Internet-Verwaltung: Letztes Scharmützel um US-Aufsicht über die DNS-Rootzone
Karriereknick, Geldstrafen und Gefängnis drohte der republikanische Ex-Präsidentschaftskandidat Ted Cruz Mitarbeitern der NTIA an. Damit will der US-Senator das Ende der US-Aufsicht über zentrale Rootzone doch noch einmal abwenden.
Bei einer Anhörung lieferten sich in Washington Befürworter und Gegner der endgültigen Privatisierung der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) eine letzte erbitterte Schlacht.
Schon vor einiger Zeit hatte die US-Regierung ihre Absicht verkündet, sich aus der besonderen Aufsichtsrolle für die DNS-Rootzone zurückzuziehen. Sie ist ein Herzstück der zentralen Infrastruktur der Netzkommunikation, das "globale Grundbuch", in dem die Top Level Zonen von .ac über .de bis .zw sowie die generischen TLDs wie .com eingetragen sind.
Im März 2014 hatte die US-Regierung eingewilligt, ihre Rolle als Wächter über Änderungen im zentralen Rootzone-File und damit über die Internet Assigned Numbers Authority (IANA) auf- und an die privatrechtlich organisierte Internet-Verwaltung ICANN abzugeben. Zu den IANA-Aufgaben gehören auch die Vergabe von IP-Adressblöcken an die regionalen IP-Adressverwaltungsstellen und das Führen einer Registry, in der Protokollnummern für Internetprotokolle verzeichnet sind.
"Rechtsbruch"
Der Republikaner Ted Cruz, US-Senator von Texas und seit Monaten gegen das Ende der US-Aufsicht über die zentrale Rootzone wetternd, nutzte seinen Vorsitz im Senatsunterausschuss "Oversight, Agency Action, Federal Rights and Federal Courts" für eine dreieinhalb-stündige Anhörung. Dem Chef der National Telecommunications and Information Administration (NTIA), Lawrence Strickling, warf er dabei Rechtsbruch vor und dem gerade ins Amt gekommenen Chef der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), Göran Marby, ein Liebäugeln mit China und anderen autokratischen Staaten.
In zwei Wochen läuft der Vertrag zwischen NTIA und ICANN über den Betrieb der IANA aus, und die US-Behörde hat erklärt, dass sie ihn nicht erneuern will. Damit fällt die Aufsicht über die zentrale Rootzone und andere zentrale Datenbanken für das Internet an die ICANN. Die private Organisation nach kalifornischem Recht hat sich darauf durch eine Stärkung ihrer Selbstverwaltungsgremien und die Gründung einer dedizierten Tochtergesellschaft vorbereitet.
"Schutz der Meinungsfreiheit"
Eine von Techfirmen und -organisationen selbst verwaltete kritische Infrastruktur passt Cruz und einer kleinen Gruppe von Republikanern aber überhaupt nicht. Die Firmen seien nicht an den ersten Verfassungszusatz gebunden und hätten, schimpfte Cruz, schlechte Referenzen, wenn es um den Schutz der Meinungsfreiheit gehe. Alle Beteuerungen von Strickling, die ICANN könne Zensur weder selbst ausüben noch nationalstaatliche Zensur verhindern, nutzten nichts. Cruz blieb dabei, die USA verliere durch die Aufgabe ihrer Aufsichtsrolle, China und Russland gewännen.
Die von Cruz geladenen Experten empfahlen unter anderem, das neu entworfene Selbstverwaltungssystem zunächst einem Praxistest zu unterziehen oder nur die aktuell praktizierte direkte Prüfrolle für Änderungen der Rootzone aufzugeben. Der IANA-Vertrag dagegen könne beibehalten werden, um ICANN zu disziplinieren.
Strickling, mehrere Gutachter aus dem ICANN-Umfeld und zahlreiche Firmen warnten demgegenüber eindringlich vor einer Verzögerung der vollständigen Übergabe. Sie spiele denen in die Hände, die eine Alternative zu ICANN unter dem Dach der Vereinten Nationen forderten. Wer auf die Kontrolle poche, die im globalen Netz ohnehin illusionär sei, verliere seinen Einfluss, mahnte einer der Gutachter. Nur einen Tag vor der Anhörung hatte der oberste Rechnungshof der USA einem Argument von Cruz und Konsorten widersprochen, in dem er mitteilte, DNS und Rootzone seien kein US-Eigentum.
Gegenwind
Der Republikaner Cruz fuhr angesichts des Gegenwinds ganz schwere Geschütze gegen die NTIA auf. Die Behörde habe schon jetzt gegen einen Haushaltsbeschluss verstoßen, der ihr untersagt habe, Geld für die Übergabe auszugeben, polterte er. Stricklings Mitarbeiter warnte er vor rechtlichen Konsequenzen bis hin zu Geld- und Gefängnisstrafen.
Mit welch harten Bandagen in den letzten Tagen vor der Aufsichtsübergabe gekämpft wird, zeigt allerdings auch, dass zwei der von Cruz bestellten Gutachter in der Anhörung berichteten, sie hätten regelrechte "Drohbriefe" von VeriSign bezüglich ihrer schriftlichen Stellungnahmen erhalten. VeriSign ist das alte und neue technische Backend für Updates in der Rootzone und befürwortet die Übergabe.
Zahlreiche Firmen und technische Organisationen – etwa das IAB und die Internet Society – haben sich in den letzten Tagen für die Übergabe ausgesprochen. (jk)