UMTS-Ausstieg ist gut fürs Klima

Seite 2: Massive MIMO erlaubt geringere Sendestärke

Inhaltsverzeichnis

Bei UMTS können zwei Antennen gleichzeitig genutzt werden, um ein Signal zu einem Empfänger zu senden (2X2 MIMO – Multiple Input Multiple Outpout). Bei LTE können vier Antennen parallel arbeiten (4X4 MIMO), für LTE-Advanced ("Release 10") ist 8X8 MIMO spezifiziert, bei 5G ist inzwischen von Massive MIMO die Rede, mit bis zu 256 Antennen. Das in Handys zu verpacken ist eine Herausforderung, aber die Fahrt geht eindeutig in Richtung höherer spektraler Effizienz.

Nun könnte man meinen, zusätzliche Signale über immer mehr Antennen zu jagen, erhöhe den Stromverbrauch. So simple ist das aber nicht: "Durch den Einsatz von Massive MIMO wird die Interferenz reduziert. Das erlaubt die Reduktion der Sendeleistung, bei gleichbleibender Performance" des Netzes, erläutert Drei. Und so sinkt der Stromverbrauch pro Bit ein weiteres Stück.

Ein weiterer Vorteil von 4G und 5G ist deren Flexibilität bei der Breite des Funksignals. Bei GSM sind das immer Vielfache von 0,2 MHz, bei 3G Vielfache von 5 MHz. Bei 4G und 5G können die Signale noch viel breiter sein. Allerdings ist das flexibel. Sind gerade weniger Daten zu übertragen, kann das Signal auch schmäler ausfallen, was ebenfalls Strom spart. Bei 3G ist das nicht möglich, da müssen immer Vielfache von 5 MHz genutzt werden.

Dies sind die wesentlichen Energiesparmaßnahmen im Funkteil der Mobilnetze. Seit dem 2022 fertiggestellten Release 17 umfasst 5G neue Standards zu Definition, Messung und Senkung des Energieverbrauchs im gesamten 5G-System, vom Kernnetz bis zur Antenne. Maschinelles Lernen/Künstliche Intelligenz, Virtualisierungen und eine Reduktion der für administrative Zwecke übertragenen Datenmengen sollen 5G in Zukunft noch energieeffizienter machen.

Der finnische Netzbetreiber Elisa beispielsweise nutzt bereits jetzt maschinelles Lernen dazu, den Stromverbrauch seines Mobilfunknetzes zu reduzieren. Täglich werden automatisiert zehntausende Konfigurationsänderungen vorgenommen, wie Elisa gegenüber heise online angegeben hat. Bei örtlich geringer Netzauslastung können Sendestandorte zeitweilig teilweise oder ganz stillgelegt werden. So passt sich das finnische Netz laufend an den abzuführenden Datenverkehr und diverse äußere Einflüsse auf das Funkspektrum an. Menschen könnten das Netz nicht so schnell und umfassend optimieren.

2003 war Österreich das erste Land der Welt mit zwei aktiven UMTS-Anbietern, fünf sollten es zwischenzeitlich werden. Laut FMK nutzen heute weniger als zwei Prozent der Österreicher noch Smartphones, die so alt sind, dass sie zwar 3G, aber nicht wenigstens 4G unterstützen. Und mit diesen Handys wird ein noch kleinerer Anteil der gesamten Datenmenge übertragen. Dem steht ein unverhältnismäßiger Aufwand für den 3G-Netzbetrieb gegenüber: Administration, Softwarelizenzen, Kundensupport und eben der Stromverbrauch summieren sich. Daher haben die drei noch bestehenden Mobilfunk-Netzbetreiber beschlossen, UMTS im neuen Jahr stillzulegen.

Die Abschaltungen werden im Laufe des Jahres 2024 wohl schrittweise erfolgen, also nicht im gesamten Land bei allen Netzbetreibern auf einen Schlag. Erste versuchsweise Abschaltungen sind bereits erfolgt, gemerkt hat es kaum jemand. Die noch älteren GSM-Netze bleiben bis auf Weiteres in Betrieb; weil es in dem Land eigentlich keine 3G-Handys ohne GSM-Unterstützung gibt, können Österreicher mit alten 3G-Handys über GSM weitertelefonieren, und auch die in diversen Maschinen eingebauten GSM-Module (M2M, machine to machine communication) müssen nicht getauscht werden.

Die frei werdenden UMTS-Frequenzen (im 2100-MHz-Band, Anmerkung) dürfen die verbliebenen österreichischen Mobilfunk-Netzbetreiber A1, Drei und Magenta für ihre 4G- und 5G-Netze weiterverwenden – noch geraume Zeit. Laut Drei laufen die Frequenznutzungsrechte bis 2044. Der Netzbetreiber möchte übrigens keine einzige Sendestation stilllegen – sie und eine Reihe neuer Standorte werden für ein neues 5G-Standalone-Netz benötigt, das Drei derzeit aufbaut. Dabei werden auch zusätzliche Frequenzbänder (n28 um 700MHz sowie n78 um 3,5 MHz) in Betrieb genommen. Standalone bedeutet, dass das 5G-Netz unabhängig vom 4G-Bruder arbeitet.

Viel Abfall dürfte nicht zusammenkommen. Da die 2100-MHz-Frequenzen weiter bespielt werden, eben mit 4G oder 5G, bleiben die Antennen in Betrieb. Und moderne Hardware in den Sendestationen unterstützt ebenfalls die jüngeren Funkstandards, so dass auch sie weiterlaufen wird.

Beim Roaming dürften nur wenige Österreichbesucher das Fehlen von 3G merken. Die üblichen Roamingabkommen umfassen längst 4G und 5G.

Anmerkung: Tatsächliche Übertragungsgraten hängen nicht zuletzt vom gegebenenen Signal-Rausch-Verhältnis ab und spielen für die Berechnungen der theoretischen spektralen Effizienz unmittelbar keine Rolle. Bessere Wappnung gegen Interferenzen, wie sie mit MIMO möglich ist, helfen allerdings in der Praxis. Für das tatsächliche Erlebnis des Anwenders ist zudem die Latenz von erheblicher Bedeutung, die hier nicht beleuchtet wird. Die Latenzen sind mit jeder Mobilfunkgeneration ebenfalls besser geworden.

(ds)