xQc: Was wirklich hinter dem 100 Millionen Dollar-Deal von Kick steckt

Seite 2: Das Auge Saurons

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Die Ausgaben rechnen sich Staiy zufolge für Kick finanziell nicht in der Form, dass ein einzelner Streamer eine Investition von 100 Millionen Dollar wieder einspielen könnte. Zumal Kick lediglich 5 Prozent der über die Plattform generierten Einnahmen beim sogenannten Abonnenten-Split behalte – die restlichen 95 Prozent aus den Abo-Gebühren gingen schließlich an den Streamer. Dank der Schlagzeile würden sich nun aber viele Menschen Kick anschauen. Gleich zu Beginn auf Kick streamte xQc den Batman-Film "The Dark Night", musste diesen aber einstellen, weil er damit gegen den DMCA verstoßen hatte.

Die Aufmerksamkeit, die der 100 Millionen-Deal mit sich gebracht hat, lasse sich analog – die Analogie stammt nicht von Staiy – mit "dem Auge Saurons aus der Unterhaltungsindustrie" vergleichen, das jetzt auf Kick schaut. In der Vergangenheit richteten sich viele Copyright-Anzeigen gegen Stream-Aufzeichnungen und Twitch-Streamer wurden mit sogenannten DMCA-Claims überzogen, so dass Twitch ein Tool einführte, um das Entfernen der Videos auf Abruf (VOD) zu erleichtern. Auch xQc hat nach Aufforderung eines Kick-Mitarbeiters das Video umgehend löschen müssen, erklärt Staiy. Anschließend habe es im Internet Diskussionen gegeben, dass Kick genau wie Twitch sei und ebenfalls die Meinungsfreiheit einschränke...

Das Fundament von Kick besteht Staiy zufolge aus vielen Streamern, die auf Twitch und anderen Live-Plattformen in der Vergangenheit gesperrt wurden. "Ohne eine entsprechende Inhaltemoderation besteht allerdings eine große Gefahr, dass Kick sich eine Klientel ins Haus holt, die unaussprechliche Dinge veranstalteten." So soll es angeblich einen Vorfall gegeben haben, dass der Missbrauch Minderjähriger live übertragen wurde. Der auf Twitch gebannte Streamer Adin Ross habe auf Kick kürzlich zu Gewalt gegen Transgender aufgerufen – scheinbar ohne Konsequenzen.

Bei Twitch ist mittlerweile allerdings auch nicht mehr alles Gold, was glänzt. In der jüngsten Vergangenheit wurden die Nutzungs- und Rahmenbedingungen (Terms of Service – TOS) sehr häufig geändert – teilweise täglich. Derzeit liegt der Abonnenten-Split bei 50/50, mit unterschiedlichen Partnerschaften (etwa Partner Plus) auch bei 70/30. Die Regelungen sind mit den Jahren immer komplizierter geworden und die Möglichkeiten umfangreicher. Zur Unterstützung der Streamer und Influencer gibt es aber noch weitere Möglichkeiten und Plattformen: Patreon, Onlyfans oder Ko-fi sowie viele weitere.

Staiy fordert seine Zuschauer mittlerweile auf, ihn nicht mehr über die Abonnements von Twitch/Amazon zu unterstützen. Ausschlaggebend dafür war auch die Frequenz der TOS-Änderungen seitens Twitch und die damit verbundenen (Un-)Sicherheiten. "Ich will mich um meinen Stream kümmern. Muss ich mir jetzt auch noch Gedanken machen, ob die Plattform völlig den Verstand verliert?", erklärt Staiy. Anscheinend muss er das aber und deshalb hat er sich zu diesem Schritt entschieden. Den Abo-Button auf Twitch kann er nicht einfach ausblenden, weil dieser fester Bestandteil seiner aktuell noch laufenden Partnerschaft ist.

Staiy kann seine Zuschauer zwar nicht dazu zwingen, ihn nicht zu abonnieren, aber er bittet sie darum, weil Twitch den Anteil der Gebühren nicht verdiene. Die Plattform handelt ihm zufolge schon seit längerer Zeit nicht mehr im Interesse der Content-Creatoren und die Entscheidungen sind teilweise so extrem, dass sie ein Gefühl "Limit-Testing" vermitteln – wie viel Druck kann Amazon ausüben, bis die Streamer sich wehren. Der Verzicht auf die Abos ist seine persönliche Entscheidung und kein Aufruf zum Boykott, stellt Staiy klar. Eine Mitgliedschaft auf YouTube ist für ihn die bessere Alternative. Google ist zwar auch nicht die "heilige Instanz", aber zumindest so beständig, dass man sich bislang darauf verlassen kann.

Mehr über die Verdienstmöglichkeiten lesen Sie in diesem Missing Link: Internetstars – Von Influencern, YouTubern und Twitchstreamern. Die Bedingungen und Konditionen entsprechen nicht mehr in allen Bereichen den aktuellen Möglichkeiten – die grundsätzlichen Erklärungen der Einnahmemöglichkeiten sind in großen Teilen aber bis heute gültig.

In einer der unzähligen Änderungen wollte Twitch etwa auch die Partnerschaften mit Werbetreibenden regulieren und sogar unterbinden. Diese Partnerschaften werden regelmäßig oder dauerhaft (je nach Anzahl der Partner) etwa per Marken-Logo eingeblendet oder in Form von Werbevideos – ohne finanzielle Twitch-Beteiligung – ausgespielt. Das Einblenden von Werbepartnern sollte zwar nicht vollständig untersagt werden, die Fläche der Logos durfte allerdings maximal drei Prozent in den Übertragungen einnehmen. Werbevideos hingegen waren komplett untersagt. Diese drastische Maßnahme hat Twitch innerhalb von zwei Tagen wieder zurückgezogen, da viele große Streamer darauf angewiesen sind und mit einem nötigen Rückzug von der Plattform reagierten. Unbestätigten Gerüchten zufolge, sollen ziemlich genau zu dem Zeitpunkt 1,2 Millionen neue Benutzeraccounts auf Kick erstellt worden sein. Hinter vielen großen Influencern stecken Unternehmen mit Angestellten und sozialen Verpflichtungen.

Zusätzlich hätte dieser Einschnitt auch Werbeagenturen und Mittelsmänner getroffen – etwa direkte Werbepartner für die Finanzierung von Events, bei denen sich Twitch in der Vergangenheit unzureichend oder gar nicht beteiligt habe. Zu den Events zählen beispielsweise Fußballevents oder das Angelcamp bis hin zu E-Sport-Veranstaltungen. Aufgrund des scheinbar mangelnden Interesses seitens Twitch finden diese Events in Deutschland mittlerweile größtenteils auf Joyn, dem Streaming-Angebot von ProSiebenSat.1 Media, statt. Gerüchte, dass Joyn mit seinen guten Kontakten zu den Influencern ebenfalls eine Streaming-Plattform plant, machen bereits seit geraumer Zeit die Runde, erklärt Staiy.