Videorekorder: Ein Bild von einem Band

Seite 2: Ab in die Kiste!

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Die Preise dieser Geräte waren für Heimanwender bezahlbar, das Gefummel mit dem Band auf Spulen blieb aber umständlich. Wie für Audio musste auch für Video eine Kassette her. Die kam 1971 in Form des von Panasonic, JVC und Sony entwickelten U-matic-Formats. In Europa stellten Philips und Grundig 1972 VCR (Video Cassette Recording) vor.

Beide Systeme hatten eine maximale Aufnahmedauer von einer Stunde. Während VCR auf den Heimmarkt zielte und die Geräte mit einem Preis von rund 3000 D-Mark für Betuchte erschwinglich waren, lagen die U-matic-Maschinen je nach Modell bei 8000 bis 10.000 D-Mark. Sie wollte man an institutionelle Anwender verkaufen; spätere U-matic-Generationen wurden von vornherein für die Anforderungen von TV-Sendern konzipiert. 1975 schließlich brachte Sony den Ur-Betamax in den japanischen und US-Markt – eine verkleinerte und günstigere Version von U-matic. Fürs zeitversetzte Fernsehen war dies zu wenig, schon ohne Werbeunterbrechung dauert ein Spielfilm 90 Minuten und mehr. Der Durchbruch kam 1976 mit VHS (Video Home System). Die von JVC für Japan und den nordamerikanischen NTSC-Markt bestimmte Version brachte es von Anfang an auf zwei Stunden Aufnahmezeit – das war der Beginn des Heimvideobooms. Allein im Jahr der Markteinführung schnappte VHS Betamax auf dem US-Markt 40 Prozent Marktanteil weg.

Kopfstand: Bis in die 2000er Jahre war Bosch im TV-Studiogeschäft aktiv. Die Quadruplex-Maschinen fertigte man in Lizenz. Die Scheibe mit den vier rotierenden Köpfen sitzt oberhalb der linken Bandspule.

(Bild: gunnar_maas, CC BY-SA 3.0)

Als 1977 die an die europäischen TV-Systeme angepassten Versionen von Betamax und VHS kamen, hatte Betamax mit 3:15 Stunden zwar eine Viertelstunde Vorsprung vor VHS, das anfangs nur drei Stunden speichern konnte. Außerdem bot Betamax das bessere Bild. Sony wollte aber nur Partner, die eigene Geräte bauten, während JVC an Hinz und Kunz VHS-Lizenzen vergab. In der Folge erschienen nicht nur die JVC-VHS-Geräte unter zahllosen Markennamen. Auch Firmen wie Akai, Hitachi, Mitsubishi oder Panasonic belieferten europäische und US-amerikanische Anbieter mit VHS-Maschinen, auf denen deren Name prangte.

Grundig und Philips konterten 1979 mit Video 2000. Das Ende der Geschichte ist bekannt: VHS setzte sich durch; schlussendlich bauten auch Sony und Philips/Grundig VHS-Recorder. Ironie des Schicksals: Zur Hochzeit des Heimvideobooms in den 1990ern belegten die VHS-Rekorder von Sony die Spitzenplätze der Bestenlisten der einschlägigen Testmagazine.

Aber zu dieser Zeit zeichnete sich schon ab, dass die Zukunft digital und bandlos ist. 1996 startete in Deutschland DF-1 – digitales, auf der MPEG-2-Datenreduktion basierendes Zahlfernsehen. Gleichzeitig wurden CD-Brenner zum Massenartikel und die DVD kündigte sich an. Auf der Videovariante der DVD kam einmal mehr MPEG-2 zum Zug. 2001 erschien mit dem DVDR 1000 von Philips der erste Videorekorder, der Fernsehprogramme auf Disc statt Band speicherte. Gleichzeitig digitalisierten die öffentlich-rechtlichen wie frei empfangbaren Privat-TV-Stationen ihre Sendewege – einmal mehr mit MPEG-2. Und: PC-Festplatten wurden groß und günstig genug, um auf ihnen Video zu speichern. Die ersten Festplatten-TV-Recorder tauchten auf. Auch sie hatten Kinderkrankheiten und waren zur Markteinführung keine Schnäppchen – aber es war klar, in welche Richtung sich die Technik entwickeln würde.

Bis in die Mitte der Nuller-Jahre waren VHS-Recorder und die verbesserte "Super"-VHS-Variante dennoch gängig. Analog-TV war via Kabel und Satellit immer noch vorherrschend, die VHS-Kassetten die billigste und beste Möglichkeit, Video zu archivieren. Aber das Blatt wendete sich immer mehr zugunsten digitaler Übertragung und Speicherung – 2015 strich der letzte Hersteller von VHS-Kassetten die Segel, 2016 der letzte Hersteller von VHS-Videorekordern.

Selbst Festplattenrekorder sind nur noch ein Nischenprodukt: Seit die Internetverbindungen schnell genug sind, boomen Netflix und Co. ebenso wie die Mediatheken der TV-Sender. Nur noch eine Minderheit der Zuschauer legt Wert darauf, Programme auf physischen Datenträgern zu archivieren. Aber wer will, kann das im Jahr 2021 so günstig und effizient wie nie – eine externe Festplatte mit vier Terabyte Speicher kostet um 100 Euro und hat Platz für mehrere Wochen HD-Video. Auf Kassetten füllte dieselbe Zahl an Aufzeichnungen mehrere Regalmeter.

Das Ende der Videorekorder ist also folgerichtig. Aber auch wenn sich das Gerücht hartnäckig hält – die Bänder und die Aufnahmen darauf zerfallen bei korrekter Lagerung nicht. Wer wirklich noch unwiederbringliche Filme auf Cassette hat, sollte sich dennoch beim Digitalisieren sputen. Es wird immer schwieriger, noch funktionierende Rekorder zu finden.

(dahe)