Juncker will europäische Digitalwirtschaft gegen US-Dominanz stärken
Der designierte EU-Präsident Jean-Claude Juncker will die europäische digitale Wirtschaft voranbringen und den US-Großkonzernen Paroli bieten. Ein mit weitreichenden Kompetenzen ausgestatteter Internet-Kommissar soll dazu beitragen.
Die digitale Wirtschaft solle ganz im Zentrum seiner Präsidentschaft stehen, sagte der am vergangenen Freitag für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten nominierte Jean-Claude Juncker dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". EU-Diplomaten berichten, dass Juncker bereits auf der Suche nach einem durchsetzungsstarken Digitalkommissar sei. Dieser solle mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden.
Hintergrund ist die Vorherrschaft der amerikanischen und teilweise asiatischen Großkonzerne, wohingegen die derzeitige europäische Internet-, Telekommunikations- und Software-Branche in Bedeutungslosigkeit versinkt – Resultat der langjährigen Politik der EU-Kommission sowie der Mitgliedsstaaten, so der Spiegel. Konsequenz dieser Vormachtstellung: Keine Woche vergeht, ohne dass etwa jemand eine Beschwerde oder belastendes Material gegen den Suchmaschinenriesen Google wegen Missbrauchs der Marktdominanz des Konzerns einreiche, berichtet EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia.
Damit soll nun Schluss sein. Juncker will mit seiner digitalen Politik das Selbstbewusstsein europäischer Unternehmen gegenüber den vorherrschenden US-Konzernen stärken und dem EU-Markt mehr Gewicht verschaffen. Das könne der europäischen Wirtschaft zusätzliches Wachstum in Höhe von 500 Milliarden Euro sowie Hunderttausende neue Arbeitsplätze einbringen. Der Weg dorthin führt über eine neue Industriepolitik und das Aufbrechen bisheriger nationaler Regelungen der Telekommunikation, des Urheberrechts, des Datenschutzes, der Vergabe der Funkfrequenzen sowie des Wettbewerbsrechts. Bisher haben europäische Regulierungswut, zu viele Einzelregelungen und schlechte Rahmenbedingungen den europäischen Markt zersplittert und die Unternehmen für den internationalen Konkurrenzkampf geschwächt.
Zur neuen digitalen Strategie sollen vom zukünftigen Digitalkommissar definierte transnationale Telekommunikationsmärkte gehören. Außerdem eine neue Wettbewerbspolitik, die auch Großfusionen in diesem Sektor ermögliche, so Juncker. Vorbild sei die amerikanische Industrie, bei der fünf Großkonzerne im Wettbewerb zueinander stehen. Damit das gelingt, will die EU-Kommission künftig bei der Vergabe der bislang auf nationaler Ebene verteilten Funkfrequenzen mitreden. Ein europaweites Frequenzband könnte die europäische Digitalisierung voranbringen, dürfte aber angesichts unterschiedlicher Interessen nicht leicht durchzusetzen sein.
Gleiches gilt für einen gemeinsamen Rechtsrahmen für Internetgeschäfte. Derzeit existieren 28 unterschiedliche Regelungen in Sachen Urheberrecht. Auch behindere eine mangelnde einheitliche Gewährleistungspflicht den Binnenmarkt. Wer im Internet Waren aus anderen EU-Ländern kaufen oder verkaufen will, müsse mit unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zurechtkommen, zitiert das Nachrichtenmagazin den CDU-Europaabgeordneten Andreas Schwab. Auch hier sei die gemeinsame Verbraucherrichtlinie letztlich an nationalen Egoismen gescheitert. Das macht es US-Konzernen leicht, einzuspringen und den europäischen Markt zu bedienen. An diesem Punkt will Junckers digitale Agenda einsetzen und eine gemeinsame europäische Antwort finden. (ur)