Welchen Einfluss hat die Offshore-Windkraft auf Ökosysteme und das Klima?

Für die Windkraft On- und Offshore werden Flächen ausgewiesen. Zum Teil geschieht das an Orten, die besonders schützenswert erscheinen. Hier drohen Konflikte.

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Der Helgoländer Hummer ist berühmt, Hummerkäfige im Helgolander Unterland stehen symbolhaft für die schwierige Situation der Tiere.

(Bild: heise online/Kristina Beer)

Lesezeit: 30 Min.
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in english)

In Deutschland und Europa geht angesichts fortwährender Diskussionen um Energie-Engpässe infolge des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine die Sorge vor einem Blackout um. Die Energiewende in Deutschland gilt, je nach Betrachtungsweise, als verzögert oder auch gescheitert. Vielerorts werden Schreckensszenarien skizziert.

Wir haben beschlossen, nach vorne zu blicken und uns genauer anzusehen, was als einer der großen Faktoren für das Gelingen der Energiewende gilt: die Offshore-Windkraft. Um einen genaueren Einblick zu erhalten, was tatsächlich Offshore passiert, installiert und gepflegt wird, haben wir die WindMW GmbH besucht, die sowohl auf Helgoland, als auch in Bremerhaven und Zossen tätig ist.

Diese Artikelserie umfasst mehrere Teile, die wir von Dienstag bis Freitag dieser Woche veröffentlichen.

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Nein, das sieht nicht schön aus. Johannes hält mir seine Kamera entgegen. Wir sind früh auf das Oberland von Helgoland gestiegen, wollen einen Reel drehen, um diese Reportage besser öffentlich machen zu können. Wir beobachten, wie die Techniker-Schiffe zu den Windparks am Horizont aufbrechen, laufen weiter zur Langen Anna. Auch von diesem berühmten Helgoländer Aussichtspunkt aus, sieht man die Windparks ganz klein am Horizont. Toll sieht das aus.

Allerdings verrät die Kamera die unschönen Details. Auf den Klippen von Helgoland leben die Trottellummen. Sie brüten in Deutschland nur dort. Malerisch sitzen sie auf den Klippen, ihre Rufe ergeben eine einmalige Klangkulisse. Das hier ist ganz deutlich Helgoland. Aber Johannes kann mit seiner Kamera heranzoomen. Was man mit einer normalen Sehkraft nicht erkennen kann, offenbart das Objektiv.

Fischernetze und tote Vögel auf Helgoland.

(Bild: heise online/Johannes Börnsen)

Zwischen den schnatternden und krächzenden Vögeln auf den Klippen liegt offenbar von den Vögeln gesammelter Fischereimüll und daran verendete Tiere. Da ist er ganz deutlich, dieser Einfluss des Menschen auf die Ökosysteme und ihre Lebewesen. Auf den Klippen von Helgoland vermodern offenbar strangulierte Vögel. Was verursachen Menschen dort also noch? Was machen auch die Windparks aus?

Wir versuchen, der Frage weiter auf den Grund zu gehen. Denn wenn es um saubere Energie geht (und die Fragen nicht gerade von der Klimaschmutz-Lobby kommen), wollen es die Menschen meistens noch ein bisschen genauer wissen. Ist das mit der Windkraft wirklich gut? Schadet sie nicht den Vögeln, den Hummern, den Schweinswalen, den Menschen? Das andere Leid, das von Kohlekraftwerken und den Kohle-Abbaugebieten oder der Kernenergie und ihren Abfallprodukten ausgeht, wird gefühlt weitaus weniger hinterfragt.

Hat man sich an die Eingriffe, die diese Energieformen erfordern, so stark gewöhnt, dass man die Schäden und Einflüsse nicht mehr sieht? Oder spricht aus dem genauen Hinterfragen der Windkraft auch die Erkenntnis "In der Vergangenheit haben wir es nicht gut gemacht, nicht besser gewusst – in der Zukunft möchten wir es besser machen"? Dementsprechend fragen wir auch: Was verursacht die Offshore-Windkraft in den Ökosystemen der Nord- und Ostsee? Und welche Probleme könnte es für das Klima geben?

Noch bevor der Windpark Meerwind Süd | Ost in der Deutschen Bucht bei Helgoland aufgestellt wurde, wurden die Flächen vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) voruntersucht. In einem Bericht wurde festgehalten, welche Tiere dort ansässig sind, wie ihre Umwelt sich gestaltet, wie sie sich vermehren, wovon sie leben.

In aktuellen Berichten zur Flächenvoruntersuchung, die auch öffentlich einsehbar sind, kann man nachlesen, dass sich allein diese Voruntersuchungen aufgrund sich wiederholender Beobachtungszeiten – etwa auch, um ein Brut- oder Aufzuchtverhalten genauer einzuschätzen – auf mehrere Jahre ausdehnen können.

In Beamtendeutsch heißt es etwa: "Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 WindSeeG werden Untersuchungen durchgeführt und dokumentiert, die für eine Umweltverträglichkeitsstudie in dem Planfeststellungsverfahren nach § 45 WindSeeG zur Errichtung von Windenergieanlagen auf See auf dieser Fläche erforderlich sind und die unabhängig von der späteren Ausgestaltung des Vorhabens durchgeführt werden können."

In den Verfahren werden vorher als Schutzgüter festgelegte Tiere, Pflanzen und ganze Biotope benannt. Darunter fällt etwa das Benthos, das alle Organismen umfasst, die in der Bodenzone eines Gewässers leben. Die Untersuchung der Avifauna bedeutet, dass der gesamte Vogelbestand einer Fläche begutachtetet wird.

Im Bericht des BSH heißt es deshalb: "Zur Charakterisierung der Fläche in Bezug auf die Naturausstattung und Lebensgemeinschaften werden Daten zu den Schutzgütern Benthos, Biotoptypen, Fische, Avifauna und marine Säuger herangezogen/erhoben."

Die ersten Umweltuntersuchungen für Meerwind Süd und Meerwind Ost starteten schon im Jahr 2001. Tatsächlich gebaut wurde der Park dann aber erst in den Jahren 2012 bis 2015. In dem Verfahren gab es zum einen eine Neubeurteilung des BSH im Jahr 2005, auf die eine Genehmigung im Jahr 2007 folgte. Diese wurde allerdings beklagt, woraufhin die WindMW erst im Jahr 2010 die Sicherheit hatte, den Park wirklich bauen zu können. Die Klage war abgewiesen worden. Die Streitigkeiten in Sachen Meerwind Süd und Ost bei der Umweltbeurteilung sollen sich vor allem an der Population der Seetaucher aufgehangen haben.