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=149&view=FitView
[20] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=251&view=FitView
[21] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=185&view=FitView
[22] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=235&view=FitView
[23] http://git.kernel.org/git/?p=linux/kernel/git/torvalds/linux-2.6.git;a=commitdiff;h=c72758f33784e5e2a1a4bb9421ef3e6de8f9fcf3
[24] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=319&view=FitView
[25] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=9&view=FitView
[26] http://autotest.kernel.org/
[27] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=209&view=FitView
[28] http://ltp.sourceforge.net/
[29] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=55&view=FitView
[30] http://simplefirmware.org/
[31] https://www.heise.de/news/Intel-entwickelt-ACPI-Alternative-fuer-Linux-185142.html
[32] https://www.heise.de/news/Intels-kommender-Smartphone-Atom-braucht-angepasstes-Betriebssystem-750409.html
[33] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=79&view=FitView
[34] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=95&view=FitView
[35] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=201&view=FitView
[36] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf#page=297&view=FitView
[37] http://www.linuxsymposium.org/2009/ls-2009-proceedings.pdf
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